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Großdeutsche Volkspartei
18. Mai 1920 (aber vor dem 20. April 1920 entstanden)
Verfassungsentwurf (Druck )
AdR, Büro Seitz, Karton 10
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842 der Beilagen. — Konstituierende Nationalversammlung.
1Unter dem Zwange des Vertrages von St. Germain, der den Anschluß an das Deutsche Reich derzeit verwehrt, in dem Bestreben, dem bedrängten Volke des deutschen Alpenlandes den Aufstieg zu ermöglichen, schließen sich die geschichtlich gewordenen selbständigen Länder Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Kärnten, Tirol und Vorarlberg zu einem Bundesstaat zusammen und geben sich nachstehende Verfassung:
Demokratische Republik.
Österreich ist eine demokratische Republik; alle Gewalt im Staate geht vom Volk aus. Jeder Staatsbürger hat Anteil an der wirtschaftlichen und politischen Macht der Gesamtheit. Sicherung und Förderung der Gesamtheit und des einzelnen ist der Zweck des Staates.
Bundesstaat.
Österreich ist ein Bundesstaat, gebildet aus den selbständigen Ländern Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Kärnten, Tirol und Vorarlberg. Wenn die Stadt Wien aus dem Verbande des Landes Niederösterreich ausscheidet und zu einem selbständigen Gebiet wird, und sobald 2 das Heinzenland sich als selbständiges Land bildet, werden Wien und Heinzenland selbständige und gleichberechtigte Glieder des Bundesstaates.
Bundesgebiete.
(1) Der Bundesstaat umfaßt das Gebiet der Länder in ihrem geschichtlich gewordenen Umfang, soweit er nicht durch den Vertrag von St. Germain geändert worden ist.
(2) Die Aufnahme deutschen Gebietes, das außerhalb der Grenzen liegt, in eines der Länder erfolgt durch übereinstimmende Gesetze des Bundes und des betreffenden Landes. Die Änderung der Grenzen zweier Länder, die Teilung eines Landes, die Zusammenlegung mehrerer Länder erfolgt durch übereinstimmende Gesetze des Bundes und der beteiligten Länder.
Staatshoheit.
(1) Die Länder sind selbständig, soweit ihre Selbständigkeit nicht durch die Verfassung zugunsten des Bundesstaates beschränkt ist.
(2) Den Ländern stehen alle staatlichen Hoheitsrechte zu, soweit sie nicht durch die Verfassung dem Bund übertragen sind.
(3) Die Länder sind untereinander gleichberechtigt.
(4) Die deutsche Sprache ist Staatssprache.
Die Machtverteilung zwischen dem Bund und den Ländern.
(1) Soweit die Länder durch diese Verfassung ihre Hoheitsrechte dem Bunde übertragen, kommt diesem in den übertragenen Angelegenheiten entweder
(2) Soweit verfassungsgemäß Bundesgesetze vorliegen, sind sie für die Länder bindend.
3 (3) Soweit eine Übertragung an den Bund nicht vorliegt, steht den Ländern Gesetzgebung und Verwaltung zu. Erläßt der Bund ein grundsätzliches Gesetz (1), so kann er eine Frist bestimmen, innerhalb deren das Land das Ausführungsgesetz zu schaffen hat. Bei fruchtlosem Ablaufe der Frist ist der Bund berechtigt, das Ausführungsgesetz selbst zu erlassen. Macht der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht in Angelegenheiten, die nicht zum ausschließlichen Wirkungskreise gehören, keinen Gebrauch, so können die Länder auch auf diesem Gebiete Gesetze erlassen, die aber einem späteren Bundesgesetze weichen.
(4) Über Verfassungsstreitigkeiten zwischen den Ländern oder zwischen dem Bund und einzelnen Ländern entscheidet das Bundesverfassungsgericht.
Ausschließlicher Wirkungskreis des Bundes.
Der Bund hat Gesetzgebung und Verwaltung über folgende Angelegenheiten:
Der grundlegende Wirkungskreis des Bundes.
Zu dem grundlegenden Wirkungskreise des Bundes gehören:
Der grundsätzliche Wirkungskreis.
Zum grundsätzlichen Wirkungskreis des Bundes gehört:
Die Landesverfassungen.
(1) Jedes Land muß eine demokratische, republikanische Verfassung haben. Die politische Volksvertretung in Land und Gemeinde muß in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl von Männern und Frauen gewählt werden. Nur die Wahlberechtigung in die Gemeinde kann durch die Bedingung des einjährigen Aufenthalts in der Gemeinde beschränkt werden.
(2) Jedes Land muß um die Gewährleistung seiner Verfassung beim Bund ansuchen.
(3) Sofern die Landesverfassung den Vorschriften der Bundesverfassung nicht widerstreitet, hat der Bund die Landesverfassung zu gewährleisten. Mit der Gewährleistung übernimmt der Bund die Pflicht, die Landesverfassung gegen innere und äußere Angriffe zu schützen.
Die Ausübung der Staatsgewalt.
(1) Die Staatsgewalt wird in Bundesangelegenheiten durch Organe des Bundes auf Grund der Bundesverfassung, in Landesangelegenheiten durch Organe der Länder auf Grund der Landesverfassungen ausgeübt.
6 (2) Soweit den Ländern die Durchführung der Bundesgesetze überlassen ist, sind sie verpflichtet, sich der Aufsicht des Bundes zu unterwerfen und über Ersuchen des Bundes Mängel zu beseitigen.
Bundes- oder Staatsbürgerschaft.
(1) Jedes Land hat eine Landesbürgerschaft. Die Voraussetzungen für Erwerb und Verlust der Landesbürgerschaft sind in jedem Lande gleich und durch grundsätzliches Bundesgesetz geregelt.
(2) Grundlegende Voraussetzung ist die Zusicherung der Aufnahme in den Heimatsverband einer Gemeinde.
(3) Mit dem Erwerb der Landesbürgerschaft wird die Bundes- oder Staatsbürgerschaft erworben.
(4) Jeder Staatsbürger hat in jedem Lande gleiche Rechte und Pflichten.
Gleichheit der Staatsbürger.
(1) Die Staatsbürger sind vor dem Gesetze gleich; sie haben ohne Unterschied des Geschlechts gleiche Rechte und Pflichten. Alle Standesvorrechte sind abgeschafft.
