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Länderkonferenz
Zwischen 20. und 23. April 1920
Sitzungsprotokoll (Druck )
AVA, Nachlasssammlung, E 1717 (Nachlass Fink), Karton 3, Mappe 1
Das Original befindet sich im Eigentum des Österreichischen Staatsarchivs unter der ÖStA-Signatur „AVA, Nachlasssammlung, E 1717 (Nachlass Fink), Karton 3, Mappe 1“. Die Verwendung des Digitalisats durch Dritte bedarf einer schriftlichen Bewilligung des ÖStA entsprechend der geltenden Benutzungsordnung.
Stenographische Verhandlungsschrift über die Länderkonferenz in Linz am 20.,21.,22. und 23. April 1920. Verlag des oberösterreichischen Landesrates in Linz. Druck von Jof. Feichtingers Erben, Linz.
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245 Teilnehmer an der Länderkonferenz.
Staatsregierung: Staatsfefretär Dr. Mahr. Staatslanzlei: Sektionsrat Dr. Fröhlich, Professor Dr. Kelsen, Oberfinanzrat Moser, Ministerialsekretär Dr. Mannlicher. Staatsamt für Landwirtschaft und Forstwesen: Sektionschef Dr. Alter, Ministerialrat Dr. Darenbichler. Staatsamt für Finanzen: Ministerialrat Grünwald. Kärnten: Landesverweserstellvertreter Neutler (joz. dem.), Landesrat Dr. Steinwender (gr. d.), Landtagsabgeordneter Dechant Walcher (chr. soz.) Niederösterreich: Landeshauptmann Geber (joz. dem.), Landeshauptmannfteflvertreter Maher (chr. foz.), Landeshauptmannftellvertreter Steiner (chr. Oz.), Landeshauptmannftellvertreter Widholz (1oz. dem.), Landesrat Müller (1oz. dem.), Landesrat Völzer (foz. dem.), Landesrat Zwetbacher (chr. soz.), Landtagsabgeordneter Mittermann (gr. d.), Landtagsabgeordneter Ofenböck (joz. dem.), Landtagsabgeordneter Sequr (chr. foz.), Landesamtsdirektorftellvertreter Dr. Kaftner, Landessekretär Dr. Wimmer, Bezirkskommissär Mauritsch. Oberösterreich: Landeshauptmannftellvertreter Dr. Schlegel (chr. 0z.), Landeshauptmannstellvertreter Gruber (joz. dem.), Landeshauptmannftellvertreter Langoth (gr. d.),
Landesrat Dr. Schwinner (chr. soz.), Landesamtsdirektor Attems. Landesamtsrat Dr. Gnsthaler, Statthaltereifonzipift Dr. Sommer. Salzburg: Landeshauptmannftellvertreter Dr. Rehrl (chr. foz.), Landeshauptmannftellvertreter Breußler (foz. dem.), Landesrat Chriftoph (gr. d.), Landesrat Lackner (chr. foz.), Steiermart: Landeshauptmann Dr. Rintelen (chr. foz.), Landeshauptmannftellvertreter Vongratz (joz. dem.), Landesrat Dr. Klusemann (gr. d.), Landesrat Refel (1oz. dem.), Landtagsabgeordneter Gaß (chr. foz.), Hofrat Fennh. Tirol: Landeshauptmannftellvertreter Dr. Schumacher, (chr. soz.), Landeshauptmannftellvertreter Dr. Schmidt (gr. d.), Mitglied der Nationalverfammluna Abram (soz. dem.), Landesanitzdirettor Dr. Vocfels. Vorarlberg: Landeshauptmann Dr. Gnder (chr. foz.) Landeshauptmannftellvertreter Preiß (Joz. dem.), Landesrat Natter (gr. d.), Landtagsabgeordneter Dr. Mittelberger (chr. foz.), Landesamtsdirektor Walderdorff. Wien: Vizebürgermeister Emmerling (joz. dem.), Stadtrat Dr. Speiser (soz. dem.) Gemeinderat Dr. Danneberg (joz. dem.), Gemeinderat Runfchat (chr. foz.), (Gemeinderat Schmitz (chr. foz.), Gemeinderat Skäret (foz. dem.), Magistratsdirektor Dr. Hartl. 1* 217 Offizieller Bericht des Pressekomitees über die am 20. april sattgehabte vertrauliche Vorbesprechung.
Heute nach 6 Uhr abends traten die Delegierten der Länderkonferenz zu einer Vorbesprechung zuammen. Sie wurde im Namen des Landeshäuptmannes Häuser, der wegen einer Tagung der Nationalversammlung abwefend war, vom Landeshauptmannftellvertreter Dr. Schlegel auf das herzlichfte begrüßzt. Redner erklärte, Landeshauptmann Hauser hoffe, die Delegierten noch vor Abschluß der Tagung selbst in Linz begrüßen zu können. Nachdem Redner noch der Tägung den besten Erfolg gewünscht hatté, lud er das Salzburg gewählte Präsidium ein, den Vorsitz zu übernehmen. Landeshauptmann Dr. Rintelen übernahm den Vorsitz. Über Antrag des Abgeordneten Runschaf wurde daraufhin das bereits in Salzburg gewählte Präfidium durch Abstimmung bestätigt. Es erscheinen somit als Vorsitzende mit gleichen Rechten gewählt: Landeshauptmann Dr. Rintelen (Steiermarf) Landeshauptmann Geber (Niederöfterreich) und Landesrat Christoph (Salzburg). Abgeordneter Runschaf beantragte weiters, die gleiche Geschäftsordnung wie in Salzburglfür morgen 4 Uhr nachmittags festgesetzt.
festzusetzen. Abgeordneter Dr. Danneberg erklärt. sich hiemit im Prinzib einverstanden, wünscht jedoch, daß der Antrag dem Geschäftsordnungsausschuß zugewiesen werde. Dieser könne darüber abschließend entscheiden. Der Antrag Kunschak wird mit der Ergänzung Danneberg angenommen. über Antrag Kunfchaf wird auch der gleiche Geschäftsordnungsausschuß wie in Salzburg eingesetzt, nur tritt an Stelle des Delegierten Dr. Pflanzl, der in Linz nicht erschienen ist, der von der Grofdeutschen Vereinigung nominierte Landeshaubtmannftellvertreter Langoth. Der Geschäftsordnungsausschuß hat demnach folgende Mitglieder: Sozialdemotraten: Gruber und Dänneberg: Chriftlichsoziale: Dr. Gnder und Schumacher; Grofdeutsche Vereinigung: Dr. Schmidt und Cangoth. Weiters gehören dem Geschäftsordnungsausschusse an die Vorsitzenden der Konferenz sowie Staatsjekretär Dr. Mähr als Teilnehmer. In den Presseausschuk werden gewählt: Dr. Schumacher (wiedergewählt) und Speiser, sowie Dr. Mittermann (neu). Die erste Blenarsitzung der Konferenz wurde
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Erste Sitzung am 21. 2prII 1820. Vorsitender: Der Herr Landeshauptmann von Steiermark Dr. Rinfelen. Eröffnung der Sitzung um 4 Uhr 18 Minuten nachmittags.
Herr Landeshauptmann Dr. Rintelen: Verehrte Herrenl Indem ich hiemit die Sitzungen der Länderkonferenz eröffne, erkläre ich, daß das gestern von Ihnen gewählte Präfidium dankend die Wahl angenommen hat, ebenfo wie der gewählte Geschäftsordnungsausschuß, der bereits gestern zufammengetreten ist. Seine Beschlüsse werden dann von Herrn Landeshauptmann Seber mitgeteilt werden. Als Ginlauf kommt in Betracht eine Zuschrift des Städteberbandes, die bereits gestern im Geschäftsordnungsausschußz erledigt worden ift; dann eine Zuschrift des Verbandes der land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter, welche sich dagegen verwahrt, daß der Arbeiterschutz für diese Arbeiten nicht durch die Bundesverfassung geregelt wird, sondern eben verlangt gleichmäßige Behandlung des gesamten Arbeiterschutzes, also auch des Urbeiterschukzes der land- und forftwirtschaftlichen Arbeiter durch die Bundesgefeßzgebung; dann eine Zuschrift des oberösterreichischen Landes-Mittelstandsrates, die eine schleunige Durchführung Verfassung auf der Länderkonferenz begehrt. möchte mir dann noch erlauben mitzuteilen, heute abends das Theater um halb acht Uhr ftatt, findet und daß keine Karten ausgegeben werden, sondern die Herren haben vor sich den Sitzplanzur Feftvorstellung und aus diesem Sitzplane ergibt sich, welche Plätze den einzelnen Herren angewiesen find. Ich erteile zuerft das Wort dem Herrn Landeshauptmann Geber mit der Bitte, über das Ergebnis der gestrigen Konferenz des Geschäftsordnungskomitees zu berichten. Herr Landeshauptmann von Niederöfterreich Seber: Hochverehrte Herren! Das Geschäftsordnungskomitee schlägt Ihnen vor, die Geschäftsordnung, die wir uns in Salzburg gegeben haben, mit einigen kleinen Abänderungen neuerdings wieder annehmen zu wollen. Im §2, Absak 3, ist eine irrtümliche Schreibweise. Es heißt dort, wenn ein Antrag auf Schluß der Dehatte gestellt und angenommen wird, so wird sofort zur Abstimmung über den Verhandlungsgegenstand geschritten.
(s foll heißen: „Wird sofort die Meinungsäußerung der verschiedenen Parteien zur Kenntnis genommen“, so wie wir das in Salzburg beschlossen haben. Im Artikel 5 der Geschäftsordnung sind zu streichen die Bunfte 1, 2, 3, 4, 5, 6, weil wir Ihnen eine andere Form der Behandlung des Gegenstandes vorschlagen werden. Was die Geschäftsführung selbst anbelangt, so schlägt Ihnen der Geschäftsordnungsausschuß vor, daß heute nachmittags die Generaldebatte abgeführt werden fofl, die wir heute zu Gndeführen wollen. Morgen vormittags foll dann eine Sitzung stattfinden, die nicht als Plenarsitzung der Länderkonferenz, sondern als eine Ausschußfitzung gelten soll In dieser Sitzung follen die ersten zwei Punkte, die wir als Behandlungsgegenstände verhandeln wollen, die Rompetenz und die Finanzen ausschußzmäßig verhandelt werden. Gs werden die Herren Referenten von den Staatsämtern das Wort ergreifen und der Herr Staatssekretär selbst in liebenswürdiger Weise alle verlangten Aufflärungen geben. Diese Sitzung soll weder stenographisch aufgenommen noch darüber ein Protofoll geführt werden. Gs foll ganz eine interne Sitzung jein, die wohl als Ausschußzsitzung der Länderkonferenz gedacht ist, an der sich jedoch sämtliche Herren der Länderkonferenz beteiligen follen. Nachmittag findet dann die Plenarsitzung der Länderkonferenz ftatt und bitten wir Sie, nach folgenden Bunften die Erledigung der Tagesordnung vorzunehmen: Punkt 1 Kompetenz, Punkt 2 Finanzen, Punkt 3 Abschnitt IV. Punkt 4 Grund- und Freiheitsrecht und Punkt 5 Behandlung des Artifels 141. Das Geschäftsordnungskomitee bittet die Herren, wenn wir in die Plenarsitzung eingehen, weniger auf lange Reden zu sehen, als auf strenge, kurze und fachliche Behandlung der Gegenstände, die jeweils auf der Tagesordnung stehen. Die Parteien werden gebeten, ihre Anträge zu stellen und nachdem ohnehin eine Generaldebatte heute 8 stattfindet, nur in kurzen Umrissen ihre Anträge zu begründen, um die Möglichkeit zu geben, daß wir so rasch als möglich mit der uns gestellten Arheit fertig werden. In großen Umrissen haben wir über die ganze Verfassung in Salzburg gesprochen. Wir glauben, daß die heutige Tägung dazu bestimmt sein soll, über die Verfassung eine Spezialdebatte abzuführen und dadurch dem Herrn Staatssekretär unsere Wünsche bekanntzugeben. Nur auf diese Art und Weise, wenn nicht allzuviel gesprochen wird, ift die Möglichkeit vorhanden, rechtzeitig auch hier in Zinz fertig zu werden. Ich gestatte mir im Namen des Ausschusses Sie zu bitten, auf die vorgeschlagene Form der Tagung einzugehen. Herr Vorsitzender Dr. Mintelen: Zum Worte gemeldet sind bisher Herr Landeshauptmannstellvertreter Gruber, Herr Landeshauptmannftellvertreter Langoth, Herr Landeshauptmann Dr. Gnder, erner Herr Staatssekretär a. D. Dr. Steinwender und Herr Abgeordneter Runschak. Von der sozialdemokratischen Partei wird, glaube ich, noch ein Herr gemeldet werden. Ich bemerke, das Geschäftsordnungstomitee hat die Machtbefuquis bekommen, definitive Beschlüsse zu fassen. Daher sind die Mitteilungen des Herrn Landeshauptmannes Severlediglich Mitteilungen, die zur Kenntnis zu nehmen. sind. Eine Beschlußfassung und Debatté entfallen daher. Ich erteile das Wort dem Herrn Landeshauptmannftellvertreter Gruber. Herr Landeshauptmannstellvertreter von Oberösterreich Gruber: Meine sehr Verehrten! Unserer diesmaligen Tagung liegt der Vorentwurf einer Bundesverfassung in etwas abgeänderter Form vor und das ist für uns der Anlasz, uns ganz furz und prinzipiell in der Generaldebatte zu diesem Vorentwurf zu äußzern. Aukzer diesem Vorentwurf, der als Brivatarbeit des Herrn Staatsjekretärs Dr. Mahr vorgelegt worden ist, ist noch ein zweiter tretern der Grofdeutschen Partei vorgelegt worden. Meine Herren! Wir haben gegenüber diesem zweiten Entwurf des Herrn Staatsjekretärs Mahr ungefähr dasselbe zu wiederholen, was wir bereits auf der Salzburger Länderkonferenz ausgesprochen haben. Wir haben uns auch damals mit aller Entschiedenheit zu der Auffassung bekannt, daß die Schaffung einer Verfassung Sache der konstituierenden Nationalversammlung ift, daß der Länderfonferenz in Salzburg, wie auch der Ländertonferenz in Linz eigentlich die Kompetenz mangelt, an die Schaffung einer Verfassung heranzutreten. Das geht schon sehr deutlich daraus hervor, daß eigentlich in diesem Saale die Länder nicht vertreten sind, sondern daß hier Parteien erscheinen. Das kommt am deutlichsten zum Ausdruck dadurch, dan von einer Partei ein Entwurf vorgelegt wurde, von der Großdeutschen Vereinigung, nicht etwa von den Mitaliedern dieser Partei aus Salz-
