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Christlichsoziale Partei
14. Mai 1919 (Einbringung in der konstituierenden Nationalversammlung)
Verfassungsentwurf (Druck )
AdR, Büro Seitz, Karton 7
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Der christlichsoziale Verfassungsentwurf, eingebracht in der Sitzung der Nationalversammlung am 14. Mai 1919.
Die christlichsozialen Abgeordneten haben in der Sitzung der Nationalversammlung vom 14. Mai 1919 einen Antrag über die Verfassung des deutschen Bundesfreistaates Oesterreich eingebracht, mit einer Begründung, in der es heißt: Die vornehmste Aufgabe der verfassunggebenden (konstituierenden) Nationalversammlung ist die Schaffung von Grundgesetzen über den endgültigen verfassungsrechtlichen Aufbau des Staates und insbesondere über das verfassungsmäßige Verhältnis der zum provisorischen Staate Deutschösterreich vereinigten Länder und Gebiete. In verfassungsrechtlicher Beziehung beschränkte sich die konstituierende Nationalversammlung bisher auf die Beschließung des bloß deklarativen Gesetzes über die Staatsform vom 12. März 1919, St.-G.=Bl. Nr. 174, wonach Deutschösterreich als eine demokratische Republik, deren öffentliche Gewalten vom Volke eingesetzt werden, sowie als ein Bestandteil des Deutschen Reiches erklärt wird. Der ganze verfassungsmäßige Aufbau dieser demokratischen Republik wurde der weiteren Tätigkeit der konstituierenden Nationalversammlung vorbehalten. Das neue Verfassungswerk hat selbst die wichtigste Grundfrage, ob der neue Freistaat auf zentralistischer oder föderalistischer Grundlage aufzubauen sei, erst zu lösen. Hierüber ist die eheste Schaffung voller Klarheit umso dringender geboten, als die gegenwärtige, der verfassungsrechtlichen Grundlage entbehrende zentralistische Form der Legislative und der Verwaltung mehr und mehr mit den vom Umsturz nicht berührten verfassungsmäßigen Rechten der Länder in Zwiespalt gerät und zum größten Schaden der Bevölkerung bereits zu ganz und gar unhaltbaren Zuständen geführt hat. Dieser tatsächlich vorhandene schwere Gegensatz von Zentralismus und Föderalismus kann nach unserer festen Ueberzeugung nur durch eine richtige, den gegebenen Verhältnissen entsprechende klare Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Zentralgewalt und Ländern beseitigt und überwunden werden. Wenn es gelingt, daß sich Zentralismus und Föderalismus gegenseitig ergänzen und fördern, wird die Gesamtentwicklung unseres Volkes dadurch gewiß nur höchst fruchtbar beeinflußt werden. Der beiliegende Gesetzentwurf will diesen Versuch nach den bewährten Vorbildern der Bundesverfassung der schweizerischen Eidgenossenschaft und der Vereinigten Staaten von Nordamerika unternehmen. Der wahre Volksstaat kann in Wirklichkeit, wenn man tiefer blickt, nur durch die reine Demokra¬ 5tie, die ausschließlich in der Eigenstaatlichkeit der Länder liegt, durch die Teilnahme des ganzen Volkes an der öffentlichen Verwaltung verwirklicht werden. Nur die Länder können bleibend die Heimat der Demokratie sein, wo die Staatsangehörigen nach Jakob Burckhardt „Bürger im vollen Sinne" sind. Die Länder sind tatsächlich auch die eigentlichen Herdfeuer des echten geistlichen Lebens und jener geistigen Freiheit, die sich ganz wesentlich unterscheidet von der ungesunden Ueberwucherung einer dem Volke fremden scheingeistigen Herrschaft der Großstadt in einer rein zentralistischen