(2) Titel und Ehrenzeichen dürfen nur auf Grund von Gesetzen verliehen werden.
(3) Ausländische Titel und Ehrenzeichen dürfen nur mit Zustimmung der Bundesregierung angenommen werden.
Freiheit der Person.
(1) Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Außer im Falle der Ergreifung auf frischer Tat kann eine Verhaftung nur auf Grund eines Befehles erfolgen, der von einem Strafgericht oder Gefällsstrafgericht erlassen ist.
(2) Der Verhaftete ist im Laufe des folgenden Tages dem Gerichte zu übergeben oder freizulassen. Widerrechtlich verfügte oder verlängerte Gefangenschaft gewährt Anspruch auf Genugtuung und Schadenersatz.
7 (3) Dieser Anspruch besteht gegen den Staat und ist im ordentlichen Rechtswege geltend zu machen.
Freiheit der Wohnung.
(1) Die Wohnung jedes Staatsbürgers ist für ihn eine unverletzliche Freistätte.
(2) Eine Hausdurchsuchung ist nur zulässig auf Grund eines richterlichen Befehles (Artikel 13), im Falle der Verfolgung auf frischer Tat auch durch den gesetzlich berechtigten Beamten.
(3) Die Unverletzlichkeit der Wohnung verhindert nicht die Verhaftung eines gerichtlich Verfolgten.
(4) Gegen das Eindringen von Privatpersonen wird das Recht der Selbsthilfe anerkannt.
Freiheit der Mitteilung.
Das Briefgeheimnis, das Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis ist unverletzlich. Eingriffe können durch Bundesgesetz für zulässig erklärt werden.
Freizügigkeit.
(1) Jeder Staatsbürger hat das Recht der Freizügigkeit der Person und des Vermögens in allen zum Bunde gehörigen Ländern.
(2) Als Folge strafgerichtlicher Verurteilung kann die Freizügigkeit beschränkt werden. Im Falle der Beschränkung kann der Staatsbürger zum Aufenthalt im bestimmten Ort und Gebiet verhalten oder aus einem bestimmten Ort und Gebiet ausgewiesen werden. Außer dem Falle der Anweisung eines bestimmten Aufenthaltes im Bundesgebiete kann kein Staatsbürger aus dem Heimatland und der Heimatsgemeinde ausgewiesen werden.
Freiheit der Auswanderung.
Jeder Staatsbürger ist berechtigt, auszuwandern. Durch Bundesgesetz kann die Freiheit der Auswanderung von der Erfüllung der staatsbürgerlichen Pflichten abhängig gemacht werden.
Rechtsschutz.
(1) Jeder Staatsbürger hat Anspruch auf Schutz durch Gesetze. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter 8 entzogen werden. Kein Bundesbürger darf einer ausländischen Macht ausgeliefert werden. Eine Handlung darf nur dann bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen worden ist.
(2) Verletzt ein Richter, ein öffentlich Angestellter oder, wer sonst auf Grund der Gesetze öffentlichrechtliche Aufgaben besorgt, das Recht oder seine Amtspflicht, so haftet der Bund oder die Körperschaft, in deren Auftrag der Betreffende handelt, für den Schaden. Der Ersatzanspruch ist im ordentlichen Rechtswege geltend zu machen.
Freiheit der Meinungsäußerung.
(1) Jeder Staatsbürger hat das Recht, seine Meinung frei zu äußern, bleibt aber verantwortlich, wenn er Strafgesetze übertritt.
(2) Die Preßfreiheit darf durch Präventivzensur und Verwaltungsmaßnahmen nicht beschränkt werden. Zur Bekämpfung der Schundliteratur und ähnlicher Erzeugnisse und zum Schutze der Jugend bei öffentlichen Schaustellungen sind Beschränkungen durch besondere Bundesgesetze zulässig.
(3) Über Preßdelikte, die von Amts wegen verfolgt werden, haben Gerichte zu urteilen, bei denen Laien mitentscheiden.
Versammlungsfreiheit.
(1) Alle Staatsbürger haben das Recht, sich unbewaffnet zu versammeln.
(2) Versammlungen unter freiem Himmel bedürfen der Anmeldung und können bei Gefahr für die öffentliche Sicherheit verboten werden.
Freiheit der Vereinsbildung.
Alle Staatsbürger haben das Recht, Vereine oder Gesellschaften zu bilden, sofern deren Zweck den Strafgesetzen nicht zuwiderläuft. Der Verein erwirbt die Rechtsfähigkeit gemäß den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes. Die Bewilligung einer Verwaltungsbehörde ist nicht erforderlich. Sofern Vereine oder Gesellschaften gewinnbringende Zwecke verfolgen, sind gesetzliche Ausnahmen möglich.
Wahlrecht.
(1) Jeder volljährige, geistig gesunde und vollberechtigte Staatsbürger (Artikel 12) hat das Recht, 9 an der gesetzgebenden Gewalt und an der Verwaltung nach Maßgabe der Gesetze mitzuwirken. Er hat in die politischen Vertretungskörper das aktive Wahlrecht, bei Erreichung des 30. Lebensjahres wird er in Landtag und Bundestag wählbar.
(2) Wahlschutz und Wahlgeheimnis wird gewährleistet.
(3) Die Wahlpflicht kann durch besondere Bundes- oder Landesgesetze eingeführt werden.
Petitionsrecht.
Jeder Staatsbürger hat das Recht, sich mit Bitten und Beschwerden an die zuständige Behörde oder an die Volksvertretung zu wenden. Mehrere zusammen können dieses Recht nur schriftlich oder durch Abgesandte ausüben.
Glaubensfreiheit.
(1) Jeder Staatsbürger hat volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die Auskunftspflicht gegenüber der Behörde wird dadurch nicht berührt.
(2) Die gemeinsame häusliche und öffentliche Religionsübung ist nicht beschränkt und steht gegen Störung unter staatlichem Schutz. Verbrechen und Vergehen, welche bei Ausübung dieser Freiheit begangen werden, sind nach dem Gesetze zu bestrafen.
(3) Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet.
(4) Neue religiöse Gesellschaften können sich frei bilden. Sie bedürfen der staatlichen Anerkennung nicht. Die Rechtsfähigkeit erlangen sie nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.
(5) Jede religiöse Gesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten, insbesondere die Besetzung ihrer Ämter, selbständig.