Tirol oder Oberösterreich, sondern es liegt der Intwurf der Gesamtpartei vor. Meine Herren! Die Konferenz kann zufolge ihrer ganzen Konstruktion keine Beschlüsse fassen: das, was sie berät, kann nur dienen als Vorbereitungsmaterial für die spätere Beschlußfassung an dem zuständigen Orte in der konstituierenden Nationalverfammluna. Die Meinungsäuserungen, die hier zu irgend einem Punkte des Verfassungsentwurfes abgegeben werden, sind unverbindlich ür die Entschliefjung, die die Nationalversammlung in dieser Angelegenheit fassen wird. Kurz und autwir stehen heute, wie in Salzburg, auf dem Ständpunkte, daß es die Aufgabé der konstituierenden Nationalversammlung ift, die Verfassung zu bechließen. Es könnte aus dieser Darftellung etwa der Schluß gezogen werden, als ob wir mit unjerer Steflungnahne eine Verzögerung des Verfasjungswerkes bewirken wollten. Auch nach dieser Richtung hin können wir bestimmt und präzis erklären, daß wir nicht die Absicht haben, das Zustandekommen der Verfassung nach irgend einer Richtung hin zu verzögern. Eine Verfassung könnte unter Umständen ehr rasch Gesetzesgestalt erlangen, wenn die eine oder andere Partei sich für einen vorliegenden Entwurf entscheidet. Wir werden ja Gelegenheit haben, vielleicht in fürzerer oder späterer Zeit Ihnen auch einen Entwurf, der von unserer Parteidurchgearbeitet worden ift, vorzulegen. Wenn die Möglichkeit vorhanden wäre, daß die Herren sich unserer Meinung anschließen würden, so wäre die Verfassungsfrage sehr rasch der Lösung zuzuführen. Zwischenruf: „Umgekehrt1") Umgekehrt auch, auch dann, wenn wir einem Ihrer Vorentwürfe, zum Beispiel den Entwurf der Großdeutschen Vereinigung, mit ganz geringen Veränderungen unsere Zustimmung geben. Gs wird Ihnen aber klar sein, daß das ein Ding der Unmöglichkeit ist und deshalb mußz man einsehen, daß eine Verfassung nicht Entwurf der österreichischen Verfassung von Ver-(von heute auf morgen gemacht werden kann und daf eine ganze Reihe von wichtigen Beratungen notwendig sein wird. Es handelt sich ja um ein Werk, das wirksam sein wird für Generationen. 5s fann alfo unter feinen Umständen ein Vorwurf gemacht werden, wenn wir keinem der vorliegenden Entwürfe die Zustimmung widerspruchs(os geben können. Meine Herren! Wir wiederholen hier wieder, daß wir uns gegenüber dem vorliegenden Entwurf, der uns vom Herrn Staatssekretär Dr. Mahr in zweiter Auflage vorgelegt worden ift und der aufeinige Meinungsäusierungen, die in Salzburg von den einzelnen Parteien vorgebracht wurden, Rücksicht genommen hat, daß wir diesem Vorentwurf gegenüber an unserer prinzipiellen Auffassung festhalten, die wir in Salzburg zum Ausdrück brachten. Wir sind der Meinuna, daß der neue Staät als Zeutralstaat aufgebaut werden soll und unser Bestreben wird sein, dieser Idee Erfolg zu verburg oder von den Mitgliedern der Partei aus(schaffen. Unser Bestreben wird es sein, die zentrali- stische Auffassung vom Staat auch im Verfassungsentwurf zum Ausdruck zu bringen. Nur in dem Falle, wenn, sagen wir, gewisse Umstände es unter allen Umständen unmöglich machen würden, dem Zentralstaate das Wort zu reden, könnte von unserer Seite schließlich auch bis zu einem gewissen (grade der föderaliitische Gedanke in Betracht gezogen werden. Aber wenn wir uns für das eine oder das andere Prinzip entscheiden, es muß ganze Arbeit geleiftet werden, mit Salbheiten kann män ein großes Werk nicht machen. So ungefähr, wie der uns vorliegende Entwurf nur, sagen wir aus einer anderen Verfassung die Zibeben herausholt, die der Partei des Verfassers munden kann man die Sache nicht machen. Der Entwurt brinat uns feine Verfassung, die den zentralistischen Gedanken präzis zum Ausdruck bringt das schon gar nicht — aber auch der Gedanke des Töderalisnius ist verwässert und durch eine Reihe von Einschränkungen unannehmbar. Ich will auf folgendes verweisen: Für uns ist die Verfassungsfrage nur lösbar, wenn sie gleichzeitig mit der Verwaltungsreform durchgeführt wird. Zwischen diesen beiden Aufgaben wollen wir eine innige Verknübfung. So kann die Sache nicht aufgefaßt werden, daß man in Bezug auf den Staat für die Länder den Töderalismus fordert, die einzelnen Länder aber als Zentralftaaten fonftruiert. Wenn man schon den föderalistischen Gedanken der Verfassung zugrunde legen will, dann müssen diese Prinzipien lückenlos bis zur Gemeinde ihre Durchführung finden. Wir legen daher ein großes Gewicht darauf, daß das Prinzib der Selbstverwaltung in dem Verfafsungswerk selbst festgelegt wird. Für uns ist jede Verfassung, die nicht sogleich auch die Verwältungsreform in sich schließt, mehr oder weniger unannehmbar. Wir legen großes (eiicht darauf, daß gleichzeitig mit der Verfässung auch modernen Anforderungen entsprechende Bezirfsvertretungen geschaffen und alle damit in Verbindung stehenden Forderungen erfüllt werden. Schon in Salzbura haben wir uns auf den Standpunft des Ginkammerfyftems gestellt. Der Entwurf des Herrn Staatssekretärs Doktor Maur weicht von dieser von uns wiederholt geäusierten Forderung ab und konstruiert einen Bundesrat, dem er mehr oder weniger die Aufgabe eines Herrenhaufes zubilligt. In einer ganzen Reihe von Bestimmungen dieses Verfassungsentwurfes wird diesem Bundesrat gegenüber dem Bundestag eine überragende tellung gesichert. Mit einem Wort. es wird das alte Herrenhaus, das in den Nobembertagen des Jahres 1918 Gott jei Dank verendet ift, wieder zu neuem Leben erweckt und in einer Form, die ganz unannehmbar erscheint. Die Zusammensetzung dieses Bundesrates soll eine derartige sein, daß wir ihr unsere Zustimmung nicht geben könnten.
9 ter einer überragenden Körperschaft gewährt werden foll, die in einer ganzen Reihe wichtiger Fragen die Beschlüsse des Bundestages annullieren kann. Auch bezüglich der Präsidentenwahl sind wir anderer Meinung, als sie der Entwurf zum Ausdrucke bringt. Nach dem uns vorliegenden Entwurfe soll der Präsident vom ganzen Volke gewählt werden, es soll aljo ungefähr dasselbe Sustem eingeführt werden, wie das in Amerikader Fall ist. Wir von unserem Standpunkte erwärmen uns eher für die Übung, die in Frankreich gebräuchlich ist, weil wir uns sagen müssen, daß die Wahl des Präsidenten durch das ganze Volk die Gefahr des Cäfarismus mit sich bringt. Jedenfalls wird es vorzuziehen sein, wenn der Präsident des Staates aus der Nationalberfammlung, beffer gefagt aus dem Bundestage gewählt wird und die Funktion des Staatsoberhauptes mit jener des Präsidenten der Nationalbersammlung refpeftive des Bundestages in seiner Veron vereinigt. Im Verlaufe der öffentlichen Diskussion, die über die Verfassung geführt wurde, ist auch bekannt geworden, daß beispielsweise Wien aus dem Verbande des Landes Niederöfterreich herausgehoben und zu einem felbständigen Lande werden soll. Ich von meinem Standpunkte als Oberösterreicher muß dazu sagen, daß mich die Sache mehr oder weniger nichts angeht, das werden die Niederöfterreicher unter sich auszumachen haben. Aber es ift eine Forderung unferseits, daß das Selbstbestimmungsrecht des Volkes seine Grenzen nicht innerhalb der Landesgebiete findet, sondern das Selbstbestimmungsrecht muß schließlich auch eine größzere Auzdehnung erhalten. e muß dafür Sorge getragen werden, daß, wenn durch eine einwandfreie Volksabstimmung in zusammenhängenden Gebieten eine Änderung der bisherigen Grenzen der Vermaltungseinheiten notwendig erscheint, die Verfassung eine derartige Änderung gestattet. Eine Verfassung, die sich das Volk gibt, kann an den Greignissen unserer Tage nicht achtlos vorübergehen. In unserem öffentlichen Leben hat sich der sozialistische Geist zweifellos in einem gewissen Umfang bemerkbar gemacht. Die Zahl derjenigen, die sich zum Sozialismus bekennen, ist so groß, die Zahl derenigen, die als Endziel ihrer politischen Vetätijung den fozialistischen Staat fordern. ist so bedeutend, daß man über sie nicht hinweggehen kann, und in Konsequenz dieses Gedankens ist es selbsiverständlich, daß auch in der Verfassung dieser Gedanke nicht ausgelöscht sein kann. Im Gegenteil, eine Verfafsung, die in der heutigen Zeit gegeben wird, muß auf diese Gesinnung, die die heutige Gefellschaft bewegt, Rücksicht nehmen. G3 wird insbesondere auf dem Gebiete der Noch weniger, daß dem Bundesrate der Charak-1Grundrechte der Staatsbürger Gelegenheit ge- 10 geben sein — es wird dies wohl die Aufgabe einer späteren Zeit sein — hier unsere Auffaisung zur Geltung zu bringen. Wir können jedenfalss sagen, daß der Staat, der in der Vergangenheit eigentlich das Instrument war, um das Privateigentum nach allen Richtungen hin gegen unberechtigte Angriffe zu schüßen, daß dieser Staat der Vergangenheit angehört. Der Staat der Gegenwart, der das Eigentum nach einer gewissen Richtung und im gewissen Umfange verbürgt und sichert, diejer Staat mußz umgekehrt auch das Recht erhalten, dieses Eigentum enteignen zu können. Darüber werden wir noch später zu reden haben. Mit einem Wort. die Verfassung genügt nicht, wenn ie nur die politische Demokratie verwirklicht, die Verfassung muß einen Schritt weiter gehen und muß auch die wirtschaftliche Demokratie verwirklichen. Meine verehrten Herren! Wir haben durchaus nicht die Absicht, wie ich eingangs sagte, die Verwirklichung der Verfassung hinauszuschieben, zu verzögern. Daher begnügen wir uns mit einigen prinzipiellen kurzen Erklärungen. Ich habe das in Bezug auf einige Punkte getan, um unsere Stellungnahme gegenüber dem verbesserten Entwurf, der uns vorliegt, zu fennzeichnen. Wir stehen nach wie vor auf dem Standpunkte, daß erstens in der Frage der Kompetenz zur Schaffung der Verfassung der Länderkonferenz eine solche abzusprechen ist und betonen ferner, daß wir nach wie vor im zentralistischen Staate unfer höchstes Tiel erblicken, daß wir zwischen Verfassung und Verwaltung ein Junktim hergestellt haben wollen und daß wir unterallen Umständen den Bundesrat ablehnen, der das alte Serrenhaus wieder erftehen läßt, und daß wir es ablehnen, wenn der Entwurf hinsichtlich der Zusammensetzung des Bundesrates die tatsächlichen Verhältnisse außer acht läßzt. Daß wir ferner in Bezug auf die Präsidentenwahl auf dem Standpunkt stehen, daß so wie in Frankreich die Wahl auf dem Bundestage erfolgt und daß das Selbstbestimmungsrecht nicht nur der Länder, sondern auch der Gebiete uns unverletzlich erscheint. Das ist unser prinzipieller Standpunkt, den ich ganz kurz vorbringen wollte. (,Brabo!“ Brabo!" bei den Parteigenossen. Herr Vorsitzender Dr. Rintelen: Zum Worte gelangt Herr Lanbeshauptmannstellvertreter Langoth. Herr Landeshauptmannstellvertreter von Oberösterreich Lanaoth: Meine Herren! Unsere Parteigrubbe hat vor wenigen Tagen einen Delegiertentag in Linz abgehalten und bei diesem Gelegenheit genommen, zur Frage der Verfassung Stellung zu nehmen. Wir haben uns auf einen vollständig ausgearbeiteten Verfassungsentwurf geeinigt und uns erlaubt, diesen Verfassungsentwurf heute der Länderkonferenz vorzulegen. Ich hege nicht dieIden ihm zukommenden politischen Anteil an Macht,