Staatsform. Der andererseits daneben gewiß notwendige Zentralismus hat dafür die nationale Einheit und die finanzielle und wirtschaftliche Lebensmöglichkeit des gesamten Volkes zu verbürgen. Dieser allein richtige Ausgleich zwischen den anscheinend sich widersprechenden, in Wahrheit aber ergänzenden Prinzipien kann nur durch den Bundesstaat vermittelt werden. Unsere ganze geschichtliche Entwicklung seit Jahrhunderten bis zum gegenwärtigen großen und oerantwortungsvollen Augenblick erfordert von der konstituierenden Nationalversammlung gebieterisch die Schaffung dieses Bundesstaates. Die Länder, welche durch die Auflösung der pragmatischen Sanktion ihre volle freie Selbstbestimmung und selbstständigkeit wiedererlangt haben, können sich nicht länger durch verfehlte und widernatürliche verfassungsrechtliche experimente, wie es die untaugliche 6staatliche und autonome Doppelverwaltung des letzten halben Jahrhunderts war, oder ein neues rein zentralistisches System sein müßte, in ihrer natürlichen Entwicklung hemmen und unterdrücken lassen. Sie haben ein heiliges Recht, wenn sie zusammengeschlossen bleiben sollen, auf eine bundesstaatliche Verfassung, die ihre Selbständigkeit verbürgt und zugleich eine genügend kräftige Zentralgewalt schafft. Der Antrag ist von den Abgeordneten Dr. Michael Mayr, Dr. Gimpl, Födermayr, Miklas, Paulitsch, Dr. Ramek und Dr. Schneider an erster Stelle gezeichnet und lautet:
„Verfassung des deutschen Bundesfreistaates Oesterreich."
Wir freien Völker der selbständigen Länder Oestereich unter der Enns, Oesterreich ob der Enns, Salzburg, Steiermark, Kärnten, Tirol, Vorarlberg, Heinzenland und der Freistadt Wien schließen uns aus eigenem Antriebe und aus freiem Entschlusse zum deutschen Bundesfreistaate Oesterreich zusammen und geben uns im Vertrauen auf Gottes gnädigen Beistand nachstehende Verfassung:
(1) Der deutsche Bundesfreistaat Oesterreich umfaßt das Gebiet der selbständigen Länder Oesterreich unter der Enns, Oesterreich ob der Enns, Salzburg, Steiermark, Kärnten, Tirol, 7Vorarlberg, Heinzenland, sowie das Gebiet der Freistadt Wien, und zwar in ihrem gegenwärtigen Umfange.
(2) Die Grenzen der Länder können nur nach Zustimmung der betreffenden Landtage durch Bundesgesetz geändert werden.
(3) Das Gebiet der Freistadt Wien ist jenem eines Landes gleichzuhalten, wie überhaupt die Freistadt Wien die in der Bundesverfassung vorgesehenen Freiheiten, Rechte und Pflichten eines selbständigen Landes und der Gemeinderat der Freistadt Wien die Rechte und Pflichten eines Landtages genießen.
Im Wege der Aenderung der Verfassung können weitere deutsche Länder mit gleichen Rechten und Pflichten in den deutschen Bundesfreistaat Oesterreich ausgenommen werden.
(1) Der deutsche Bundesfreistaat Oesterreich ist ein Bundesstaat der in Artikel 1 angeführten Länder.
(2) Er bezweckt die gemeinsame Vertretung und Verteidigung nach außen, die Sicherung von Ruhe und Ordnung im Innern, den Schutz der Freiheit und der Rechte der Staatsbürger und die allgemeine Förderung der Kultur und Zivilisation, des Volkswohlstandes und der Volkswohlfahrt.
(1) Die Länder sind selbständig, so weit ihre Selbständigkeit nicht durch die Bundesverfassung eingeschränkt ist; sie üben als solch alle Rechte aus, welche nicht durch die Bundesverfassung der Bundesgewalt übertragen sind.
8(2) Die verfassungsmäßig zustandegekommenen Bundesgesetze binden alle Länder.