(6) Sobald eine religiöse Gesellschaft durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bietet, ist ihr durch Gesetz das Recht einer Körperschaft öffentlichen Rechtes zu verleihen. Als solche ist sie berechtigt, von ihren Anhängern Steuern zu erheben.
(7) Hinsichtlich ihrer Vermögens- und Erwerbsfähigkeit stehen die Religionsgesellschaften den weltlichen Gesellschaften gleich.
(8) Sonntage und staatlich anerkannte Feiertage bleiben Tage der Arbeitsruhe.
(1) Die staatsbürgerlichen Rechte werden durch das religiöse Bekenntnis weder bedingt noch beschränkt; den staatsbürgerlichen Pflichten darf es keinen Abbruch tun.
(2) Niemand darf zu einer religiösen Handlung, Feierlichkeit oder Übung gezwungen werden.
(3) Das religiöse Bekenntnis der Kinder unter 14 Jahren bestimmt, wer die väterliche oder vormundschaftliche Gewalt ausübt.
(4) Die Teilnahme schulpflichtiger Kinder, die einer religiösen Gesellschaft angehören, an religiösen Unterrichtsfächern, Feiern und Handlungen, wird durch die Schulgesetze geregelt.
(5) Kein Lehrer an öffentlichen Schulen kann wider seinen erklärten Willen zur Erteilung des Religionsunterrichtes oder zur Vornahme kirchlicher Verrichtungen herangezogen werden.
Das Recht auf Unterricht.
Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei.
(1) Jeder Staatsbürger hat nach Maßgabe der Gesetze Anspruch, daß durch Schulbildung seine geistigen Kräfte entwickelt werden.
(2) Es besteht allgemeine Schulpflicht für Volksschulen in der Dauer von mindestens acht Jahren, für Fortbildungsschulen mindestens bis zum vollendeten 16. Lebensjahre.
(3) Die Erfüllung der Schulpflicht erfolgt grundsätzlich in öffentlichen Volks- und Fortbildungsschulen. Privatschulen können nur auf Grund einer Bewilligung der Länder errichtet werden, wenn sie den Bedingungen der öffentlichen Schule entsprechen.
(4) Der Unterricht an öffentlichen Volks- und Fortbildungsschulen ist unentgeltlich.
(1) Die Gesetzgebung und Verwaltung der Volks-, Mittel- und Hochschulen steht dem Bunde zu.
(2) Für den Besuch höherer Schulen durch Minderbemittelte sind Erziehungsbeihilfen aus öffentlichen Mitteln beizustellen.
(1) In allen Schulen ist sittliche Bildung, staatsbürgerliche Gesinnung, persönliche und berufliche Tüchtigkeit zu erstreben.
11 (2) Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach und wird unter Aufsicht des Staates erteilt. Einführung und Dauer werden durch ein besonderes Gesetz bestimmt.
Die Ehe.
(1) Die Ehe steht als Grundlage des Familienlebens unter dem Schutze der Verfassung.
(2) Nur die Einehe ist gesetzlich zulässig.
Der Schutz der Kinder.
(1) Der Schutz der Mutterschaft und die Fürsorge für kinderreiche Familien ist durch besondere Gesetze zu regeln. Die Erziehung der Kinder zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit ist Pflicht und Recht der Eltern.
(2) Inwieweit Eltern und ihre Stellvertreter zur Einhaltung ihrer Pflichten zu zwingen sind, inwieweit die Fürsorgeerziehung der Gesamtheit einzutreten hat, ist durch besonderes Gesetz festzustellen. Wirtschaftliche Rechte.
Das Verhältnis der Gesamtheit zu den Wirtschaftsverhältnissen.
(1) Die Ordnung des Wirtschaftslebens muß den Grundsätzen der Gerechtigkeit mit dem Ziele der angemessenen Anteilnahme aller Schaffenden an dem Ertrage der Volkswirtschaft entsprechen.
(2) Aufgabe des Staates ist es, alle wirtschaftlichen Kräfte zur größtmöglichen Leistung im Dienste der Gesamtheit zu entwickeln.
(3) Durch Bundesgesetz kann festgestellt werden inwieweit zu diesem Zwecke für gewisse wirtschaftliche Zweige die Vereinigung von Betrieben oder eine gemeinsame Planwirtschaft vorzusehen ist, durch welche gesellschaftlichen Organe unter Mitwirkung und Mitbeteiligung des Staates diese Planwirtschaft durchzuführen ist.
(4) Innerhalb dieser Grenzen ist die Freiheit der Arbeitskraft und des Eigentums gewährleistet.
Freiheit der Berufswahl.
(1) Jedem Staatsbürger steht es frei, einen Beruf zu wählen und sich darin auszubilden.
12 (2) Alle Staatsbürger sind nach Maßgabe der Gesetze und entsprechend ihrer Befähigung und ihrer Leistung zu den öffentlichen Ämtern zuzulassen.
(3) Die weiblichen Angestellten sind den männlichen gleichgestellt.
(4) Nationalen Minderheiten gebührt dieser Anteil nur im Verhältnis ihrer Zahl zur Gesamtbevölkerung.
Die Freiheit des Eigentums.
(1) Das Eigentum wird gewährleistet. Eine Enteignung darf nur auf Grund der Gesetze zum gemeinsamen Besten gegen angemesse Entschädigung erfolgen.
(2) Über die Höhe der Entschädigung entscheidet im Streitfalle das ordentliche Gericht.
Freiheit der Arbeitskraft.
(1) Die Arbeitskraft, körperliche und geistige, steht unter dem Schutze der Gesetze.
(2) Jeder Staatsbürger, der zur körperlichen oder geistigen Arbeit fähig ist, ist ohne Rücksicht auf seinen Besitz zur Arbeit verpflichtet. In welcher Weise unbenutzte Arbeitskräfte im Interesse der Gesamtheit nutzbar zu machen sind, ist durch besonderes Gesetz zu bestimmen.
(3) Die Arbeitsnachweisung und die gesellschaftliche Versicherung für den Fall unverschuldeter Arbeitslosigkeit ist durch Gesetz zu regeln.
Schutz der Arbeitskraft.
(1) Für den Fall der Krankheit und der Arbeitsunfähigkeit, zur Fürsorge gegen die wirtschaftlichen Folgen des Alters und der Wechselfälle des Lebens und zum Schutze der Mutterschaft ist ein Versicherungswesen unter Mitwirkung der Versicherten zu schaffen (Sozialversicherung).