Absicht, alle Einzelheiten unjeres Entwurfes zu erörtern, sondern möchte mich lediglich darauf beschränken, die wichtigsten Bestimmungen und rundsätze, insbesondere aber jene Bestimmungen hervorzuheben, welche eine Abweichung von dem Entwürfe des Herrn Staatssekretärs Dr. Mahrbedeuten. Vorausschicken muß ich, daß wir eins sind mit dem Mahrschen Entwurfe in dem Grundake, daß Oiterreich eine demokratische Republik und daß Osterreich ein Bundesstaat werden soll. In der Frage der Bundesglieder, der Trennung Wiens von Niederösterreich, gehen unsere Meinungen schon etwas auseinänder. Der HerrStaätssekretär löft diese Frage in seinem Entwürfe bereits, hebt Wien von Niederösterreich heraus, reiht Wien ein als gleichberechtiates Glied in den Bundesstaat. Wir stehen auf dem Standpunkte, daß dies eine Frage ist, welche den Niederöfterreichern und Wienern überlassen werden muß (Züruf von den Sozialdemokraten: „So ist es11 und aus diesem Gründe, weil wir dieser Frage in Anerkennung des Selbftbestimmungsrechtes nicht vorgreifen wollen, haben wir in unserem Entwurfe, im Artikel 2, die Fafsung gewählt: „Wenn die Stadt Wien aus dem Verbände des Landes Niederösterreich ausscheidet und zu einem selbständigen Gebiet wird und sobald das Heinzenland sich als elbständiges Land bildet, werden Wien und Heinzenland felbständige und gleichberechtigte Glieder des Bundesstaates“. Damit nun bei einer eventuellen fpäteren Löfung der Frage, bei einer eventuellen späteren Trennung Wiens von Niederösterreich, keine verfassungsmäßigen Schwierigkeiten auftauchen, haben wir im Artikel 3 im Zufammenhange mit dieser Frage die Fassung gewählt: Die Änderung der Grenzen zweier Länder, die Teilung eines Landes, die Zusammenlequna mehrerer Länder erfolgt durch übereinstimmende Gefeke des Bundes und der beteiligten Länder.“ Ich habe schon eingangs gesägt, daß wir einig sind mit dem Mahrschen Entwurf in dem Gedanken, daß Öfterreich eine demokratische Republik sein musz. Der Staat ist die Rechtsform für das Gesamtleben einer völterschaftlichen Einigung. Die in der vergangenen Zeit über den Zweck des Staatswesens in Geltung gestandenen Grundsätze waren zweifellos unzulänglich und müssen beseitigt werden. Es muß wohl der Grundsatz zum Ausdruck kommen, daß der Staat wegen seiner Bürger da ift und in Ronsequenz dieses Gedankens muß wohl festgelegt werden, daß der Staat den Zweck hat, feine Bürger heranzuziehen zur politischen und wirtschaftlichen Betätigung im Interesse der Gesamtheit. Wenn im vorliegenden Mahrschen Entwurf der Grundsatz festaelegt ist, daß alle Gewalt vom Volte ausgeht, eingefetzt und in einem Namen ausgeführt wird, so müssen wir erklären, daß dieser Grundsatz nicht genügend ist. Jeder Staatsbüraer hat nicht nur ein Recht auf er hat auch ein Recht auf den ihm zukommenden wirtschaftlichen Anteil an Macht. Wir haben in unserem Verfassungsentwurf nicht allein die formelle Demotratie, wir haben auch die materielle Demofratie ausgesprochen und zur Durchführung gebracht. Einig mit dem Mahrschen Verfassungsentwurf sind wir in dem Systein der Verteilung der Gewalten zwischen dem Bunde und den Ländern. Staatssekretär Dr. Mahr unterscheidet einen ausschließlichen Wirkungskreis, einen grundlegenden Wirkungskreis und einen grundsätzlichen Wirkungskreis. Wir stimmen darin mit ihm völlig überein. Nur haben wir dieses Sustem der Kompetenzverteilung in einem eigenen Artifel der Klarheit wegen festgelegt. Gs scheint uns dies nicht nur von formeller, sondern auch von wefentlicher Bedeutung zu sein. Hinsichtlich der Kompetenzteilung felbft gehen unsere Meinungen in wichtigen Belangen auseinander. Wir haben im Artikel VI. Punkt 10, in den ausschließlichen Wirtungstreis das gesamte Schulweien mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Fach- und Fortbildungsschulen gewiesen. Der Mahrsche Entwurf will dem ausschließlichen Wirkungskreis nur das Hochschulwesen und die fachlichen Zentrallehranstalten überweisen, während die pädagogischen und die taktischen Einrichtungen der mittleren und niederen Lehranftalten nur dem grundsetzlichen Wirkungskreise überlassen bleiben. Dieser Unterschied scheint uns ein außzerordentlich wesentlicher zu sein und ich mußz erklären, daß wir in der Schulfrage diesen Standpunkt als einen für uns grundsätzlichen vertreten. Bezüglich der Steuerquellenverteilung zwischen Vund und Ländern haben wir den Grundsat aufgestellt, daß zumindest das Erträgnis der von Grund und Boden zu entrichtenden Steuern den Ländern zu verbleiben hat und daß die Steuern im Lande der Produktionsstätte zu entrichten find. Arbeiterrecht und Arbeiterschutz einschließlich dieser Angelegenheiten der land- und forftwirtschaftlichen Arbeiter sind in unserem Entwurfe dem Bunde übertragen. Dr. Mahr will die Regelung dieser Rechtsverhältnisse für die land- und forstwirtschaftlichen Arbeiten den Ländern überlassen. Das Presserecht ist in unserem Entwurfe dem ausschließlichen Wirkungskreise überwiesen. Im grundlegenden Wirtungskreise unterscheiden wir uns dadurch, daß wir im Artikel VII, Punkt 1 die Organifation der Landesbehörden aufgenommen haben, was der Mahrsche Entwurf im grundsätzlichen Wirkungskreise durchführen will. in unserer Vorlage! die Oräanisation der Esfendarmerie und Polizei außerhalb Wiens. Der Manr'sche Entwurf hat im Artikel X. Punkt 12, die innere Einrichtung und Ausrüftuung der Gendarmerie dem ausschließlichen Wirkungskreise überwiesen.
11 Formell ist ein Unterschied zwischen unserem und dem Mahrichen Entwürfe darin gelegen, daß wir das Käpitel über die Grund- und Freiheitsrechte, über die Rechte und Pflichten der Staatsbürger der Organisation des Bundes voranstellen. Wir haben diese Voranstellung mit einer gewissen, bestimmten Absicht durchgeführt, weil wir der Meinung sind, daß der wichtiaste Teil der Verfassung für den einzelnen Staatsbürger in den Grund- und Freiheitsrechten gelegen ist. Nach unserer Auffassuna, daß auch die materielle Demofratie zur Verwirflichung gelangen muß, ist in unseren Grundrechten auch die Forderung aufgenommen, daß jedem Schaffenden eine angeniessene Anteilnahme an dem Ertrage der Boltswirtschaft gesichert sein muk. Ferner ist die Verpflichtung jedes Staatsbürgers zur körberlichen oder geistigen Arbeit ohne Rücksicht auf seinen Besitz klar ausgesprochen. Bezüglich der Organe der Bundesgewalt decken wir uns mit dem Entwurie des Herrn Staatsfetretärs. Bundespräsident, Bundesregierung, Bundesrat, Bundestag, Volksbegehren und Volksentscheid sind auch in unserer Vorlage vorgesehen. In der umgeänderten Auflage seines Entwurfes läßt der Herr Staatssekretär die Wahl des Bundespräsidenten vom ganzen Volke durchführen. In dieser Anschauung stimmen wir mit ihm völlig überein. Wenn der Vundespräsident vom ganzen Volfe gewählt wird, so erscheint es auch gerechtjertigt, wenn demselben größere Rechte, als dies ursprünglich im Mahrschen Entwürfe vorgefehen war, zukommen. Nach unserem Entmurfe foll dem Bundespräsidenten die Ernennung des Bundeskanzlers und der Bundesminister über Vorschlag des Bundestages, die Ernennung der Landeshauptleute und ihrer Stellvertreter über Vorschläg der Landtage zuftehen. Bezüglich Volksentscheid und Volksbeaehren geht unser Entwurf weiter als der Mahrsche. Der Volksentscheid ist bei unserem Entwürfe ausgedehnt auf den Abschlußz der Friedensverträge und auf die eventuelse Absetzung des Bundeöpräsidenten. Hinsichtlich der Organe der Länder. Landtag und Landesregierung, stimmen wir mit dem Entwurfe ziemlich überein. Auch in unserem Entwurfe ist die Zweiteilung vorgesehen zwischen Landtagspräsidenten und dem Landeshauptmann. Der Landtag wählt sich seinen Präsidenten. Die Landesregierung befteht aus dem LandeshauptDer grundsätzliche Wirkungskreis enthält(mann, dessen Stellvertretern und den Landesräten. Der Landeshauptmann und dessen Stellvertreter werden über Vorschlag des Landtages vom Bundespräsidenten ernannt, die Landesräte aus dem Landtage gewählt. Was die Einführung der Volfsinitiative und des Voltsentscheides in Land und Gemeinde betrifft, so wird nach unserem Entwurte 12 die Entscheidung darüber den Landtagen bei Festlegung ihrer Landesverfafsungen überlassen. Wichtig, wesentlich und besonders hervorzuheben ist die Einführung von Wirtschaftskammern, wie sie in unserem Entwurfe vorgesehen st. Wir sagen uns, wenn das erstrebte Ziel der materiellen Demofratie zur Verwirflichung kommen. soll, dann mußz getrachtet werden, zwischen Kapital und Arbeit eine Giniguna herbeizuführen, dann muß getrachtet werden. die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer in eine Institution zu gemeinsamer Arbeit zu vereinigen, wo die brennendften Fragender Gegenwart. die Regelung der Produktion und die Regelung der Verteilung gelöft werden sollen. Unser Entwurf sieht Wirtschaftskammern vor. die ich paritätisch aus den Vertretern der Arbeitnehmer und den Vertretern der Arbeitgeber zufammenfeßzen. Die Wirtschaftskammern haben keine Tegislatorischen Befugnisse, sie sind aber zur Mitwirkung bei allen wirtschaftlichen und fozialpolitischen Gesetzen berufen durch Abaabe eines Gutachtens. Die gesekgebenden Körberschaften sind an dieses Gutachten nicht aebunden, jedoch ist die Einholung eines solchen Gutachtens obliaatorisch. Daßz mit der Verfassungsreform eng auch die Frage der Verwaltungsreform verftrüpft ist, bedarf keiner weiteren Ausführung. Wir haben auch in unserem Entwurdie Frage der Verwaltungsreform angeschnitten, weniaftens in dem Belange, daß als zweite Instanz schon in den Ländern für strittige Fragen in Verwaltungsangelegenheiten Verwaltungsgerichte vorgesehen sind, welche neben den Richtern aus Verwaltungsbeamten und Laien zufammengefetzt fein. ollen. Verehrte Herren! Ich habe in ganz kurzen Zügen mich bemüht. Ihnen die wichtigsten Gedanfen und Richtlinien unseres Entwurfes darzulegen. Wir sind bestrebt, mit dieser ernsten Arbeit beizutragen, daß das schwierige Werk der Verfassunasreform gefördert wird. Ein Verfassungswerk nach den Grundsätzen unseres Entwurfes bietet Gewähr für die politische und wirtschaftliche Entwicklung jedes Staatsbürgers. Gs ift sicher, daß durch die Folgen des unglückseligen Ausganges des Krieges sich die ganze Gesellschaftsordnung in einer unaufhaltiamen Uinbildung befindet. Wir haben in unserer Arbeit diesem Umstande, soweit es mit unseren Anschauungen vereinbarift, Rechnung getragen, Rechnung getragen in Grinnerung des Dichterwortes, daß gute Menschen und Patrioten verlernen, umlernen und zulernen follen. (,Brabo“ Bravo“1 bei den Parteigenossen. Der Herr Vorsitzende Herr Dr. Mintelen: Zum Worte gelängt Herr Landeshaubtmann Dr. Gnder. Herr Landeshauptmann von Vorarlberg Dnkter Euder: Meine sehr verehrten Herren! Wir eken hier die Arbeit von Salzbura fört und zwar nach der Salzburger Methode. Daß die nicht gerade die von uns gewünschte war, habe ich den herren in Salzburg schon gesagt. Meines Erachtens
wäre es Aufgabe der Länderkonferenz, den vorliegenden Entwurf genau durchzuarbeiten nach einer richtigen jystematischen Methode, um zu positiven Abänderungsvorschlägen in den einzelnen Artikeln zu gelangen. Es wäre Aufaabe der Länderfonferenz gewesen, die Anschauungen der Vertreter aus allen Tändern und der Vertreter aller Varteien aus allen Ländern zu jedem einzelnen Bunftefennen zu fernen und dieselben, foweit irgendwie möglich, einer einheitlichen Formulierung zuzuühren. Das wäre eine wichtige Aufgabe der Länderkonferenz und dort, wo eine einheitliche Formulierung nicht zu erzielen ift, die verschiedenen Aufassungen völlständia klarzustellen. Zu dieser Arbeit würde allerdings mehr Zeit erforderlich sein, als uns gelafsen wird. Ein Antrag, den geftern die deutschfreiheitlichen Herren gestellt haben, iit dahin gegangen, einige Ausschüsse einzusetzen, um wenigtens gewisse Kapitel, die besonders wichtig sind, in Ausschüssen nach dieser Methode durchzuarbeiten. Der Antrag ist von anderer Seite abgelehnt worden. und so bleibt es wieder dabei, daßz wir uns eigentlich, wie das letztemal, nur über gewisse Grundsäßze aussprechen und einige grundsätzliche Rostulate aufjtellen. Auch das Tit eine Arbeit, deren ert ich nicht verkenne, aber es ist nicht die volle Arbeit, wie wir sie gern wünschten. estatten Sie, daf ich einen Frrtum berichtige, der zum Teil vorhanden zu sein scheint. Aus den Ausführungen des Herrn Gruber erhellt, daß derselbe den vorliegenden Entwurf des Herrn Staatsjekretärs Mahr für einen christlichsozialen Entwurf ansieht. Aus einem gestern von ihm gemachten Ausspruche war es noch viel klarer zu ersehen, daß er diese Auffassuna hegt. Das wäre allerdings grundfalsch. Der Entwurf, wie ihn Staatsjekretär Mahr hier vorlegt, ist kein Entwurf der christlichsozialen Partei und entspricht auch absolut nicht unseren Anschauungen, wie