Die Länder des Bundesfreistaates sind untereinander gleichberechtigt. Sie stehen in unauflöslicher Wehrgemeinschaft und sind zur gemeinsamen Verteidigung gegen jeden feindlichen Angriff verpflichtet.
Die Länder bilden ein einheitliches Zoll= und Wirtschaftsgebiet. Binnenzölle und Verkehrsbeschränkungen dürfen von keiner Landes= oder Ortsgewalt gegen ein Land oder ein Gebiet des Bundesfreistaates aufgerichtet werden.
Der Bundesfreistaat gewährleistet den Ländern ihr Gebiet, ihre Selbständigkeit und auf ihr Ansuchen ihre verfassungsmäßig zustandegekommenen Landesverfassungen, soferne die letzteren den Anforderungen der Bundesverfassung entsprechen.
Besondere Bündnisse und Verträge politischen Inhaltes sind den Ländern untersagt.
Die Länder sind nicht berechtigt, stehende Truppen zu halten. Gendarmerie und Polizei gelten nicht als stehende Truppen. Ueber Streitigkeiten unter den Ländern entscheidet der Verfassungsgerichtshof (Art. 55, 2. Absatz).
Im Falle der Auflösung des Bundesfreistaates fallen sämtliche an denselben übertragenen staatlichen Hoheitsrechte und das Bundesvermögen an die Länder zurück.
Das Verhältnis des Bundesfreistaates zu den Staatsbürgern ist in besonderen Gesetzen geregelt; so insbesondere über das Staatsbürgerrecht, das durch die Grundgesetze Vereinsrecht, das Versammlungsrecht die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, zum Schutze der persönlichen Freiheit, zum Schutze des Hausrechtes
Die deutsche Sprache ist die Staatssprache, die in Amt und Schule Anwendung findet.
(1) Jeder Staatsbürger ist wehrpflichtig.
(2) Mütter, die ihre Kinder betreuen, sind der Wehrpflicht enthoben.
(3) Zum Dienste mit der Waffe können nur Personen männlichen Geschlechtes herangezogen werden.
(4) So weit nicht militärische Gründe entgegenstehen, sollen die Truppenkörper aus der Mannschaft desselben Landes gebildet werden.
(5) Die Dauer und Art der Ausübung der Wehrpflicht, die auf dem Milizsystem beruht, wird durch ein eigenes Gesetz geregelt.
(6) Wehrpflichtige, die infolge des Wehrdienstes an Leib und Leben Schaden erleiden, haben für sich und ihre Familien Anspruch auf Unterstützung aus Bundesmitteln.
(1) Der Wirkungskreis der Bundesgewalt umfaßt alle Angelegenheiten, die sich auf Rechte, Pflichten und Interessen be 10 ziehen, welche den Ländern des Bundesfreistaates gemeinschaftlich sind.
(2) Diese Angelegenheiten sind:
(1) Alle übrigen Angelegenheiten fallen in den Wirkungskreis der Länder.
(2) Die Bundesgesetzgebung kann auch bestimmte Angelegenheiten ihres Wirkungskreises fallweise oder auf bestimmte Dauer allen oder einzelnen Ländern überlassen.
(3) Jede Gesetzgebung kann in Angelegenheiten ihres Wirkungskreises jene Strafjustiz=, Polizeistraf= und Zivilrechtsvorschriften erlassen, die zur Regelung des Gegenstandes notwendig sind, und ebenso die zur Durchführung eines Gesetzes nötigen Behörden und Organe schaffen und bezeichnen.
Die Landesgesetzgebung über die nationalen und konfessionellen Verhältnisse, über das untere und mittlere Bildungs= und Erziehungswesen, über das Sanitäts= und Veterinärwesen, über das Kredit=, Bank= und Gewerbewesen. Über das Wasserrechtswesen, über Jagd und Fischerei, îber Wasserbau= und Forstpolizei, sowie über die Nutzbarmachung der Naturschätze und Naturkräfte erfolgt unter Mitwirkung der Bundesregierung; ebenso jene Landesgesetzgebung, die Bundesmittel in Anspruch nimmt (Art. 54).