(2) Für den selbständigen Mittelstand in Landwirtschaft, Handel und Gewerbe ist eine fakultative Versicherung gegen die Folgen des Alters, der Krankheit und Erwerbsunfähigkeit zu errichten.
Die Vertragsfreiheit.
(1) Im wirtschaftlichen Verkehre gilt Vertragsfreiheit. Wucher ist verboten.
(2) Rechtsgeschäfte, die gegen die guten Sitten verstoßen, sind nichtig.
13 (3) Die Arbeitnehmer einerseits, die Arbeitgeber andrerseits sind berufen, sich zu Verbänden zusammenzuschließen, welche in gemeinsamer Arbeit an der Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen mitzuwirken haben.
(4) Diese Verbände und ihre Vereinbarungen werden staatlich anerkannt.
Vereinigungsfreiheit.
(1) Die Vereinigungsfreiheit zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ist gewährleistet.
(2) Durch Bundesgesetz kann das Recht der Arbeitgeber zur Stillegung oder Beschränkung ihrer Betriebe (Aussperrung) und das Recht der Arbeitnehmer auf Arbeitsniederlegung (Streik) geregelt und, sofern eine Schädigung der Gesamtheit zu befürchten ist, eingeschränkt werden.
(3) Einschränkende Abreden und Maßnahmen sind rechtswidrig.
Pflichten der Staatsbürger.
(1) Jeder Staatsbürger ist zur Ausübung der ihm zukommenden politischen Rechte, zur Teilnahme an der Verwaltung nach Maßgabe der Gesetze verpflichtet.
(2) Des weiteren besteht die Pflicht zur Arbeit, die Pflicht zum öffentlichen Dienst, zur Beitragsleistung nach den besonderen Gesetzen und zur Beobachtung der verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetze.
(3) Der Arbeitnehmer und der öffentliche Angestellte hat das Recht auf die freie Zeit, die zur Wahrnehmung seiner politischen Rechte und zur Ausübung öffentlicher Ämter nötig ist, eine Ausnahme ist durch Gesetz so weit festzulegen, als durch dieses Recht der Betrieb erheblich geschädigt würde.
Ausnahmszustand.
(1) Wird die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gestört oder gefährdet, so kann zu ihrer Wiederherstellung der Bundespräsident mit Zustimmung des Bundesrates für das Staatsgebiet, bei augenblicklicher Gefahr eine Landesregierung das betreffende Land die Artikeln 13, 14, 15, 16, 17, 19, 20, 21, 23, 38, vorübergehend außer Kraft setzen.
14 (2) Diese Maßnahmen sind aufzuheben, sobald es der Bundestag verlangt. Das nähere bestimmt ein besonderes Gesetz.
Der Bundespräsident. Der Bundespräsident wird von allen wahlberechtigten (Artikel 22) Staatsbürgern mit absoluter Mehrheit für die Dauer von fünf Jahren gewählt. Wiederwahl ist zulässig. Der Bundespräsident kann nicht gleichzeitig Mitglied des Bundestages, Bundesrates oder eines Landtages sein. Das Nähere bestimmt ein besonderes Gesetz.
Wirkungskreis des Bundespräsidenten.
(1) Wegen strafbarer Handlungen kann der Bundespräsident während der Dauer seines Amtes nicht verfolgt werden; er kann aber über einen qualifizierten Beschluß (Artikel 59) des Bundestages wegen Verletzung der Verfassung von dem Bundesverfassungsgericht unter Anklage gestellt werden.
(2) Über qualifizierten Beschluß des Bundestages muß vom Präsidenten des Bundestages ein Volksentscheid eingeholt werden, welcher die Absetzung des Bundespräsidenten mit einfacher Mehrheit aussprechen kann.
(3) Durch einen derartigen Volksentscheid verliert der Bundespräsident sein Amt und die Fähigkeit, bei der nächsten Wahlperiode gewählt zu werden. Im Falle der Amtsentsetzung oder sonstigen Verhinderung des Bundespräsidenten führt der Bundeskanzler die Geschäfte, die Neuwahl muß aber binnen drei Wochen ausgeschrieben werden.
(1) Die Ausübung der Regierungs- und Vollzugsgewalt steht, soweit sie nicht dem Bundespräsidenten übertragen ist, dem Bundeskanzler und den Bundesministern zu. Sie bilden in ihrer Gesamtheit die Bundesregierung. Den Vorsitz führt der Bundeskanzler.
(2) Die Mitglieder der Bundesregierung sowie die von ihnen entsendeten Vertreter sind berechtigt, an allen Beratungen des Bundestages und des Bundesrates teilzunehmen.
(3) Der Bundespräsident ernennt über Vorschlag des Bundestages den Bundeskanzler und über Vorschlag des Bundeskanzlers die Bundesminister.
(4) Versagt der Bundestag in einem Beschlusse, bei dessen Zustandekommen mehr als die Hälfte der Bundestagsmitglieder mitgewirkt haben, der Bundesregierung oder einzelnen Mitgliedern ausdrücklich das Vertrauen, so muß der Bundespräsident die Bundesregierung oder die betreffenden Minister des Amtes entheben.
Vertretung der Länder.
(1) Zur Vertretung der Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes dient der Bundesrat.
16 (2) Jedes Land entsendet drei vom Landtage für die Dauer von vier Jahren gewählte Vertreter. Wenn die Bevölkerungszahl nach der letzten amtlichen Volkszählung 400.000 überschreitet, so gebührt dem Land für je weitere 400.000 Einwohner ein weiterer Vertreter. Beträgt der Überschuß nicht volle 400.000, ist er aber so groß als die Einwohnerzahl des kleinsten Landes, so gilt er für volle 400.000. Kein Land kann mehr als ein Fünftel aller Stimmen haben, gleichgültig, wie groß die Zahl seiner Einwohner ist. Die Wahl erfolgt nach dem Verhältniswahlrecht.
Zuständigkeit des Bundesrates.
(1) Über Verlangen des Bundesrates hat vor ihm die Bundesregierung zur Erteilung aller begehrten Auskünfte über Regierungsgeschäfte zu erscheinen.
(2) Regierungsvorlagen können nur mit Zustimmung des Bundesrates eingebracht werden.