Sie zu hören noch reichlich Gelegenheit haben werden. Es entspricht der zweite Entwurf, der heute uns vorliegt, unferen Anschauungen noch weniger, als ihnen schon der erste Entwurf entsprochen hat. Bir haben mit Bedauern wahrgenommen, daß der Entwurf in manchen Vartien seit unserem lekten Beisammensein in Salzburg eine Verschlechterung erfahren hat und zwar eine Verschlechterung, der wir die Provenienz sofort im Gesichte anjehen: es haben offensichtlich die Beamten der zentralen Staatsämter ihre Sand kräftig darinnen und haben ihren Einflußz bei Redigierung der neuen Verfassung zur Geltung zu bringen gewukt, und von einem österreichischen Beamten zeutralen Charakters kann man nicht verlangen, daß er sich chon in einen föderalistischen Gedänkengang hineingelebt habe. Man muß sich also nicht verwundern, aber man kann es immerhin bedauern, daß diese Verschlechterung vorgekommen ist. Was HerrLandeshauptmannstellvertreter Gruber gefagt hat, daß die föderalistische Idee im vorliegenden Ent- würfe sehr verwässert sei, ist außzerordentlich wah Gs gilt nicht nur vom ersten Entwurf, es gil noch mehr vom zweiten Entwurf Meine Herren, mit dem föderalistischen Au put der ersten Artikel der Verfassung ist die Sach ja nicht getan. In anderen Artikeln wird in drei facher Richtung der Töderalismus getötet und erschlagen. Einmal wird der Föderalismus ertöte. auf dem Gebiete der Finanzen. Wenn Sie der Ländern die Finanzhoheit vollständig nehmen und sie dem Bunde zuweisen, wie es hier geschehen ist in diesem Verfassungsentwurf, dann können Sie einen vollen, wirflichen und wahren Föderalie mus von vornherein nicht mehr erwarten. Wenn der Mann den Schlüssel zur Geldkasse seiner Frau bedingungslos ausliefert, hat er die männliche Gewalt in feinem Haushalte bedingungslos dahin gegeben. Dasselbe ist hier im Staatshaushalte der Fall. So können wir den Kasseschlüssel den Staate nicht übergeben, sondern es wird ein Weg gefunden werden müssen, der die Steuerhoheit der Länder wahrt, freilich in einer Form, die den Bundesbedürfnissen und den Bedürfnissen de Länder und Gemeinden gleichzeitig gerecht wird Ich gebe zu, und das wissen wir alle, daf es sehr schwer ist, einen Weg zu finden, aber er muß gefunden werden unter Wahrung der Steuerhoheit der Länder. Grundsätzliche Anträge in der Richtung zu stellen, wird Aufgabe der morgiger Verhandlungen fein. In zweiter Linie fann man dann den Fi deralismus totschlagen durch entsprechenden Aubau der Artikel 10—12 des Entwurfes. Gerade in der Beziehung, was die Gestaltung der Artike 10-12 anbelangt, müfsen wir feststellen, daß der neue Entwurf eine wefentliche Verschlechterung gegenüber dem alten bedeutet, indem vielfach auf Gebieten, auf denen früher der Staat nur die Grundsätze zu regeln gehabt hätte, nun die volle Gesetzgebung haben soll und Dinge, die früher den Ländern zur Durchführung überlassen waren nunmehr gänzlich der Zentralgesetzgebung und der staatlichen Durchführung überwiesen worden sind. Jede derartige Verschiebung ist natürli ein Abbröckeln von der föderalistischen Idee und eine Annäherung an den Zentralismus. Gantraß ist das z. B. darin zum Ausdruck gekomme daß die Regelung der Wasserrechte aus dem Artifel 12 in den Artitel 11 verschoben worden ift was sogar eine Verschlechterung gegenüber den Zustände im alten Öfterreich bedeutet, wo der Staat auch nur die Grundsätze aufzustellen hatte An dem Grundsatze müssen wir festhalten, daß durch die neue Verfassung auf keinen Fall die föderalistische Idee und die autonome Gewalt der Länder weiter beschränkt werden darf als in alten Öfterreich. Ein Gebiet, wo das zum Vorschein kommt, sind die Bestimmungen, daß die Rechnungstontrolle des Staates durch ein außerordentlich modernes Institut, das man Oberster
Rechnungshof nennt (Heiterkeit), ausgeübt wird, daß diese Kontrolle sich auf die Länder und deren Haushalte ausdehnt, daß die Länder auch in den bürokratischen Zopf hineingedrängt werden sollen. Ebenso tritt diese Bestrebung, in der Prazia (den Förderaliamus zu hindern, hervor, wenn die Kompetenz des Verwaltungsgerichtshofes auf das freie Ermefsen ausgedehnt werden soll, aber nur auf einem Gebiete, nämlich wenn eine Landesregierung in letzter Inftanz eine Entscheidung gefällt hat, die der Staatsregierung nicht paßt. Das sind alles Dinge, die geeignet sind, die theoretisch aufgestellte föderalistische Idee in der Praxis umzubringen. Noch ein Gebiet gestatten Sie zu streifen. Es gibt noch eine Form, den Föderalismus prattisch zu töten und die Autonomie in den Ländern praktisch nicht zur Geltung kommen zu lafsen, und das ift jene Miethode, daß man die Verwaltung auf dem Gebiete, wo sie dem Staate zusteht, nicht durch die Landesregierungen und die Bezirfshauptmannfchaften ausübt, wie es der normale Weg ist, sondern in den Ländern draußen eigene Bundesämter dafür einrichtet. Der Einrichtung solcher eigener Bundesämter, die den Landesregierungen in feiner Weise unterstehen, sondern direft dem Staatsamte, öffnet der Entwurf, wie er vor uns liegt, Tür und Tor. Auf einer ganzen Reihe von Gebieten kann das geschehen. Das ind alles Dinge, die geeignet find, uns den französischen Zentralfystem zu- und von einen (wirklichen föderalistischen System wegzuführen Sie sehen aljo, daß wir an diesem Entwurf schwere Kritik zu üben haben und daß er nichts (weniger als unjer Entwurf ist. Ich möchte an alle Herren die Vitte richten, ohne UUnterschied aus welchem Lande und ohne Unterschied der Partei, eins zu bedenken: Wir müssen mitwirken und sollen die Wege ebnen zur Schaffung einer Verfassung, die auch wirklich Gefetz wird. Und Gesetz werden kann sie nur wenn sie auch von den Landtagen angenommen und nicht verworfen wird. Gegen den absoluten Widerstand der Landtage werden Sie eine Berfassung in Österreich nicht zustandebringen. Be halten Sie als Ziel im Auge, ein Verfafsungsgesetzgebungswert zu schaffen, das schließlich in den Ländern, vielleicht nicht gern, aber doch angenommen wird. Da müssen aber gewisse Grenzen beobachtet werden. Es gibt Dinge, über die mit den Landtager nicht zu reden jein wird. Meinetwegen können Sisagen, es soll nicht der Landtag das Recht haben über die Annahme der Verfassung zu entscheiden, sondern das Volk des betreffenden Landes in einer Volfsabstimmung. Auch das würde ich akzeptieren, aber eine von diesen beiden Klippen muß schließich das Verfassungswerk bestehen können und wir nüssen es so gestalten, daß es die Probe bestehen wird. Eine Verfassung, die einen zentralen Aufba
22 14 vorsieht, würde nach meiner festen Überzeugung diese Probe nicht bestehen können. Im übrigen bin ich dafür, daß wir ganze Arbeit leisten. Der HerrAbgeordnete Gruber hät recht: es ist nicht gut, wenn man ein Prinzip, das in einem Werke zur Geltung kommen foll, nicht durchführt, sondern es überall durchlöchert. Er hat recht. Entweder bauen wir den zentralen Staat oder den Föderatibstaat. Ich pflichte ihm vollständig bei und ich bin dafür: wir bauen einen Töderatibstaat. Ich habe nichts dagegen, daß wir auch den Töderalismus bis zur Gemeinde fortsetzen, insofern er das Verwaltungsgebiet meint; daß wir die Gemeinden nicht mit einem Gefeßgebungsrecht ausftatten können, darüber dürfte faum eine Meinungsverschiedenheit sein. Der Fall wäre auf Erden finqulär; aber auf dem Gebiete der Verwaltung habe ich nichts dagegen, den Töderalismus bis zur Gemeinde fortzusetzen, und ich bin abfolut kein Geguer, wenn man glaubt, die Autonomie in den Gemeinden könnte noch auf einem Gebiete ausgebaut werden. Wir haben mit der Gemeindeautonomie in meiner Seimat absolut keine schlechten Erfahrungen gemacht und wir sind absolut keine Geguer derselben. Soviel ich weiß, sind auch meine Parteikollegen aus den anderen Ländern abfolute Anhänger der Gemeindeautonomie. Der Herr Abgeordnete Gruber wünscht dann die Verwaltungsreform mit der Verfassungsreform verbunden zu wissen. Das ist nun jo: Keiner von uns ist ein Gegner der Verwaltungsreform, weil es etwas Verwegenes wäre, der österreichischen Verwaltung ihre Reformbedürftigkeit abzusprechen, und es fann nur. die Ffrage fein, ob die gejetzgebenden Körperschaften, die in Betracht kommen, das Werk auch bewältigen können, Verfassungsreform und Verwaltungsreform unter einem zu leiften. Ich habe daran persönlich große Zweifel. Ich habe persönlich die Anschauung, daß die Schafjung der neuen Verfassung an sich schon eine Aufgabe und für die konstituierende Nationalversammlung ein Werf ift, das eine respektable Höchstleiftung darftellt. Nach den bisherigen Erfahrungen konnte ich mir noch nicht die beruhigende überzeugung verschaffen, daß unsere konstituierende Nationalversammlung diefe ihre erfte und Sauptaufgabe in angemessener und nützlicher Frist befriedigend löfen werde. Ich für meine Personwäre mit der konstituierenden Nationalversammlung zufrieden, wenn sie das Gesetzgebungswerk schafft und wenn dann das Volk wieder befragt wird und neue Männer schicken kann, um das große Werk der Verwaltungsreform durchzuführen. Wer alles will, erreicht in der Regel nichts. Daher beschränke man Ziele nach der Kraft. (Beiall bei den Chriftlichsozialen.) Herr Vorsitzender Dr. Rintelen: Herr Dr. Steinwender hat das Wort. Herr Staatsfekretär a. D. Dr. Steinwender (Kärnten): Verehrte Herren! Ich be-
chränke mich im allgemeinen nur auf einen einzigen Satz, es ist der Widerspruch zwischen Zöberalisnus und Zentralismus. Wollen Sie überzeugt sein, es gibt Menschen, hochstehende Menchen, denen die Menschheit ein Ganzes ist, die ich nichts anderes vorstellen können, als für die ganze Welt zu arbeiten. Gut, das verstehe ich. Ich verstehe ferner ganz gut und habe diese Ansicht selbst geteilt und teile diese Anjicht noch, daß ich zu meinem Stamm gehöre und daß ich ein Nationaler bin und daher meine ganze Tätigkeit und mein ganzes Streben einschränke für meine Nation. G3 gibt aber auch eine Seimat. Ich fenne nur mein Seimatland, eine Zwischenstation gibt es nicht, die Verhältnisse haben die Zwischenstation übrig gelassen. Mit der Zwischenstation werden wir aufräumen. Es handelt sich um einen Übergang, wir kommen einmal zum Deutschen Reich. Unterdeffen wollen wir Ordnung machen, hier Ordnung machen, indem wir zur Seimat zurückfehren. Ohne Liebe zur Seimat gibt es keine positive Arbeit. Einen solchen Staat lieben und achten wir nicht, wir lieben und achten nur unjer Seimatland. Nur ein paar Ginzelheiten! Ich habe nicht teilgenommen an den früheren Beratungen der großdeutschen Vereinigung, ich habe daher das Recht, meine Meinung ganz frei auszusprechen. Ich sage daher, daß ich auf keinen Fall dafür bin, daß das Schulwesen in dem Umfange, wie es in dem Antrage der großdeutschen Parteisteht, dem Staate übergeben werde. Ich bin in dieser Beziehung für die Fassung des Dr. Mayrchen Entwurfes und sage, auch der ist mir noch biel zu sehr zentraliftisch. Der § 12 sagt nämlich ganz richtig: „Die Errichtung und Erhaltung von mittleren und unteren Unterrichtsanstalten gehört den Ländern. Zu zahlen haben sie aljo.