(1) Alle Gewalt ruht beim Volke und geschieht nur im Namen des Volkes.
(2) Die gesetzgebende Gewalt wird entweder unmittelbar vom Volke durch die Volksabstimmung oder auf repräsentativem Wege durch die Volksvertretung ausgeübt.
(1) Die Volksvertretung besteht aus zwei Kammern, dem Volkshaus und dem Ständehaus.
(2) Die Volksvertretung wird auf sechs Jahre gewählt und tritt mindestens einmal jährlich in der Bundeshauptstadt Wien zusammen.
(1) Das Volkshaus wird in geheimer, gleicher und unmittelbarer Abstimmung nach dem Verhältniswahlverfahren aus dem Volke gewählt. Die Abstimmung erfolgt in bundesstaatlichen Wahlkreisen, die jedoch die Ländergrenzen nicht überschreiten dürfen. Auf je 40.000 Einwohner eines Landes wird ein Abgeordneter gewählt, wobei Bruchzahlen von über 20.000 als 40.000 gerechnet werden.
(2) Das Wahlverfahren bestimmt das Wahlgesetz zur Volksvertretung.
(3) Wahlberechtigt ist jeder Staatsbürger, der das 20. Lebensjahr vollendet hat und durch das Wahlgesetz vom Wahlrechte nicht ausgeschlossen ist.
(4) Wählbar ist jeder wahlberechtigte Staatsbürger, der das 25. Lebensjahr vollendet hat.
(1) Das Ständehaus setzt sich wie folgt zusammen:
(2) Die Zahl der Mitglieder des Ständehauses darf einschließlich der Vertreter der Landtage die Hälfte der Mitgliederzahl des Volkshauses nicht überschreiten
Volkshaus und Ständehaus treten gesondert unter dem Vorsitze ihres Aeltesten zusammen. Jede Kammer wählt nach Verhältniswahl sofort auf ein Jahr ihre Leitung, die aus einem Vorsitzenden und zwei Stellvertretern, drei Schriftführern und drei Ordnern besteht.
In den Wirkungskreis der Volksvertretung fällt der gesetzgeberische Teil aller in Artikel 13 erwähnten Angelegenheiten des Wirkungskreises der Bundesgewalt, insbesonders
(1) Das Vorschlagsrecht (die lnitiative) steht dem Präsidenten des Bundesfreistaates, der Bundesregierung, jeder der beiden Kammern der Volksvertretung und jedem einzelnen Mitgliede derselben zu; das Vorschlagsrecht der Landtage ist schriftlich auszuüben.
(2) Wenn 100.000 stimmberechtigte Staatsbürger oder die absoluten Mehrheiten zweier Länder es verlangen, steht die Institative auch beim Volke.
Vorlagen der Bundesregierung können in jeder der beiden Kammern eingebracht werden; nur Finanzvorlagen sind in allen Fällen zuerst dem Volkshause zur Beratung und Beschlußfassung zu unterbreiten.
(1) Beide Kammern verhandeln in der Regel getrennt unter Führung ihrer Leitung.
(2) Folgende Angelegenheiten des Wirkungskreises der Volksvertretung sind in gemeinsamen Sitzungen beider Kammern verfassungsmäßig zu erledigen:
(3) Gemeinsame Sitzungen beider Kammern führt die Leitung des Volkshauses.
(4) Alle Angelegenheiten des Wirkungskreises der Volksvertretung, welche nicht in gemeinsamer Sitzung beider 16 Kammern erledigt werden, sind von der erstberatenden Kammer der anderen zu eigener Behandlung zu übermitteln.