(3) Beschlüsse des Bundestages sind dem Bundesrate vorzulegen. Der Bundespräsident bedarf der Zustimmung des Bundesrates, falls er einem Beschluß des Bundestages die Genehmigung verweigert. (Artikel 63.)
(4) Die Verhängung des Ausnahmszustandes bedarf der Zustimmung des Bundesrates.
(5) Die Auflösung des Bundestages kann vom Bundespräsidenten nur mit Zustimmung des Bundesrates verfügt werden.
Der Bundesrat gibt sich eine eigene Geschäftsordnung, seine Sitzungen sind öffentlich. Die Öffentlichkeit kann gemäß der Geschäftsordnung bei einzelnen Gegenständen ausgeschlossen werden. Den Vorsitz im Bundesrate führt der Bundeskanzler oder sein Stellvertreter.
Jedes Mitglied des Bundesrates hat so lange tätig zu bleiben, bis das entsendende Land eine Neuwahl vornimmt.
Wahrheitsgetreue Berichte über die Verhandlungen in den öffentlichen Sitzungen des Bundesrates und seiner Ausschüsse sind von jeder Verantwortung frei.
Die Mitglieder des Bundesrates können wegen der in Ausübung dieses Berufes geschehenen Abstimmungen niemals, wegen der in diesem Berufe gemachten Äußerungen nur vom Bundesrate verantwortlich gemacht werden.
Kein Mitglied des Bundesrates darf während der Mandatsdauer wegen einer strafbaren Handlung – den Fall der Ergreifung auf frischer Tat ausgenommen – ohne Zustimmung des Bundesrates verhaftet oder behördlich verfolgt werden. Selbst in dem Falle der Ergreifung auf frischer Tat hat die Behörde dem Bundesrate sogleich die geschehene Verhaftung bekanntzugeben. Wenn es der Bundesrat verlangt, muß die Haft aufgehoben und die Verfolgung für die ganze Sitzungsperiode aufgeschoben werden.
Die Mitglieder des Bundesrates sind berechtigt, über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Bundesrates Tatsachen anvertrauen oder denen sie solche anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst, das Zeugnis zu verweigern. Auch in Beziehung auf Beschlagnahme von Schriftstücken stehen sie den Personen gleich, die ein gesetzliches Zeugnisverweigerungsrecht haben.
Eine Durchsuchung oder Beschlagnahme darf in den Räumen des Bundesrates nur mit Zustimmung des Bundeskanzlers vorgenommen werden.
Der Bundestag besteht aus den Abgeordneten des österreichischen Volkes. Die Abgeordneten werden im allgemeinen in gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl nach dem Grundsatze der Verhältniswahl aus allen männlichen und weiblichen Staatsbürgern, die im Vollgenusse der bürgerlichen Rechte stehen, gewählt. Das nähere bestimmt ein Wahlgesetz.
Als Wahlprüfungsgericht hat das Bundesverfassungsgericht auf Grund öffentlicher und mündlicher Verhandlung über die Gültigkeit der Wahlen zu entscheiden.
Beamte (öffentliche Angestellte) und Angehörige der Wehrmacht bedürfen zur Ausübung ihres Amtes als Mitglieder des Bundestages keines Urlaubes.
18 Bewerben sie sich um ein Mandat im Bundestage, so ist ihnen der zur Vorbereitung ihrer Wahl erforderliche Urlaub zu gewähren.
Die Abgeordneten sind Vertreter des ganzen Volkes und an keine Aufträge der Wähler gebunden.
Hinsichtlich der Immunität sind die Artikel 48, 49 sinngemäß anzuwenden.
Die Gesetzgebungsperiode des Bundestages beträgt vier Jahre vom Tage seiner Einberufung an gerechnet. Nach ihrem Ablauf sind Neuwahlen innerhalb 60 Tagen auszuschreiben.
Sitz des Bundestages ist Wien, soferne der Bundestag nicht einen anderen Ort bestimmt.
Eine Sitzungsperiode darf nicht länger als ein Jahr betragen. Während der Sitzungsperiode kann der Bundestag durch einen Beschluß des Hauses oder auf Vorschlag der Bundesregierung durch den Bundespräsidenten vertagt werden.
Die Vertagung ist vor Ablauf der Vertagungszeit aufzuheben, wenn wenigstens ein Viertel der Mitglieder des Bundestages einen schriftlichen Antrag beim Präsidenten gestellt hat. Der Präsident des Bundestages hat die Bundesregierung von dem erfolgten Antrag zu verständigen.
Auflösung des Bundestages.
Der Bundespräsident kann mit Zustimmung des Bundesrates den Bundestag jedoch nur einmal aus demselben Anlaß, insbesondere wenn einem Beschluß des Bundestages die Genehmigung verweigert wird, auflösung[en], muß aber binnen 6 Wochen die Neuwahlen ausschreiben und nach deren Vornahme binnen 4 Wochen den neugewählten Bundestag einberufen.
Der Bundestag wählt aus seiner Mitte auf die Dauer der Sitzungsperiode einen Präsidenten sowie einen ersten und zweiten Stellvertreter des Präsidenten.
Nach Auflösung des Bundestages oder Ablauf der Gesetzgebungsperiode bleiben der Präsident und seine Stellvertreter so lange im Amte bis der neugewählte Bundestag das Präsidium gewählt hat.
19 Die Geschäftsführung des Bundestages erfolgt auf Grund eines besonderen Gesetzes und einer im Rahmen dieses Gesetzes vom Bundestag zu beschließenden autonomen Geschäftsordnung.
Die Sitzungen des Bundestages sind öffentlich.
Dem Hause steht das Recht zu, ausnahmsweise die Öffentlichkeit auszuschließen.
Immunität der Berichte.
Wahrheitsgetreue Berichte über die Verhandlungen in den öffentlichen Sitzungen des Bundestages und seiner Ausschüsse bleiben von jeder Verantwortung frei.
Zuständigkeit des Bundestages.
In die Zuständigkeit des Bundestages gehört:
Zu einem Beschluß des Bundestages, der dem Volksentscheid zu unterbreiten ist oder wodurch Krieg erklärt werden soll, ferner zu einem Beschluß nach Artikel 58, Z. 5, ist die Anwesenheit von zwei Dritteln der Bundestagsmitglieder und die Zustimmung von drei Vierteln der Anwesenden erforderlich.