“ Der Artikel 11 sagt: „Der Gesetzgebung des Bundes wird übertragen: die pädagogisch-didaktische Einrichtung des mittleren und niederen Schulwesens Nein! Das geht den Staat auch nichts an, wir verstehen es viel besser. Wir werden den Unterricht so einrichten, wie er für unsere Verhältnisse paßt. Wir brauchen den Staat nicht. Die Gründe erlassen Sie mir, näher auszuführen. Nur das eine kann ich Sie versichern, daß ich im färntnerischen Landtage wiederholt mit einigem Erfolg Kampf geführt habe, wobei ämtliche Freisinnige bis auf einen einzigen mit mir waren. Also wir, die wir ganz überwiegend Deutschfreisinnig waren, wir waren alle strengstens für die Verländerung der Schule und für eine solche Einrichtung, die unserem Lande paßt. Weiter und zwar am meisten zu beanständen sind. die Bestimmungen in finanzieller Natur. Die sind im Entwurf des Herrn Dr. Mahr vollständig unzureichend und so weit sie etwas klares stehen lassen, nicht annehmbar. Es soll nach dem Entwurse dem Bundesgesetz nicht nur überlassen werden, die Verfügung über Einnahmen und Ausgaben, die Bundesausgaben und einnahmen sind, sondern auch die Regelung der Anteilnahme der Länder an den Einnahmen des Bundes. Das werden wir selber machen, es selben bestimmen, welchen Anteil der Bund bekommt. Zuerst werden wir leben, und wir werden auch den Bund leben lassen. Gewiß! Wir treten dem Staate ab, wie es hier im Prinzipe heißt, das ist gewiß recht. Wir treten dem Staate ab, das muß festgehalten werden. Daher hat der Bund nicht das Recht zu ordnen, was gehört uns und was geben wir euch. Dazu heißt es noch eine Regelung von Beiträgen und Zuschüssen. Caisen Sie mich damit aus. Ich verwerfe sie grundsätzlich. Nichts Schädlicheres gibt es, als das System der Überweisungen. Früher, wo sie nur geringfügig waren, konnten sie keinen großen Schaden anrichten, jetzt, wo die Überweisungen auf das Fünsfache gesteigert worden sind und noch weiter gesteigert werden, haben sie die Landesverwaltung geradezu deroutiert. Jetzt wird beschlossen: Es zahlt ja der Staat, nicht wir. Nein! Gespart werden kann nur, wenn von diesen Geschenken ganz und gar abgesehen wird. Ich habe nun gehört und auch gelesen, eine Vorlage, nach welcher wiederum den Ländern etwas geschenkt werden foll und zwar nicht in der Form von Überweisungen, sondern in der Form, daß der Staat die Hälfte der Bezüge der Angestellten des Landes bezahlt. Nein, das wollen wir nicht! Sonst foftet die Hälfte mehr als das Ganze. Also wir müssen uns ganz klar sein darüber. Wenn wir Ordnung machen wollen, müssen wir Herren im eigenen Haufe sein. Wir wollen leben können. 3 ist auch falsch, wenn wir bei der Finanzreform sagen: Dem Staate geht es schlecht. Es ist nicht wahr. Der Staat wird eben nicht besonders gut verwaltet, aber man darf nicht viel sagen, wenn man die Finanzberwaltung tadelt, sind die Herren empfindlich. Aber ich habe einen Entwurf einem Kollegen nach Salzburg mitgegeben, aber auch der war nicht so dumm, wie es vom Finanzamte dargestellt wurde. Er hat sich bezogen und gestützt auf das offizielle Regierungsmaterial und auch morgen werde ich das heute vorliegende Material benüten. Da werden sie sich überzeugen, daß von den Auzgaben per 13.279 Millionen nach dem Systemder Regierung 5726 Milsionen auf vorübergehende Ausgaben entfallen. Gs bleiben also nur mehr übrig 7552 Millionen. Davon sind die Ausgaben der Staatsbetriebe und der Monopole 2300 Millionen Kronen. Wenn Sie das abziehen, dann bleiben beiläufig 5250 Millionen. Über diese 5250 Millionen bleiben ja nicht stehen. Die Staatsbetriebe müssen nicht nur mit diesen Ausgaben aus ihrem Ertrage gedeckt werden mit den Kosten, die im Budaet stehen, sondern es kommen
15 noch die staatlichen, die jetzigen außerordentlichen Zuschüsse dazu. Wenn Sie diese ebenfalls abziehen, o müssen Sie um eine ganze Milliarde zurückauf das Eraebnis von 4250 Mislionen. Dafür gaben Sie aus den Abgaben und fonitigen Einnahmen eine Deckung von 1634 Millionen. Bir kommen dann auf 2620 Millionen, also auf Ziffern, die errreichbar sind, wenn durch die Vermögensabgabe ein Teil der Staatsschulden beseitigt wird. Natürlich muß die Vermögensabgabe dazu verwendet werden. Wenn sie anders verwendet wird, ist sie überhaupt verloren. Ferner wird etwas geschehen müssen in Bezug auf die Beamtengehalte. Entweder sie bleiben, dann aber nur in dem Fall, wenn der Geldwert unten bleibt. Dann werden aber auch die Ginnahnen höher fein müssen. Oder der Geldwert bessert sich, dann werden die Zuchüsse für die Beamten wieder herabgesetzt. Ferner haben wir eine Menge von Grsparnissen, die auf allen Gebieten möglich find. Endlich wird man ich anstrengen müssen, einige neue Einnahmen zu chaffen, obwohl die zuletzt geschaffenen Einnahmsquellen durch die nicht glückliche Zusammenstellung die Tragfähigkeit unserer Bebölkerung in vielen Schichten übersteigen. Wir haben also erreichbare Ziffern da. Wenn die Länder gewisse Agenden vom Staate übernehmen, übernehmen sie natürlich auch die Ausgaben, die diesen Ugenden zufallen, nicht als Zuweisung, sondern als Unteil des Staates. Wie ich meine, müssen wir die Stelle über die Ffinanzen wefentlich anders gestalten und wir agen, das und das wird dem Bundesftaate überlaffen und das und das werden die Länder behalten. über die und die Ginnahmen wird eine Vereinbarung getroffen zwischen den Ländern und dem Bunde, damit die Länder einen Teil nehmen und den anderen der Bund. Dies wird geschaffen ür eine Reihe von Jahren, für eine furze Reihe von Jahren, weil die Verhältnisse sich ändern. Dann werden die Länder leben und auch der Staat. Je positiver man ist, je mehr wir glauben, lebensähig zu sein, um so eher muß man darangehen, Ordnung zu schaffen zwischen den Ländern und dem Staate. Das geschieht dann, wenn die Länderelbständiger werden und wenn sie beginnen vernünftiger zu arbeiten, was bisher nicht geschehen ist. Herr Vorsitzender Dr. Rintelen: Herr Abgeordneter Runschaf hat das Wort. Herr Kunschäk (Wien): Es ist heute über Dinge gesprochen worden, für die man eigentlich die Entscheidung schon gefunden hat. So ist eingehend gesprochen worden über das Prinzip Bundesstaat oder Zentralstaat. Die Länderkonferenz in Salzburg hat bereits in dieser Frage die Entscheidung gebracht, zum mindesten für den Kreis, der hierversammelt ist. Die Salzburger Konferenz hat sich mit großzer Mehrheit für den Bundesstaat entchieden. Dieser Beschluß, der, wenn auch nicht in feierlicher Form gefaßt, so doch in klarer und unzweideutiger Weise unter Zusammenwirkung der 223 16 Nertreter aller Länder ohne Unterschied der Partei zu stande gekommen ift, gibt gar feine Möglichkeit mehr, uns seiner Geltung zu entziehen. Es erübrigt sich daher, über die Fräge: Bundesstaat oder Zentralstaat ein weiteres Wort zu verlieren. Der Bundesstaat ist in Salzburg von der Mehrheit ohne Unterschied der Partei anerkannt1daß das überweisungsfustem zur Korrumpierung worden als das Ziel, das die Verfafsung anftreben muß, das durch die Verfassung gesichert werden soll. Strittia ist nun allerdings die Frage, wie das Prinzip angewendet und durchgeführt werden soll. Gs hat schon der Herr Landeshauptmann von Vorarlberg darauf verwiesen, daß die Verassung immerhin noch die Möglichkeit bieten kann. durch einzelne Bestimmungen das schon feitgelegte Brinzip des Bundesstaates ad absurdum zu führen. 58 ist unjere Aufgabe, zu solchen Bestimmungen es nicht kommen zu lassen, sondern unsere Kraft und Arbeit auf das eine Ziel zu vereinigen, daß alle Enticheidungen der Länderfonferenz in Dindarauf abzielen, den Bundesstaat zu ermöglichen, ihn zur vollen uneingeschränkten Wahrheit zu machen. In diesem Sinne finden auch wir, daß der zweite Entwurf, welcher schon Bezug nimmt auf die Entscheidungen der Länderkonferenz in Salzburg, Mängel aufweift. Gs hat Herr Landeshauptmann Gnder und mein unmittelbarer Herr Vorredner bereits auf einige dieser Punkte verwiesen. Sie liegen hauptsächlich auf dem Gebiete des Finanzwesens und wohl auch auf dem Gebiete der Verwaltung. Was das Finanzwesen anbelangt, so müssen wir, auf dem Boden des Bundesstaates tehend, fordern, daß die Verfassung hier solche Entscheidungen trifft, daß die Lebenzimöglichkeit der einzelnen Glieder des Bundesstaates gegeben erscheint. Dazu gehört vor allem anderen eine Angelegenheit, die uns wiederholt, durch Jahre hindurch auch das alte Parlament und die alten Regierungen beschäftigt hat, eine Angelegenheit, die zusammengefaßzt wurde in den Satz: „Sanierung der Landesfinanzen“ 5s müssen die einzelnen Bundesstaaten unbedinat die Möglichkeit erlangen, ihren Saushalt aus eigenen Ginnahmen bestreiten zu können. Das ist bis jetzt nicht der Fall gewesen, nicht ein einziges Land ist bisher in der Tage gewesen, seine Ausgaben aus den eigenen EEinnahmen zu beftreiten. Selbst das Land, das bis vor kurzen immer ein aktives Budget hatte, konnte nicht aus den eigenen Einnahmen sein Budget bestreiten, es war immer darauf angewiesen, Überweijungen aus den Staatsfassen zu beanspruchen und die Einnahmen aus den Überweisungen haben in seinem Budaet stets einen bedeutenden Kaum eingenommen. Ich tomme damit sofort zu dem, wogegen wir uns von vorherein berwahren, daß dieses System der Überwweijungen wieder in die neue Steuergesetzgebung Eingang finde, daß die Finanzwirtschaft in unserem Bundesstaate auf die Überweisungen aufgebaut oder von diesen wesentlich beeinflußt werde. Das
Sustem der Überweisungen ist nach meiner Aufassung das unerträglichste Sustem, das man sich überhaupt denten fann. Von den moralischen Gründen, die gegen das Überweijungsiustem sprechen, will ich weiter nicht reden. Es genügt darauf zu verweisen, auf dem Gebiete der FFinanzverwaltung führt. Und zwar sowohl zur Korrumpierung der Staatsinaniberwaltung als auch der Landesfinanzverwaltung. Ebenfo sicher ist aber auch, daß eine ordentliche, eine gewiffenhafte Verwaltung beidem System der Überweisungen unmöglich ist. 3 mußz daher mit dem überweisungsjystem gründlich aufgeräumt werden. In dem Verhältnis zwischen den einzelnen Gliedstaaten und zwischen dem Bundesstaate soll und darf es das Sustemder Gnade nicht geben, sondern nur ein Syitem: des flaren, durchfichtigen aber auch unbeuafamen Rechtes. Es müß daher den Ländern die Möglichkeit gegeben werden, sich solche Einnahmsquellen zu erschließen, daß sie in der Lage sind, ihre Bedürfnisie, die natürlich viel weitergehende werden, als das nach dem bisherigen Verfassungsfustem der Fall gewesen ist, auch vollbefriedigen zu können. Es mußz aljo vor allem anderen eine Teilung der Steuerquellen stattfinden zwischen Bundesstaat und den einzelnen Gliedstaaten. Diese Teilung muß ziemlich weit gehen. Sie fann sich nicht darauf beschränken, daß etwa nur die Realsteuern allein den Ländern zugewiesen. werden, es müssen schon auch andere Steuerquellen erschlossen werden. Auf die Überweisungen sagte ich schon, soll von vornherein verzichtet werden, sie sollen ausgeschlossen werden. Es müssen andete Wege aufgezeigt werden, die zu einer Ordnung auf dem Gebiete der Bundesfinanzen und der Finanzen der Gliedstaaten führen. Dafür gibt es eine Reihe von verschiedenen Wegen. Ein sehr einfacher, weniaftens ein anscheinend sehr einfacher Wegwäre der, daß zu den Personalsteuern das Zuschlagsrecht den einzelnen Glieditaaten eingeräumt wird. Die Idec ist durchaus nicht neu und hat chon wiederholt die öffentlichen Vertretungskörper, aber immer auch die Diskussion im pölitischen Leben und in der Presse beschäftigt. Es ist nur die Ffrage, ob es rätlich erscheint, daß namentlich zur Personaleinkommensteuer Zuschläge seitens der einzelnen Gliedstaaten, eventuell Zuschläge der einzelnen Bezirfe und Gemeinden eingehoben werden sollen. Wir sind der Meinung, daß man dieses Sustem nicht zur Anwendung bringen soll, und zwar deswegen, weil zu befürchten steht, daß damit die Grundlage dieser Steuer felbft, aber auch der Zweck derselben sehr wesentlich und ungünftig beeinträchtigt werden würde. s ist ein anderer Weg möglich und das wwäre der der Mitbeteiligung der Länder an den Personalsteuern und der Mitbeteiligung der Länder auch an den Alkoholsteuern. über die Mitbeteiliguna an den Personalsteuern will ich heute nicht eingehender sprechen, es genügt, die Forderung und die Möglichkeit derselben anzudeuten. Was die Mitbeteiligung an dem Ertrage der Alkoholsteuern anlangt, so hat dieses Systemim gewissen Sinne bis zur Inkamerierung der Biersteuer bestanden. Gs bestand früher die Möglichkeit einer Landes- und Gemeindeumlage auf Vier und andere Getränke. Ich glaube, wir könnten durch das Sustem der Mitbeteiligung zu einer einheitlichen Steuergesetzgebung und zu einem einheitlichen Steuerfatz gelangen. Gs wäre also zu bestimmen, daß ein Prozentsatz des Ertrages der Alkoholsteuern, berechnet nach dem im Lande erzielten Konsum, den Gliedstaaten, eventuell auch den einzelnen Gemeinden und den Bezirfen zugeführt werde. Es würde dadurch die Steuerveranlagung, die