(1) Zu einem gültigen Beschlusse ist in beiden Kammern die Anwesenheit eines vollen Drittels der Mitglieder erforderlich; bei gemeinsamen Sitzungen beider Kammern die Anwesenheit von 100 Mitgliedern der Volksvertretung, gleichviel aus welcher Kammer.
(2) Es entscheidet die absolute Mehrheit der Anwesenden, ausgenommen den Fall des Artikels 27, 3. Absatz.
(1) Zu einem Gesetze im Wirkungskreise der Volksvertretung sind in der Regel die übereinstimmenden Beschlüsse beider Kammern, die Zeichnung durch den Präsidenten des Bundesfreistaates und die Gegenzeichnung der Bundesregierung, sowie die Kundmachung erforderlich.
(2) Kann in einem Finanzgesetze über einzelne Posten desselben oder im Rekrutengesetze über die Höhe des auszuhebenden Kontingentes trotz wiederholter Beratung keine Uebereinstimmung zwischen beiden Kammern erzielt werden, so gilt die kleinere Ziffer als genehmigt.
(3) Wenn bezüglich anderer Beschlüsse einer Kammer trotz zweimaliger Beratung in jeder Kammer die Zustimmung der anderen Kammer nicht herbeigeführt werden kann, so beraten beide Kammern in gemeinsamer Sitzung. Diesfalls ist zu einem rechtsgültigen Beschlusse die Zweidrittelmehrheit der Anwesenden erforderlich (Art. 26). Ist diese nicht zu erzielen, so gelten sämtliche Anträge als abgelehnt. Ueber Beschluß einer Kammer oder über Vorschlag des Präsidenten des Bundesfreistaates sind jedoch die letzten Beschlüsse beider Kammern neben einem allfälligen Vermittlungsvorschlage des Präsidenten des Bundesfreistaates - dem Volke zur Entscheidung vorzulegen.
(1) Die Mitglieder der Volksvertretung haben von nieDas mandem Instruktionen anzunehmen. Mandat der Mitglieder der Volksvertretung — Volkshaus und Ständehaus — ist unwiderruflich.
(2) Die Mitglieder können wegen der in Ausübung ihres Berufes geschehenen Abstimmung niemals, wegen der in diesem Berufe gemachten Aeußerungen aber nur von der Kammer, der sie angehören, zur Verantwortung gezogen werden.
(3) Kein Mitglied der Volksvertretung darf während der Dauer der Wahlperiode wegen einer strafbaren Handlung den Fall der Ergreifung auf frischer Tat ausgenommen ohne Zustimmung seiner Kammer verhaftet oder gerichtlich verfolgt werden.
(4) Selbst im Falle der Ergreifung auf frischer Tat hat das Gericht dem Vorsitzenden der Kammer sogleich die geschehene Verhaftung bekanntzugeben.
(5) Wenn es die Kammer verlangt, muß der Verhaft aufgehoben oder die Verfolgung für die Dauer der ganzen Wahlperiode aufgeschoben werden. Dasselbe Recht hat die Kammer in betreff einer Verhaftung oder Untersuchung, welche über ein Mitglied derselben vor der Wahlperiode verhängt worden ist.
Die Mitglieder der Volksvertretung haben ihr Stimmrecht persönlich auszuüben.
(1) Die Mandate der Mitglieder der Volksvertretung erlöschen mit dem Wahltage für die kommende Wahlperiode.
(2) In welchen Fällen während der Dauer der Wahlperiode Nachwahlen vorzunehmen sind, bestimmt das Wahlgesetz zur Volksvertretung.
(3) Wenn das Volk die totalrevision der Bundesverfassung fordert, wird die Volksvertretung auch vor Ablauf der Wahl 18 periode vom Präsidenten des Bundesfreistaates aufgelöst und es finden Neuwahlen statt. (Art. 40 und 42.)
(4) Gewesene Mitglieder der Volksvertretung können wiedergewählt werden.