Die gesetzgebende Gewalt wird vom Volk unmittelbar durch Volksbegehren und durch den 20 Volksentscheid der wahlberechtigten Staatbürger ausgeübt.
Volksbegehren.
(1) Über ein von wenigstens 300.000 wahlberechtigten Staatsbürgern gestelltes Begehren auf Abänderung oder Aufhebung der Verfassung ober auf Abänderung, Aufhebung oder Erlassung einzelner Bundesgesetze hat der Bundestag zu entscheiden.
(2) Das Volksbegehren muß in Form eines Gesetzentwurfes erstattet und von der Bundesregierung in kürzester Frist nach Einholung eines Gutachtens des Bundesrates dem Bundestag vorgelegt werden.
(3) Stimmt dieser einem Antrag auf Abänderung oder Aufhebung der Verfassung zu, so hat der Bundespräsident binnen vier Wochen den Volksentscheid einzuholen.
Volksentscheid.
Dem Volksentscheid ist zu unterziehen:
In den beiden ersten Fällen leitet der Bundespräsident, im letzten Falle der Präsident des Bundestages den Volksentscheid.
Der Volksentscheid ist in der Weise durchzuführen, daß ihm ein Beschluß des Bundestages zur Annahme oder Ablehnung vorgelegt wird. Die näheren Bestimmungen regelt ein Bundesgesetz.
Die Gesetzgebung.
(1) Zu einem Gesetz ist ein Beschluß des Bundestages, die Genehmigung durch den Bundespräsidenten oder ein Volksentscheid (Artikel 62, Z. 1 und 2) und die Kundgebung im Staatsgesetzblatt erforderlich.
(2) Jeder Beschluß des Bundestages ist gleichzeitig dem Bundesrat und dem Bundespräsidenten zur Kenntnis zu bringen. Gibt der Bundespräsident binnen vier Wochen keine Erklärung ab, so gilt der Beschluß des Bundestages als genehmigt. 21
(3) Innerhalb dieser Frist kann der Bundespräsident über Antrag des Bundesrates die Genehmigung versagen und den Beschluß an den Bundesrat zurückleiten. Verbleibt dieser bei seinem Beschluß, so kann der Bundespräsident den Bundestag auflösen. Wiederholt der neue Bundestag den früheren Beschluß, so erhält er ohne weitere Genehmigung Gesetzeskraft.
(4) Beschlüsse des Bundestages, welche vom Präsidenten genehmigt sind oder der Genehmigung nicht bedürfen, sind unverzüglich vom Bundespräsidenten unter Gegenzeichnung des Kanzlers und der zuständigen Minister zu verlautbaren.
Die Organe der Länder.
Jedes Land gibt sich selbst seine Verfassung, welche erst durch die Gewährleistung seitens des Bundes wirksam wird. Die gesetzgebende und vollziehende Gewalt muß nach folgenden Grundsätzen geregelt werden.
Die Organe der Länder sind der Landtag und die Landesregierung.
(1) Die Mitglieder des Landtages werden auf Grund des gleichen, geheimen, unmittelbaren und persönlichen Verhältniswahlrechtes aller nach der Landtagswahlordnung wahlberechtigten Bürger ohne Unterschied des Geschlechtes gewählt.
(2) Die Landtagswahlordnungen dürfen die Bedingungen des Wahlrechtes und der Wählbarkeit nicht enger ziehen als die Bundestagswahlordnung.
(3) Die Mitglieder des Landtages genießen hinsichtlich der Abstimmung, Äußerungen, Zeugenpflicht und strafbarer Handlungen die gleiche Ausnahmstellung wie die Mitglieder des Bundestages. Die Bestimmungen der Artikel 48 und 49 sind auf sie sinngemäß anzuwenden.
(4) Auch in den Räumen des Landtages darf eine Durchsuchung oder Beschlagnahme nur mit Zustimmung des Landtagspräsidenten vorgenommen werden.
Der Landtag gibt sich eine eigene Geschäftsordnung; soweit diese nicht Ausnahmen zuläßt, sind die Sitzungen öffentlich; die Berichte über öffentliche Sitzungen sind straffrei. Der Landtag wählt sich seinen Präsidenten, der die Verhandlungen leitet, Haus- und Sitzungspolizei ausübt und den Landtag vertritt.
(1) Die Landesregierung besteht aus dem Landeshauptmann, dessen Stellvertretern und den Landesräten.
(2) Der Landeshauptmann und dessen Stellvertreter werden vom Bundespräsidenten über Vorschlag des Landtages ernannt. Die Landesräte werden aus der Zahl der in den Landtag wählbaren Bürger vom Landtag nach dem Verhältniswahlrecht gewählt und vom Landeshauptmann beeidigt.
Die Gesetzgebung der Länder.
(1) Zu einem Landesgesetz ist der Beschluß des Landtages, die Genehmigung und Beurkundung durch den Landeshauptmann sowie die Kundmachung im Landesgesetzblatt erforderlich. Wird die Genehmigung verweigert, der Beschluß aber vom Landtag wiederholt, so kann der Bundespräsident den Landtag auflösen; es müssen aber die Neuwahlen sofort ausgeschrieben und der neu gewählte Landtag unverzüglich einberufen werden.
(2) Faßt der neu gewählte Landtag den gleichen Beschluß, so ist dieser ohne weitere Genehmigung als Gesetz kundzumachen.
(3) Die Einführung des Volksbegehrens und des Volksentscheides in Land und Gemeinde bleibt der Landesgesetzgebung überlassen.
Zu einem Landtagsbeschluß ist einfache Mehrheit erforderlich. Der Landtag kann bei Anwesenheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder dem Landeshauptmann das Vertrauen versagen; geschieht dies so hat der Bundespräsident den Landeshauptmann seiner Stelle zu entheben und gemäß Artikel 68 einen neuen Landeshauptmann zu bestellen.
(1) Zur Änderung der Landesverfassung ist die Anwesenheit von zwei Dritteln der Mitglieder und 23 die Mehrheit von drei Vierteln der angegebenen Stimmen erforderlich.
(2) Das gleiche Stimmenverhältnis ist zur Erhebung der Anklage gegen den Landeshauptmann wegen Verletzung der Verfassung erforderlich.
(1) Die Landesregierung hat die vollziehende Gewalt in allen Angelegenheiten, die sich auf das Land erstrecken.