Durchführung und Einhebung der Steuern wefentlich erleichtert, es würde damit auch eine sehr reichlich fließende und erträgliche Steuerquelle den einzelnen Dändern erschlofsen werden. Auf diese Notwendigkeit ist auch in dem zweiten Entwurf, welchen der Staatsfekretär der Länderkonferenz unterbreitet hat, fein oder nur unzureichender Bezug genommen. Wir wünschen, daß nach dieser Richtung hin unsere Anschauungen Berücksichtigung finden und wir werden im Verlaufe der Debatte Gelegenheit haben, diefen unferen Standpunft noch näher zu präzisieren. Auf eines lassen Sie mich noch ganz kurz hinweisen. Das ist die Frage der Ordnung des Schulwesens. Schon heute ist das Schulwesen nicht eine wirkliche zentrale Institution. Wir haben heute das Reichsvolfsschulgejet, und wenn dieses auch ursprünglich gedacht war als Gesetzwelches bestimmend das ganze Schulwefen beeinflußzt, so liegen die Dinge seit der praktischen Wirksamkeit des Reichsvolksschulgesetzes anders, es ist im Laufe der Zeit immer deutlicher hervorgetreten, daß das Reichsvolksschulgeset doch nur ein Rahmengesetz darstellt und die wichtigsten und wefentlichsten Entscheidungen vielfach in den Ländern gelegen sind. Es ist auch klar, wer die Erhaltung der Schule tragen muß, hat naturgemäß schon einen gewaltigen Einflußz auch aus die innere Geftaftung des Schulwesens selbst. In dem Augenblicke, in welchem wir darangehen, aus dem Zentralstaat einen Bundesstaat zu machen, ist es natürlich ganz undenkbar, die bisherigen Zustände etwa im Sinne des zentralistischen Staates bestehen zu lassen: es gibt nur eines, daß wir aus der Inkonsequenz zentralistischen Staates auf dem Gebiete des Schulwesens die einzig mögliche Konsequenz ableiten, das ift die Verfänderung des Schulwesens, die Erweiterung der Einflußfphäre der einzelnen fiedstaaten auf das Schulwesen. Wir werden uns erlauben auch in diesem Sinne im weiteren
17 Verlaufe der Verhandlungen unsere Anregungen noch genauer darzulegen und hoffen, daß es uns gelingen wird, selbe dem Verständnis nicht nur der Länderkonferenz und ihrer Teilnehmer, sondern später auch dem Verständnisse der Nationalversammlung näher bringen zu können. Weil ich schon von der Nationalversammlung spreche, will ich ganz kurz Bezug nehmen auf die Frage der Kompetenz über die Entscheidung in der Verfassungsfrage. Wir haben uns von Haus aus auf den Standpunkt gestellt, daß die letzte Entscheidung in dieser Angelegenheit die Nationalversamnilung zu treffen hat. Die Nationalverammluna hat eigentlich gar feine wefentlichere Aufgabe bei ihrer Neuwahl übernommen als die, den Staat zu fonftituieren, das heißt dem Staate die Verfassung zu geben. (Rufe: „Sehr richtig14) Daß sie dieser ihrer Aufgäbe bisher so fühl und fremd gegenüber gestanden ist, das ist im hohen Grade bedauerlich, und wenn sich daraus Dinge ergeben haben und Erscheinungen, die vom Standpunkte der Nationalversammlung nicht wünschenswert sind, wenn sich die Einrichtung der Länderkonferenz ergeben hat, fo ift das nicht der Ausfluk übermütiger Herrschaftsgesinnung der Länder, sondern lediglich nur das Ergebnis zwingender Logik, welche sich ergeben mußzte aus dem bisherigen bassiben Verhalten der Nationalverfammlung und wohl auch der Staatsregierung felbft. Wir find überzeugt, die Entscheidung muß in der Nationalversammlung fallen, und wir wünschen, daß diese Entscheidung sehr rasch fallen möge, daß sich die Nationalversammlung befinne, welche wichtige und bedeutungsvolle Arbeit sie mit der Schaffung der Verfassung dem gesamten Volke von Osterreich schuldig ift. Die Länderkonferenz selbst kann für sich den Anspruch erheben, erstens daß sie die Frage der Verfassungsreform in Fluk gebracht hat und zweitens daß sie die Meinungen über den Inhält der Verfassung einer wesentlichen klärung zugeführt und so überaus wertholles Material Für die Erledigung der Verfassungsreform geschaffen hat. In diesem Sinne können wir der Länderkonferenz nicht nur die Gristenzberechtiguna nicht absprechen, sondern müssen dankbar ihren Bestand anerkennen und müssen solange es notwendig und erforderlich ift. die Bestrebungen der Länderkonferenz unterstützen. Ich halte mich überzeugt, daß die Nationalbersammlung, die in minder wichtigen Fragen nicht Verzicht leistet darauf, das Urteil außzenstehender Kreise anzuhören, sicherlich nicht Verzicht leisten kann und sicherlich nicht Verzicht leisten wird auf die ehrliche Meinung eines so wichtigen Fattors, wie es die Länderfonferenzen find. In diesem Sinne wollte ich ein kurzes Wort, nicht zur Ehrenrettung, wohl aber zur Rechtfertigung der Länderkonferenz gesagt haben. (Beifall bei den Parteigenossen.) 3 224 18 Herr Vorsitzender Dr. Kintelen: Zum Worte gelangt Herr Dr. Danneberg. Herr Nationalrat Dr. Denneberg (Wien): Geehrte Herren! Mein unmittelbarer Vorredner Runschak hat gegenüber der Staatsregierung und gegenüber der Nationalversammlung den Vorwurerhoben, daß sie ihrer Aufgabe bisher nicht gerecht geworden sind. Ich muß wenigstens für meine Partei den Vorwurf zurückweisen, als ob wir Sozialdemofraten irgendwie gewillt gewesen wären, die Gesetzeswerdung der Verfassung zu verschleppen oder zu verzögern. Es ist richtig, daß die Nationalversammlung, wie wir sie heute haben, als konstituierende Nationalversammlung gewählt worden ist und aus eben diesem Grunde erachten wir die Nationalversammlung als das zuständige Forum, von dem über die Verfassung des Staates entschieden werden soll. Die Frage der Verfassung ist eine außzerordentlich wichtige, aber feineswegs die einzige Aufgabe, welche die Nationalversammlung zu löfen hat. Das wird mir der Herr Abgeordnete Kunschal zugeben müssen. Auch gegenüber einem anderen Redner, dem Herrn Landeshauptmann Endermöchte ich sagen, die Nationalversammlung hat in dem Jahre, seitdem sie beisammen ist, außzerordentlich viel Arbeit, fruchtbare Arbeit und dringende Arbeit geleistet. Sie wird, ich bin da von überzeugt, auch das Werk der Verfassung zeitgerecht zustandebringen, da alle drei Parteien die in der Nationalversammlung vertreten find. den Willen haben, die Verfassung zu machen Wir haben selbst in unserer Partei vor mehr als Monatsfrist eine Reichskonferenz abgehalten, in welcher wir verlangt haben, daß die Staatsregierung einen Entwurf über die Verfassung vorlegen soll. Dieser Entwurf liegt heute noch nicht vor sondern das, was wir hier vor uns haben, ist wie uns heute mitgeteilt wurde, eine Brivatarbeit des Staatssekretärs Dr. Mahr in einer zweiten Fassung, für welche die Anregungen, wie gesagt wurde, von der Salzburger Länderkonferenz gekommen sind. Ich für meinen Teil muß feststellen daß von den Anregungen, die die Sozialdemo kraten in Salzburg gemacht haben, leider gar kein in dem Verfassungsentwurf Nr. 2 des Herrn Staatssekretärs Dr. Mayr Aufnahme gefunden hat und daß anscheinend das, was wir auf der Länderkonferenz sagen, unbeachtet bleibt. Wie werden daher mit um so größerem Nachdrucke außzerhalb dieser Länderkonferenz und besonders in der Nationalversammlung den fozialdemotra tischen Standpunkt in der Frage der Verfassung vertreten müssen. Ich möchte bei der Gelegenheit weil uns heute ein Verfassungsentwurf von den Herren der Großdeutschen Partei vorgelegt worden ist, bemerken, daß auch im Schoße unserer Parter ein Verfassungsentwurf ausgearbeitet wurde, daß wir aber diesen Verfassungsentwurf nicht der Länderkonferenz in Linz unterbreiten, sondern da
er in Wien zur Veröffentlichung gelangen wird. Wir werden uns aber erlauben, schon im Laufe der Debatte, die hier auf dieser Konferenz geführt wird, meritorische Bestimmungen unseres Verfasfungsentwurfes vorzubringen, in Anlehnung an den Entwurf des Herrn Staatssekretärs Doktor Mayr entsprechende Abänderungsvorschläge zu machen. Die Verhandlungen in der Nationalversammlung werden uns feineswegs erspart bleiben können, denn sie ist nach unserer Meinung, wie ich noch einmal betonen möchte, der allem zuständige Ort, an dem die Frage der Verfassung entschieden werden kann. Wenn wir heute hier nach der Salzburger Konferenz neuerdings eine Generaldebatte abführen, dann möchte ich mich gleich meinem Parteifreunde Gruber darauf beschränken, die Fragen in der Generaldebatte zu erörtern, welche nicht bei den fommenden Bunften der Tagesordnung besprochen werden können, wobei ich aber gleich hinzufügen möchte, daß unser Schweigen zu mancherlei Bestimmungen des Entwurfes des Herrn Staatssekretär Dr. Mayr keineswegs bedeuten soll, daß alles, worüber wir hier nicht sprechen, unjere Zustimmung findet. Davon ist, wie ich mit besonderem Nachdruck sagen möchte, keine Rede. Gs ist unmöglich, schon der Zeit nach, den Entwurf artifelweife jo zur Grörterung zu bringen, daf man jedes Detail besprechen könnte, das in Wirklichkeit besprochen werden müßte. Eine Verfassung gründlich zu beraten ift eben in einem Zeitraume von einigen wenigen Tagen, die einer Länderfonferenz nur zur Verfügung stehen können, nicht möglich. Ich möchte mir daher erlauben, nur einige wichtige Fragen, die da auftauchen und die bei den kommenden Bunften der Tagesordnung nicht mehr erörtert werden können, hier in der Generaldebatte zu besprechen. Es hat mein unmittelbaren Herr Vorredner darauf hingewiesen, daß die Frage, ob Bundesstaat oder Einheitsstaat, bereits in Salzburg geklärt worden sei und daß es darum nicht zweckmäßig sei, auf diese Fragezurückzukommen. Wir haben in Salzburg allerdings lange Zeit über diese Frage gesprochen. Ich weiß aber nicht, meine Herren, ob das der einzige Gesichtspunkt ist, unter dem diese Frage betrachtet werden soll. Mir erscheint die Frage, wie sie formuliert ist, ob Bundesstaat-oder Einheitsstaat, überhaupt nicht die entscheidende Frage zu sein, sondern die entscheidende Frage ift vielmehr, wie ich glaube, die, wie die Kompetenzen zwischen dem Bunde und den einzelnen Ländern verteilt werden. Darauf fommt es vor allem andern an und über diese Frage haben wir in Salzburg nicht geredet, sie soll ja ein Hauptgegenftand der Beratungen auf der Länderkonferenz hier in Dinz bilden und steht bereits ja auch als nächster Punft auf der Tagesordnung. Ich will daher jetzt in der Generaldebatte nicht im Detail über die Frage der Kompetenzen reden, sondern nur ganz allgemein einiges sagen. Gs hat bereits mein Parteifreund Gruber darauf hingewiesen, daß wir in der Frage der Kompetenzen auf eine Klärung dringen müssen und daß uns Sozialdemokraten als schlechtesten Zustand der Zustand der Halbheit in diesen Dingen erscheint, Halbheiten, wie sie heute praktisch auf o vielen Gebieten der Gesetzgebung existieren. Ich erinnere an das Schulwesen, wovon in der Debatte schon gesprochen worden ist, und ich könnte erinnern z. V. an die Agrargesetzgebung, in der diese Halbheiten ja heute alles überwuchern und ein wirkliches Vorwärtskommen unmöglich machen. Ein solcher Zustand erscheint uns unerträglich und die Frage, meine Herren, ist nun im allgemeinen die, wie die Kompetenzverteilung zwischen dem Bunde und den Ländern geregelt werden soll. Da entspricht der Entwurf, glaube ich, den uns der Herr Staatssekretär Dr. Mahr vorgelegt hat, in den entscheidenden Artikeln, und wenigstens in seiner Weise. Denn auch er enthält Halbheiten. Auch er versucht Kompromisse, wo Kompromisse nicht geschlossen werden können, und er sucht, wie wir beim nächsten Punkt der Tagezordnung nachzuweisen noch Gelegenheit haben werden, die Rompromisse immer in ganz betimmter Richtung zu machen. Wenn dieser Entwurf auch nicht der Entwurf einer Partei, sondern eben der Entwurf des Staatssekretärs Herrn Dr. Mahr als Person ist, so ist doch die Parteitendenz dieses Entwurfes gerade in den Salbheiten dieser Kompetenzbestimmungen ganz unverfennbar. Was nun das Schulwesen anbelangt, so muß ich sagen, daß ich hier mit den Ausführungen des Herrn Landeshauptmannftellvertreters Langoth ehr übereinstimme. Eine zentralistische Behändlung des Schulwefens erscheint uns als entsprechend. Weinn die Herren der Auffassung sind, waß es nicht so gemacht werden soll und wenn die Herren in dieser Richtung föderalistische Anchauungen haben, so wird der weitere Ffortgang der Dinge zeigen, ob die zentralistische Auffassung auf dem Gebiete des Schulwesens siegen kann. Wenn sie aber nicht siegen kann, dann darf nicht ein Zustand der Halbheit aufrecht bleiben, der heute auf dem Gebiete des Schulwesens vorhanden ist, sondern dann muß diese wichtige Materie( besondere die Frage der Kompetenzberteilung in grundlegend neu geregelt werden. Während der Entwurf der Grofdeutschen Partei sich in diesem Punkte flar ausdrückt — er nimmt vom Schulwefen allerdings das heraus, was wir auch nicht möchten, er nimmt die land- und forftwirtschaftlichen Schulen heraus —, weift er in anderer Hinsicht dieselben Salbheiten auf wie der des Staatssekretärs Professor Dr. Mahr. Ich kann nicht umhin, schon hier auf einen Punkt hinzuweisen, den, wenn ich nicht irre, Herr Landeshauptmannftellvertreter Langoth in feiner Rede selber erwähnt hat. Im Artikel VIII des Grofdeutschen Entwurfes finden wir zum Beispiel als zum grundsätzlichen Wirkungskreis des Bundes