(5) Die Mitglieder der Volksvertretung können nicht gleichder Bundesregierung oder einer zeitig Mitglieder Landesregierung oder eines der obersten GerichtsWird ein Mitglied (Artikel 55) höfe. sein. der Volksvertretung Mitglied eines der obersten Gerichtshöfe oder einer Landesregierung oder der Bundesregierumg, so wird auf die Dauer seiner Amtsperiode, bzw. der Wahlperiode der auf Grund des Wahlgesetzes nächstberufene Ersatzmann in die Volksvertretung einberufen.
(6) Es kann niemand gleichzeitig Mitglied beider Kammern der Volksvertretung sein.
(7) Kein Mitglied der Volksvertretung kann während einer Wahlperiode mehr als einmal in die Leitung seiner Kammer gewählt werden.
(1) Die Mitglieder der Bundesregierung (Art. 44) sind berechtigt, an allen Verhandlungen der Volksvertretung teilzunehmen und die Vorlagen der Bundesregierung zu vertreten.
(2) Jede Kammer kann die Anwesenheit der Bundesregierung verlangen. Die Bundesregierung muß jedesmal gehört werden.
Jede Kammer ist berechtigt, die Mitglieder der Bundesregierung zu interpellieren in allem, was ihr Wirkungskreis erfordert, die Verwaltungsakte der Bundesregierung einer Prüfung und Kritik zu unterziehen, Ausschüsse einzusetzen, denen von Seite der Bundesregierung jede einschlägige Auskunft zu erteilen ist, und ihrer Ansicht in Form von Entschließungen Ausdruck zu verleihen.
Die Ausübung der Kontrolle der Bundesschuld seitens der Volksvertretung wird durch ein besonderes Gesetz geregelt.
Die Sitzungen beider Kammern sind in der Regel öffentlich. Zur Ausschließung der Oeffentlichkeit ist ein besonderer Beschluß der betreffenden Kammer erforderlich.
Die Mitglieder der Volksvertretung werden aus der Bundeskasse, die Vertreter der Länder im Ständehause jedoch aus ihrer Landeskasse entschädigt.
Die Verhandlungssprache ist ausschließlich die deutsche.
(1) Ueber die totalrevision (gänzliche oder wesentliche Aenderung) der Bundesverfassung entscheidet das Gesamtvolk des Bundesfreistaates in allgemeiner Abstimmung.
(2) Der Volksabstimmung sind außer den Fällen des Art. 27, 3. Absatz, noch vorbehalten Beschlüsse über
(1) Für die nach Ländern vorzunehmende Volksabstimmung bestimmt die Volksvertretung Formen und Fristen.
(2) Stimmberechtigt ist jeder Staatsbürger, der nach dem Wahlgesetze zum Volkshause das aktive Wahlrecht besitzt.
(3) Ueber jede Frage wird getrennt, in der Regel mit „Ja“ oder „Nein“, im Falle des Artikels 27, 3. Absatz, zugunsten eines der Vorschläge abgestimmt. Das Abstimmungsergebnis ist im Bundesgesetzblatt länderweise zu verlautbaren.
Zu einer gültigen Entscheidung des Volkes ist die absolute Mehrheit der Gesamtstimmensumme und die Stimmenmehrheit in der absoluten Mehrheit der Länder erforderlich, ausgenommen den Fall des Artikels 27, 3. Absatz, in welchem die relativen Mehrheiten entscheiden.
Wenn eine Kammer der Volksvertretung eine totalrevision verlangt, so erfolgt vorerst die Gesamterneuerung der Volksvertretung, welche die totalrevision durchzuführen hat (Art. 30, 3. Absatz).
(1) Der Präsident und der Vizepräsideut des Bundesfreistaates werden von der Volksvertretung in gemeinsamer Sitzung beider Kammern mit absoluter Mehrheit der Anwesenden auf die Dauer von zwei Jahren gewählt (Art. 22 und 25).