(2) Soweit diese Angelegenheiten zum ausschließlichen Wirkungskreis des Bundes gehören, untersteht die Landesregierung den Anordnungen der Bundesregierung.
(3) In allen anderen Angelegenheiten ist sie selbständig und untersteht nur der Aufsicht des Bundespräsidenten. Für einzelne Bundesangelegenheiten können durch Bundesgesetz besondere Behörden geschaffen werden, die unmittelbar der Bundesregierung unterstehen.
Wirtschaftliche Organisation.
(1) Die wirtschaftlich tätigen Staatsbürger sind zur Mitwirkung bei der Gesetzgebung über wirtschaftliche und sozialpolitische Angelegenheiten und zur Teilnahme an der Verwaltung heranzuziehen.
(2) Zu diesem Zwecke sind durch besondere Bundesgesetze auf demokratischer Grundlage im Bezirk Land und Bund Wirtschaftskammern zu errichten. Die Zahl der Vertreter der Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist gleich. Die Wahl der Vertreter wird durch besonderes Gesetz nach dem Grundsatze geregelt, daß alle wichtigen Berufsgruppen entsprechend ihrer wirtschaftlichen und sozialen Bedeutung vertreten sind.
(1) Die Bezirkswirtschaftskammern werden durch Vertreter der Arbeitnehmer und Arbeitgeber des Bezirkes gebildet.
(2) Den Vorsitz in der Bezirkswirtschaftskammer führt der Leiter der Bezirksbehörde.
(1) Der Wirkungskreis der Bezirkswirtschaftskammer ist insbesondere folgender:
Die Vertreter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer eines Landes bilden die Landwirtschaftskammer. Den Vorsitz führt der Landeshauptmann oder dessen Stellvertreter.
Zum Wirkungskreis der Landeswirtschaftskammer gehören:
Die Reichswirtschaftskammer wird aus Vertretern aller Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Bundesgebiet gebildet. Den Vorsitz in derselben führt der Bundeskanzler oder ein von demselben berufener Bundesminister.
(1) Zum Wirkungskreis der Reichswirtschaftskammer gehören:
Die nähere Ausgestaltung hat durch Bundesgesetz zu erfolgen.
(1) Die Verwaltung, soweit sie nicht der Bundesregierung übertragen ist, wird von der Landesregierung und den von ihr bestellten Organen ausgeübt.
(2) Über Beschwerden gegen Verfügungen der Behörden erster Instanz, durch welche Strafen verhängt wurde, oder über Rechte von Bürgern erkannt wurde[en], hat ein Landesverwaltungsgericht, das aus Richtern, Verwaltungsbeamten und Laien zuammengesetzt wird, zu entscheiden.
(3) Ein weiterer Rechtszug gegen Entscheidungen der Landesverwaltungsgerichte geht in den durch besonderes Gesetz zu bestimmenden Fällen an das Bundesverwaltungsgericht. Hat die Verwaltnugsbehörde über strittige Privatrechtsansprüche entschieden, so bleibt der ordentliche Rechtsweg gegen die andere Partei offen.
Gemeinden haben das Selbstverwaltungsrecht; zur Durchführung der Angelegenheiten, deren Regelung in den Wirkungskreis des Landes oder Bundes fällt, wird den Gemeinden ein von der Landesregierung bestelltes Organ beigegeben.
(1) Die Grundlagen des Beamtenverhältnisses, die Grundzüge der Dienstordnung, die Besoldung, der Ruhegenuß und die Versorgung der Hinterbliebenen öffentlicher Angestellter sind durch Gesetz zu regeln.
26(2) Die Enthebung vom Amte und die Versetzung in den Ruhestand vor Ablauf der Dienstzeit und vor Erreichung der Altersgrenze sowie die Versetzung auf Dienstposten mit geringeren Bezügen ist gegen den Willen des Angestellten nur auf Grund eines dienstlichen Straferkenntnisses zulässig.
(3) Das dienstliche Strafverfahren ist nach den Grundsätzen der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit einzurichten. Wegen vermögensrechtlicher Ansprüche gegen den Staat ist den Angestellten der ordentliche Rechtsweg vorbehalten.
(4) Den öffentlichen Angestellten wird die Freiheit der politischen Betätigung und die Freiheit der Vereinigung gewährleistet. Zur Wahrung der wirtschaftlichen Interessen und zur Mitwirkung bei Personalangelegenheiten werden Beamtenvertretungen durch besonderes Gesetz geschaffen.
(1) Die Ausgestaltung und Verwendung des Bundesheeres und der Wiener Sicherheitswehr bestimmt ein Bundesgesetz.
(2) Der Bundespräsident hat den Oberbefehl über das Bundesheer; er übt denselben ausschließlich durch militärische Befehlshaber aus. Er bestimmt den Befehlshaber der Wiener Sicherheitswehr.
(3) Die Verwaltung des Heeres steht der Bundesregierung und insoweit sie sich auf einzelne Länder bezieht, der Bundesregierung im Einvernehmen mit der Landesregierung zu.
(4) Durch das Wehrgesetz kann für Angehörige des Bundesheeres zur Aufrechterhaltung der Manneszucht eine Einschränkung der Grundrechte erfolgen.
(1) Die Aufstellung, Organisation, Leitung und Verwaltung der Gendarmerie (Landjägertruppe) und der Polizei außerhalb Wiens steht der Landesregierung zu.
(2) Die Verwendung der Gendarmerie außerhalb des Landes bestimmt die Bundesregierung
(1) Alle Gerichtsbarkeit geht vom Bund aus.
(2) Die Urteile und Erkenntnisse werden im Namen der Republik Österreich verkündet und ausgefertigt.
27 (3) Die Rechtspflege wird von der Verwaltung in allen Instanzen getrennt.
(1) Die ordentliche Gerichtsbarkeit wird vom Bundesgerichte und den Gerichten der Länder ausgeübt.
(2) In jedem Lande ist ein Landesgericht zu errichten.
(3) In Justizverwaltungssachen unterstehen die Gerichte des Landes dem Landesgerichte und dieses unmittelbar der Bundesregierung.
(4) Die nähere Verfassung und Zuständigkeit der Gerichte wird durch Budesgesetz festgestellt.
Niemand darf seinem ordentlichen Richter entzogen werden. Ausnahmsgerichte sind, abgesehen von den Fällen der Strafprozeßordnung, nur unter den Voraussetzungen des Artikels 40 zulässig. Die Militärgerichtsbarkeit ist nur in Kriegszeiten statthaft.