19 gehörig unter Punkt 9 die Organisation und Verwendung der Gendarmerie sowie Polizei außerhalb Wiens und im Artikel VI, wo diejenigen Agenden aufgezählt sind, für die der Bund Gesetzgebung und Verwaltung hat, finden wir außer dem Bundesheer auch die Sicherheitswehr in Wien. Die Herren sind der Meinung, daß man die wichtige Frage der Gendarmerie und Volizei und Sicherheitswehr in der Bundeshauptstadt, in dem Lande Wien, an das auch Sie denfen, anders regeln foll als im Lande Tirol. Steiermark und Vorarlberg. Das, meine Herren, ist eine Zwitterauffassung, zu der wir Sozialdemokraten unsere Zustimmung niemals geben werden. Das möchte ich mit aller Deutlichkeit erklären. Diese Fräge muß, so wie das Schulwesen, in ganz klarer Weise eindeutig gelöst werden, anders kann unerer Meinung nach eine Verfassung nicht zustande. kommen. Gs wird die ganze Ffrage der Kompetenz nicht zu prüfen sein unter dem engherzigen Standpunkte eines Streites um die Macht zwischen den Vürokraten des Bundes und der Länder, sondern die Frage der Kompetenzverteilung, verehrte Herren, scheint mir vor allem gelöst werden zu müssen unter dem Gesichtspunkte, wie das wirtschaftliche Leben in diesem Staate am beften gedeihen kann. Gs hat ein ehemaliger Staatsekretär der Republik sich zwar eben höchft despektierlich über die Republik ausgesprochen (Zwischenruf Dr. Steinwender: „über die Republik habe ich nicht geschimpft!-) und abfällig geäußzert und hier gesagt: „Diesen Staat lieben wir nicht, diesen Staat achten wir nichtl“ Das zu sagen ist Gechmacksache. Wir lieben den Friedensvertrag nicht, auf Grund dessen der Staat entstanden ist. Ermuß aber refpeftiert werden unter dem Zwange, der uns auferleat ift. Die Frage ist nur die, wie wir unter den heutigen Zwangsverhältnissen, die der Friede von St. Germain geschaffen hat, leben können. Die Frage ist die, wie wir unser Leben unter den unerträglichen Verhältnissen, die dieser Friedensvertrag geschaffen hat, noch halbwegs möglich einrichten. Unter diesen Gesichtspunkten ist meines Grachtens die Verfassung zu betrachten und insallen wirtschaftlichen Belangen. Unter diesen Geichtspunkten, glaube ich, wird daher auch der Entwurf des Herrn Professors Dr. Mahr zu prüfen ein. EEine andere Frage, die eine fehr große Kolle pielt und auf die Herr Landeshauptmann Doktor Ender bereits zu sprechen gekommen ift, scheint mir die, daß die Ordnung der Dinge in der Verfassung so erfolgt, daß der Streit zwischen den Ländern und dem Bunde möglichst vermieden wird und daß die Sicherheit für die Austragung aller Streitigkeiten auf legalem Wege geschaffen wird. Wir haben alles Interesse daran, daß der Staat zur Ruhe kommt, und er wird nur zur Ruhe 20 kommen können, wenn die fortgefekzten Reibereien zwischen den Ländern und dem Staate aufhören. Darum erscheint uns die Schaffung einer aus-(umfakt, welche die Stellung eines selbständigen reichenden Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit fehr notwendig. Und wenn Herr Landeshaubtmannn Dr. Gnder in dieser Sinsicht gegenüber dem Entwurfe des Herrn Professors Doktor Mayr lebhafte Bedenken geltend gemacht hat, weil die Bestimmungen des Entwurfes zu weit gehen, so muß ich umgekehrt sagen, daß mir diese Bestimmungen noch zu wenig weitgehend erscheinen und hier noch andere Sicherungen geschaffen werden. müssen als die in vieler Hinsicht sehr nützlichen Sicherungen, die der Entwurf des Herrn Professors Dr. Mahr enthält. Was die Finanzfrage anbelangt, möchte ich mich jekt in der Generaldébatte nicht näher äußzern. Wir werden Gelegenheit haben, bei einem eigenen Bunkte der Tagesordnung darüber zu sprechen. Iich gehe daher auf die Ausführungen des Herrn Staatsfekretärs a. D. Dr. Steinwender nicht ein. Er wird ja seine Finanzpläne bei diesem Punkte der Tagesordnung noch näher erörtern und vielleicht eraibt sich dann Gelegenheit, über die Sünden zu reden, von denen er gesprochen hat, über die Sünden der neuen Zeit, unter denen er nichts anderes verstehen kann als die Sünden in der Zeit nach dem Umsturz (Herr Dr. Steinwender Sväter!") bis heute. Ob der Herr Staatsekretär a. D. feine eigenen Sünden gemeint hat Seiterkeit) oder die anderer, hat er nicht deutlich gesagt. Vielleicht bekommen wir darüber bei dem beziellen Bunfte der Tagesordnung einige Aufklärungen. Im übrigen enthalte ich mich näherer Ausführungen über die Finanzfrage, denn wir werden sie noch eingehend besprechen müssen. Nun gestatten Sie mir, meine verehrten Herren, noch auf einige Punkte zurückzukommen, wie gesagt feineswegs auf alle, weil ich sonft einige Stunden lang reden müßte, um alles das, was wir gegenüber dem Entwurfe des Staatsjekretärs Dr. Mahr einzuwenden hätten, vorzubringen. Ich möchte nur einige wichtige Punkte unterstreichen. (Fs ist bezüglich des Burgenlandes im Entwurfe des Professors Mahr eine Formulierung, die nicht richtig ift, weil das Burgenland heute noch nicht zur Republik Deutschöfterreich gehört. Wir sind der Meinung, daß in unsere Verfassung, sofern in dem Zeitbunkt, als sie zu stande kommt, das Burgenland noch nicht zu Deutschöfterreich gehört, ein Passus aufgenommen werden soll, der das Selbsthestimmungsrecht des Landes sicherftellt; denn wir wollen dieses Land nicht gewaltsam angliedern, sondern, wie ein Beschluß der Nationalversammlung agt: Nachdem die Bevölkerung dieses Landes die Möglichkeit gehabt hat, in freier Selbftbestimmung über seine Ungliederung an Deutschöfterreich zu entscheiden. Im Entwurf des Herrn Staatssekretärs Doktor Wahr ist auch davon die Rede, daß das Bundes-
gebiet neben den Gebieten der selbständigen Länder auch das Gebiet der Bundeshaubtstadt WienLandes hat. Auch diese Formel erscheint uns nicht annehmbar und zwar deshalb, weil wir feineswegs überzeugt find, daß die Bundeshauptstadt Wien allein ein Land bilden wird, sondern wenn die Frage der Trennung Wiens von Niederöfterreich auf der Tagesordnung steht, dann — das haben wir auch im Wiener Gemeinderat erklärt — erachten wir die Frage, so gestellt, wie soll das Land Niederösterreich neu geteilt werden und welche zweiLänder sind nunmehr zu schaffen? Wie diese Fragegelöst werden wird, können wir heute noch nicht agen. Auf keinen Fall sind wir der Meinung, daß die Linzer Länderkonferenz das zuständiget Forum zur Erörterung dieser Frage ist. (Rufe bei den Parteigenossen:„Sehr richtig!) In diesem Punkte stimme ich dem Herrn Landeshaubtmannstellvertreter Langoth vollkommen zu, daß das eine Ungelegenheit ift. die in Niederöfterreich erörtert und entschieden werden muß. (s hat mein Kollege Gruber im Aufammenhang mit dieser Frage schon auf ein anderes sehr wichtiges Rapitel hingewiesen, das ich mit Nachdruck noch einmal hervorheben möchte. Es wird ein Bundesstaat geschaffen und es erscheint hier als eine gegebene Tatjache, wenigstens für sehr viele Herren, daß die Länder so wie sie historisch geworden sind mit den Grenzänderungen, wie sie der Friedensvertrag bestimmt hat, als Mitglieder diesem Bunde beitreten. Wir Sozialdemokraten ind der Meinung, daß diese historischen Grenzen feineswegs entscheidend sein müssen und daß, wenn die Länder sich jetzt zu einem Bund zusammenchließen, die ganze Frage der Landesgrenzen unter dem Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit entsprechend den Bedürfnissen der neuen Zeit erörtert werden müsse. Und dann wird es nicht nur eine Frage von Wien und Niederösterreich geben, ondern es wird vielleicht mancherlei andere Fragen geben und genau dasselbe Recht, das heute irgend ein Land gegenüber dem Staat in Ansprachnimmt, werden dann auch einzelne Teile der Länder in Anspruch nehmen können. Denn wenn es ein gewisses Recht der Selbstbestimmung für Tirol, Vorarlberg und jedes andere Land gegenüber dem Bunde gibt, dann müssen auch Teile von Ländern gegenüber dem Lande dieses Recht der Selbstbestimmung haben und darüber entscheiden dürfen, ob sie überhaupt bei dem Lande, zu dem ie im Laufe der Fahrhunderte gekommen sind, unter den geänderten Wirtschaftsverhältnissen unserer Zeit bleiben wollen oder ob sie nicht dort bleiben wollen. Und wenn wir die Landesgrenzen — Herr Landesrat Rejel hat das in Salzburg eingehend getan — unter diesem Gesichtspunkte betrachten, werden Sie zugeben müssen, daß Grenzveränderungen beinahe in jedem Lande, das wir haben, in irgend einem Kunfte erforderlich wären, in Tirol ebenso wie in Steiermark, in Salzburg, Oberösterreich und Niederöfterreich. In diesen Ländern entstehen sofort offene Fragen und daher erscheint es mir, daß es jehr wesentlich wäre. daß wir da- Selbstbestimmungsrecht in, dieser Hinsicht nicht einschränken und daß die historischen (renzen feineswegs entscheidend sein dürfen für die Zugehörigkeit irgend welchen Bebietes zu einem bestimmten Lande. Wir haben daher in unjerem Verfassungsentwürfe gleich vorne als Artikel 4 eine Bestimmung, welche ich mit Erlaubnis des Herrn Vorsitzenden zur Verlesung bringen werde. Gs heißt dort: „Wenn Gemeinden, deren Einwohner die Mehrheit in einem zusammenhängenden Landesgebieté bilden, es verlangen, hat in diesem Gebiete eine Volksubstimmung darüber stattzufinden, ob dieses Gebiet einem anderen angrenzenden Lande angegliedert werden oder ein neues Landbilden soll. Entscheidet die Volksabstimmung mit absoluter Mehrheit der gültig üogegebenen Stimmen für die Ungliederung an das ändere Land, dann erfolgt die Gebietsänderung durch einfaches Gesetz dieses Landes. Entscheidet die Voltsabstimmung für die Vildung eines neuen Landes, dann ift, wenn das Gebiet wenigftens 140.000 Einwohner zählt durch den Präsidenten des Bundestages nach dem Bundestagswahlrecht ein verfassunggebender Landtag zur Konstituierung des neues Landes einzuberufen. Das Nähere regelt ein Bundesgesetzüber Streitigkeiten, die aus vermögensrechtlichen Auseinandersetzungen zwischen den Ländern in solchen FFällen entsreyen, entcheidet der Verfassungsgerichtshof.1 Diese Bestimmung, meine Herren, erscheinmir fundamental für die neue Verfassung. Wir haben hier für die Bildung eines neues Landes die Ziffer von 140.000 Einwohnern angenommen, d. 1. die Einwohnerzahl des kleinsten Ländes, das wir haben, die Einwohnerzahl Vorarlbergs. Wenrein zusammenhängendes Gebiet im Staate der Wunsch hat, ein eigenes Land zu bilden, dann darf man ihm die Durchführung dieses Wünsches nicht unmöglich machen. Das ist nicht irgend etwas Abstrüses, das wir eigens erfunden haben sondern, meine Herren, das geht zurück auf eine Bestimmung, die wir in der Deutschen Reichsverfassung finden und die einen ähnlichen Gedanken enthält. Artikel 18 der Deutschen Reichsverfassung bestimmt, daß, die Gliederung des Reiches und der Länder unter möglichster Berücksichtigung des Willens der beteiligten Bevolterung der wirtschaftlichen und Tuiturellen Höchstleiftung des Volkes dienen soll-. Es heißt also hier auch: „Unter möglichster Berücksichtigung des Willens der beteiligten Bevölkerung.