(2) Wählbar ist jeder Staatsbürger, der nach dem Wahlgesetze zum Volkshause wahlberechtigt ist und das 40. Lebensjahr vollendet hat.
21(3) Präsident und Vizepräsâdent müssen verschiedenen Ländern angehören und dürfen während ihrer Amtsdauer kein anderes öffentliches Amt bekleiden und nicht Mitglieder einer gesetzgebenden Körperschaft sein. Allfällige Mandate üben die nach dem Wahlgesetze nächstberufenen Ersatzmänner aus.
(4) Präsident und Vizepräschent leisten in die Hand des Vorsitzenden des Volkshauses die Angelobung auf die Bundesverfassung.
(5) Der Präsident kann während einer Wahlperiode der Volksvertretung (Art. 18, 2. Absatz) nicht zweimal demselben Lande entnommen werden.
(1) Der Präsident vertritt den Bundesfreistaat nach außen: er empfängt und beglaubigt die Gesandten, ratifiziert die Staats= und Handelsverträge. Ihm obliegt ferner:
(2) Dem Präsidenten des Bundesfreistaates steht das Recht der Abolution zu sowie das Recht, Strafaufschub und Strafnachlaß und Aufhebung der Straffolgen zu gewähren, ebenso das Recht der Institative gemäß Art. 23, 1. Absatz, und Art. 27, 3. Absatz.
(3) Der Präsident ist dem Volke für seine Amtsführung verantwortlich und kann unter Staatsanklage gestellt werden (Art. 22, lit. f).
Wenn der Präsident des Bundesfreistaates durch Tod, Verzicht oder aus einem anderen Grunde das Amt verliert, tritt der Vizepräsident (Art. 25, 2. Abs., P. 2) für die restliche Dauer der Amtsperiode in die Rechte und Pflichten des Präsidenten. Aber auch während seiner Amtsdauer kann der Präsident den Vizepräsidenten für einen bestimmten Fall oder auf bestimmte Zeit mit seiner Stellvertretung betrauen; für die Zeit, während der Präsident sich im Auslande aufhält, tritt der Vizepräsident in dessen Rechte und Pflichten.
(1) Zur Durchführung der Aufgaben der obersten Bundesverwaltung wählt die Volksvertretung über Vorschlag des Präsidenten des Bundesfreistaates die Bundesregierung (Art. 22).
(2) Der Sitz der Bundesregierung ist die Bundeshauptstadt Wien. Die Bundesregierung steht unter der Leitung des Bundeskanzlers
(3) Welche Bundesämter mit dauernden Aufträgen und Vollmachten einzurichten und von den Mitgliedern der Bundesregierung zu besetzen sind, wird durch besonderes Gesetz bestimmt.
Wenn die Volksvertretung auf Vorschlag des Präsidenten des Bundesfreistaates die Bundesregierung oder einzelne Mitglieder derselben abberuft, so bestimmt der Präsident des Bundesfreistaates, wer deren Aufträge und Vollmachten bis zur Bestellung einer neuen Bundesregierung, beziehungsweise neuer Mitglieder derselben auszuführen hat.
Die Gesetzgebung über alle Gegenstände, die nach dieser Verfassung der Landesgesetzgebung unterliegen (Art. 14 bis 16), 23 wird von den Landtagen der einzelnen selbständigen Länder nach den jeweils geltenden Landesverfassungen und den durch Landesgesetze eingeführten Geschäftsordnungen ausgeübt.
Die Landesregierung ist verpflichtet, alle Gesetzesbeschlüsse des Landtages vor ihrer Kundmachung der Bundesregierung mitzuteilen.
(1) Hat die Bundesregierung gegen einen solchen Beschluß des Landtages Bedenken, so kann sie gegen ihn binnen vierzehn Tagen nach Einlangen der Mitteilung beim Landtage im Wege der Landesregierung Vorstellung erheben.