(1) Die Richter sind in Ausübung ihres Amtes außer bei Besorgung der Justizverwaltungssachen, unabhängig.
(2) Die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Gesetze steht ihnen nicht zu.
(3) Hat aber ein Gericht gegen die Anwendung eines Landesgesetzes aus dem Grunde der Bundesgesetzwidrigkeit oder einer Verordnung aus dem Grunde der Gesetzwidrigkeit Bedenken, so kann es das Verfahren unterbrechen und die Akten dem Landesgerichte vorlegen, welches nach Anhörung des Staatsanwaltes über die Stellung eines Antrages auf Aufhebung dieses Gesetzes oder dieser Verordnung beim Bundesverfassungsgericht zu entscheiden hat.
(4) Die Unterbrechung des Verfahrens hemmt den Lauf der Verjährung.
(1) Die Richter werden vom Bundespräsidenten über Vorschlag der Landesgerichte nach den durch die Gerichtsverfassung zu bestimmenden Grundsätzen ernannt.
(2) Der Oberste Gerichtshof ist mit Richtern aller Länder zu besetzen.
(3) Die Richter werden in die für die übrigen Staatsbeamten bestehenden Rangsklassen nicht eingeteilt; ihre dienstliche Verwendung ist von ihrer Einteilung in Gehaltsklassen unabhängig.
(1) Die Ernennung der Richter erfolgt auf Lebenszeit.
(2) Durch Gesetz wird eine Altersgrenze bestimmt, bei deren Erreichung der Richter in den Ruhestand tritt. Vorher dürfen Richter gegen ihren Willen nur auf Grund eines richterlichen Erkenntnisses des Amtes enthoben, an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden. Nur die vorläufige Amtsenthebung ist bei gleichzeitiger Verweisung der Sache an das zuständige Gericht zulässig.
(3) Wird die Einrichtung der Gerichte oder die Einteilung der Gerichtsbezirke geändert, so können Richter auch ohne gerichtliches Erkenntnis an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden.
(1) Die Verhandlungen vor dem erkennenden Gerichte sind mündlich und öffentlich. Ausnahmen bestimmt das Gesetz.
(2) Im Strafverfahren gilt der Anklageprozeß.
(3) Die Todesstrafe ist im ordentlichen Verfahren nur wegen Mordes und räuberischer Tötung zulässig.
(4) Die Gerichtsbarkeit in erster Instanz wird von Einzelrichtern, Schöffengerichten und Geschwornengerichten ausgeübt. Die Geschwornen haben über die Schuld der Angeklagten zu entscheiden und bei Bemessung der Strafe mitzuwirken. Über politische Verbrechen und Vergehen können nur Geschwornengerichte entscheiden.
Allgemeine Amnestien wegen gerichtlich strafbarer Handlungen können nur durch Bundesgesetz erteilt werden. Das Recht, im Einzelfalle zu begnadigen, steht dem Bundespräsidenten zu.
Der Oberste Gerichtshof.
In allen ordentlichen Rechtssachen ist der Oberste Gerichtshof die letzte Instanz. Er entscheidet in der Sache selbst. Das Nähere bestimmt ein besonderes Gesetz.
Das Bundesverwaltungsgericht.
(1) Das Bundesverwaltungsgericht hat als letzte Instanz in Verwaltungssachen, sofern Rechte der Partei verletzt werden, zu entscheiden. Es entscheidet über Beschwerden gegen die Erkenntnisse der Landesverwaltungsgerichte und über Beschwerden gegen Verfügungen der Bundesbehörden.
(2) Die Organisation erfolgt durch besonderes Gesetz nach dem Grundsatz, daß das Bundesverwaltungsgericht in der Sache selbst entscheiden kann und aus Richtern, Verwaltungsbeamten und Personen, welche die Reichswirtschaftskammer vorschlägt, zusammenzusetzen ist.
Das Bundesverfassungsgericht.
Das Bundesverfassungsgericht besteht aus einem Präsidenten und einem Stellvertreter, die vom Bundespräsidenten ernannt werden und aus 14 Mitglieder, die zur Hälfte vom Bundestag, zur Hälfte vom Bundesrat gewählt werden.
Das Bundesverfassungsgericht hat zu entscheiden:
Das Bundesverfassungsgericht entscheidet in den Fällen 3, 4, 5 und 6 in der Sache selbst.
Die Organisation und das Verfahren wird durch Bundesgesetz geregelt.
Zur Überprüfung der Gebarung in der gesamten Staatswirtschaft des Bundes und der Länder wird ein Rechnungshof berufen.
(1) Der Präsident des Rechnungshofes wird vom Bundespräsidenten über Vorschlag des Bundestages ernannt. Er darf keiner politischen Körperschaft angehören und in den letzten fünf Jahren weder Mitglied der Bundesregierung noch einer Landesregierung gewesen sein.
(2) Er kann ebenso wie ein Mitglied der Bundesregierung zur Verantwortung gezogen werden. Über Antrag des Bundestages ist er vom Bundespräsidenten abzusetzen.
Die erforderlichen Angestellten des Rechnungshofes werden über Vorschlag des Präsidenten des Rechnungshofes vom Bundespräsidenten ernannt. Sie dürfen an der Leitung oder Verwaltung von Unternehmungen nicht beteiligt sein, an denen der Bund oder ein Land finanziell beteiligt ist.
Zum Wirkungskreis des Rechnungshofes gehört:
Über Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Rechnungshof und der Bundesregierung, beziehungsweise den Landesregierungen entscheidet der Bundespräsident nach Anhörung des Bundesrates.
Die näheren Bestimmungen über die Einrichtung des Rechnungshofes erfolgen durch Bundesgesetz.
31 Die Gefertigten stellen den Antrag:
„Das Haus wolle den vorstehenden Gesetzentwurf zum Beschlusse erheben."
In formaler Beziehung wolle dieser Antrag dem Verfassungsausschusse zugewiesen werden.
Wien, 28. April 1920.
Pauly. Clessin. Dr. Angerer. Schürff. Waber. Dr. Straffner. Kraft. Dr. Dinghofer. Müller-Guttenbrunn. Krötzl. Dr. Ursin. Wedra. Kittinger. Schöchtner. Al. Dengg.
Österreichische Staatsdruckerei. 83320