(2) Vor Ablauf dieser Frist kann das Landesgesetz ohne Zustimmung der Bundesregierung nicht kundgemacht werden. Beschließt der Landtag, auf seinem ursprünglichen Beschlusse zu beharren, so hat die Landesregierung der Bundesregierund hievon neuerlich Mitteilung zu machen. (Art. 50.)
Landesgesetze, zu deren Vollziehung gemäß Art. 16 die Mitwirkung der Bundesregierung notwendig ist, bedürfen der Gegenzeichnung der Bundesregierung, die binnen vierzehn Tagen zu erfolgen hat. Die Verweigerung der Gegenzeichnung ist ebenfalls binnen vierzehn Tagen der Landesregierung bekanntzugeben und kann nur über Beschluß der gesamten Bundesregierung erfolgen.
(1) Gesetzesbeschlüsse eines Landtages können wegen Verfassungswidrigkeit (Art. 46) von der Bundesregierung binnen vierzehn Tagen nach Einlangen der Mitteilung (Art. 47) beim Verfassungsgerichtshofe angefochten werden, gleichwie
(2) jene Gesetzesbeschlüsse, die ein Landtag entgegen der Vorstellung seitens der Bundesregierung ein zweitesmal zum Beschlusse erhebt. (Art. 47, 2. Absatz.)
(3) Die Anfechtung ist der Landesregierung unverzüglich mitzuteilen.
24 (4) Die Kundmachung des angefochtenen Beschlusses darf erst erfolgen, wenn der Verfaffungsgerichtshof die Verfassungsmäßigkeit dieses Beschlusses anerkannt hat. Der Verfassungsgerichtshof hat binnen einem Monat das Erkenntnis zu fällen.
(1) Der Landtagwählt aus seiner Mitte die Landesregierung, und zwar in einem eigenen ersten Wahlgange den Landeshauptmann und in einem zweiten Wahlgange die übrigen Mitglieder der Landesregierung, die Landesräte. Die nach dem anzuwendenden Verhältniswahlverfahren Erstgewählten erscheinen zu Landeshauptmannstellvertretern gewählt.
(2) Der Landeshauptmann bildet mit den Landesräten die Landesregierung.
(1) Die Landesregierung hat — soweit nicht der Bundesfreistaat eigene Organe unterhält — die Bundesgesetze und Verordnungen im Lande durchzuführen und ist hiefür der Bundesregierung verantwortlich
(2) Der Landeshauptmann leistet die Angelobung auf die Bundesverfassung in die Hände der Bundesregierung. Die Angelobung der übrigen Mitglieder der Landesregierung nimmt der Landeshauptmann vor.
(1) Unbeschadet ihrer Stellung und Rechte im Landtage hat die Landesregierung über alle Angelegenheiten der Landesverwaltung zu beraten und zu beschließen.
(2) Der Landeshauptmann hat die Beschlüsse der Landesregierung auszuführen.
Die Verwaltungsmaßnahmen der Landesregierung zu jenen Angelegenheiten der Landesgesetzgebung, die gemäß Artikel 16 der Mitwirkung der Bundesregierung bedürfen, sind der letzteren durch die Landesregierung vorläufig zur Kenntnis zu bringen.
(1) Die Errichtung, die Einrichtug und der Wirkungskreis des Verfassungsgerichtshofes und des Obersten Verwaltungsgerichtshofes werden durch eigene Gesetze geregelt.
(2) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet über Streitigkeiten zwischen Bundesstaat und Ländern, der Länden untereinander (Artikel 2), sowie über erhobene Staatsanklagen (Art. 22, lit. f) überhaupt und endgültig.
(3) Der Oberste Verwaltungsgerichtshof hat auch die Funktion eines Wahlgerichtshofes zu erfüllen.
Buch= und Kunstdruckerei „Herold“, Wien, VIII., Strozzigasse 8.