21 Auch die deutsche Verfassung betrachtet die heutigen Länder, die das Bundesgebiet bilden, nicht als endgültig gebildet in Bezug auf ihre Grenzen, sondern sie gibt die Möglichkeit von Grenzänderungen in einem Artifel, der sich dann noch sehr ausführlich über diesen Gegenstand verbreitet. (3 scheint uns daher, daß die Aufnahme des von mir verlesenen Artikels in unsere neue Verfassung und zwar gleich vorn als Artikel 4 außerordentlich wichtig wäre, um das Recht der Bevölkerung zusammenhängender, entsprechend großer Gebietsteile zu sichern. Das ist eine sehr wichtige Frage. Eine andere Frage, meine Herren, ist dann die Frage des Junktims mit der Verwaltungsreform. Ich möchte hier dem Herrn LandesHauptmannstellvertreter Gruber vollkommen beipflichten. Es hat zwar Herr Landeshauptmann Ender gegen den Standpunft, der ein Junktim zwischen Verwaltungs- und Verfassungsreform verlangt, eingewendet, baß es eine große uni schöne Aufgabe wäre, wenn eine Körperschaft, wie die Nationalversammlung, die Verfassung beschließt und daß man dann die Beratung und Beschlußfassung über die Verwaltungsreform einem neuen Parlamente überlassen soll. Das, meine Herren, erscheint uns Sozialdemokraten unmöglich. Gs entspricht nicht den Koalitionsbereinbarungen, was ich nur ganz nebenbei hemerke, denn diese Roalitionsvereinbarungen find von der Geehrten Gegenseite in Bezug auf die Verfassung bereits gründlich verlassen worden, wie auch der Entwurf des Herrn Staatssekretärs zeigt, und darum glauben wir, daß auch wir durchaus nicht in allen Details an diese Roalitionsbereinbarungen in der Verfaffungsfrage gebunden find. Aber nicht das ist das Entscheidende, sondern entscheidend ist folgendes: Die Verfassung, die wir machen wollen, soll das Recht der Länder sichern gegenüber dem BundtDie Verwaltungsreform, Verehrte Herren, ist auch ein Stück Verfassungsreform und hat die Rechte der Bezirke innerhalb der Länder zu sichern. Das sind zwei Dinge, die abfolut zusammenhängen, die nicht in einem Gefekze geregelt werden können, die aber eine zufammenhängende Materie bilden. Und ich kann mit nicht vorstellen, daß man die Löfung der zweiten Fräge einem ganz anderen Parlament überläßt als die der erften; denn das sind Dinge, die unmittelbar zufammen gelöft werden müfsen. Das Verfassungsgesetz löst die Fräge, welches Rechhaben die Länder gegenüber dem Bunde, die Verwaltungsreform löft die Frage, welche Rechte haben die Bezirke innerhalb des Landes. Ich bedaure es lebhaft, daß Herr Staatssekretär Professor Dr. Mayr uns nicht, wenn schon nicht in Salzburg, so doch wenigstens in Dinz eine Vyrlage über die Verwaltungsreform vorgelegt hat.
226 22 Da er schon eine Privatarbeit auf diesem Gebiete macht, so hätte er seine Privatarbeit hier fortsetzen sollen. Ich muß feststellen, daß diese unsere Anregungen in Salzburg auch nach dieser Richtung leider unbeachtet geblieben sind. Ich kann nur erklären, daß es der unberrückbare Standpunkt meiner Partei ist, daß diese beiden Fragen nur gemeinsam, aber nicht nacheinanden von zwei verschiedenen Parlamenten gelöst werden können. Dann noch ein Wort zu einer anderen grundsätzlichen Frage. In dem Entwurfe der Herren der Großdeutschen Partei, worauf Herr Landeshauptmannstellvertreter Langoth auch besonders hingewiesen hat, finden wir gleich in Artikel 1 ein wichtiges Wort: „Jeder Staatsbürger“, heißt es da, „hat Anteil an der wirtschaftlichen und politischen Macht der Gesamtheit.“ Und mit besonderem Nachdruck hat Herr Landeshauptmannftellvertreter Langoth darauf hingewiesen, daß diesem Wort „,Wirtschaftliche Macht“ besondere Bedeutung zukommt, und er hat dann auch noch erwähnt, daß im Artikel 32 des Entwurfes von einer Ordnung des Wirtschaftslebens nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit mit dem Ziele einer angemefsenen Unteilnahme aller Schaffenden an dem Ertrage der Organisation der Wirtschaft in der Verfässung berührt wird, was in dem Entwurfe des Herrn Staatsfekretärs Dr. Mahr leider nicht der Fall ist, in der deutschen Reichsverfassung allerdings in ausgiebiger Weise geschieht. Wir sind aber der Meinung, daß der Verfassungsentwurf, wenn er natürlich auch nicht viele Einzelheiten in diefer Frage bringen kann, sich doch klarer und deutlicher ausdrücken mußz als der Entwurf der Herren der Grofzdeutschen Partei. Denn was will es sagen, verehrte Herren, wenn hier davon gesprochen wird, daß die Ordnung des Wirtschaftslebens nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit erfolgen foll mit dem Ziele einer angemessenen Anteilnahme aller Schaffenden an dem Ertrage der Volkswirtschaft? Das sind sehr schöne Redensarten, aber verzeihen Sie, doch eben nur Redensarten, die keinen wirklichen Inhalt haben Gs scheint mir, daß man den Gedanken, der ja, wenn auch nicht so wie ich es meine, aber ähnlich an anderer Stelle des Entwurfes der Großdeutschen Partei vorkommt, deutlich zum Ausdrucke bringen müßte, den Sozialisierungsgedanken, der unsere Zeit trot allem erfüllt. Und in dieser Richtung, verehrte Herren, möchte ich mir erlauben vorzuschlagen, daß in den Entwurf der Verfassung auch ein eigener Artikel über diese Frage aufgenommen werden soll. Ich möchte diesen Artikel, wie wir ihn in unserem Entwürhaben, den Herren mit Erlaubnis des Vorsitzenden ebenfalss zur Verlesung bringen (lieft):
„Die Organisation der Gütererzeugung und der Güterverteilung ift Aufaabe des Bündes. Durch planmäßigen Aufbau dieser Organisation ist die politische Demokratie zur wirtschaftlichen Demokratie auszubauen. Der Bund hat das Recht, zu diesem Zwecke einzelne Wirtschaftsbetriebe und ganze Zweige der Voltswirtschaft in das Gemeineigentum zu überführen und ihre Verwaltung unter Mitwirkung der Arbeiter und Ungeftellten, die in diesen Wirtschaftsbetrieben und Wirtschaftszweigen tätig sind, sowie der Verbraucher, die die Erzeugnisse oder die Dienfte dieser Wirtschaftszweige benötigen, zu organisieren. Der Bund kann dieses Recht auch den Ländern oder den Gemeinden übertragen oder es unter der Mitwirkung der Länder oder Gemeinden ausüben. Zu dem elben Zweck hat der Bund das Recht, Zweige der Volkswirtschaft, die nicht in das Gemeineigentum überführt find, unter die Oberverwaltung und Aufsicht wirtschaftlicher Selbstverwaltung zu stellen. Die Mitwirfung der Arbeiter und Angestellten an der wirtschaftlichen Selbstberwaltung ist gewährleistet. Den Arbeitern und Angestellten fann in den Vertretungstörpern, die die wirtschaftliche Selbftverwaltung besorgen, in feinem Falle ein geringerer Ginfluß zugestanden werden als den Unternehmern. Desgleichen sind die VerVolkswirtschaft gesprochen wird. Wir sind mit (braucher zur wirtschaftlichen Selbstverwaltung dem Prinzibe einverstanden, daß die Frage der heranzuziehen. Die Mitwirkung der Betriebsräte der Gewerkschaften und Verufsvereine der Arbeiten und Ungeftellten und der Rammern für Arbeiter und Angeftellte sowie der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften der Landwirte und der Arbeiter und der Ungeftellten an der wirtschaftlichen Selbstverwaltung ist gewährleistet.“ Das sind, meine Herren, auch nicht Einzelbestimmungen, die Sache der Detailgesetzgebung sind. Sie enthalten aber doch einen Rahmen und zwar einen Rahmen, der schon Bezug nimmt auf die Gefeßgebung, wie wir fie heute in Ofterreicht bereits haben. Wir sind der Ansicht, daß eine solche Bestimmung in die Verfassung Aufnahme finden müsse. Dann, meine Herren, noch ein Wort über die Präsidentschaft und den Bundesrat. Hiermöchte ich zunächft eine vielleicht unklare Äüßerung meines Parteifreundes Gruber richtigstellen. Bezüglich der Präsidentschaft haben wir Sozialdemokraten in Salzburg die Erklärung abgegeben, daß wir den gegenwärtigen Zustand für entsprechend halten und uns däher eine Änderung nicht notwendig erscheint. In dem ersten Entwurfe des Herrn Staatssekretärs Dr. Mahr war diese Fassung auch beibehalten. Der zweite Entwurf, den wir heute haben, ändert die Sache fehr und fieht einen Präsidenten vor, der durch die Volksabstimmung gewählt wird. Mit dieser Auffassung können wir uns auf keinen Fall befreunden, nicht etwa weil wir Feinde einer Volksabstimmung wären, sondern deshalb, weil eine Wahl des Präsidenten durch das Volk, wie ich mir schon erlaubt habe in Salzbura auszuführen, immer ein zäsaristisches Glement enthält und wir keineswegs den Wunsch haben, daß eine solche Wahl das Erperimentierhat in den kritischen Tagen der deutschen Republik im vorigen Monate schon erlebt, wozu eine solche Bestimmung auseriehen sein kann. Wir wünschen, daß die Republik zur Ruhe komme und daß derartigen Experimenten nicht durch die Verfassung Vorschub geleistet werden solle. Daher erscheint uns der Vorschlag, den Präsidenten durch das Volk wählen zu lassen, als unannehmbar. Wir meinen, daß der gegenwärtige Zustand, insbesondere für einen so kleinen Staat, wie es die Republik Deutschöfterreich ist, zweckentsprechend ist und daß diese Form der Präsidentschaft auch die annehmbarfte ist für den Fall, mit dem wir immer rechnen, daß über kurz oder lang die Frage des Anschlusses an Deutschland aktuell wird, weil dann die Präsidentschaft in der Form, wie sie hier im Entwürfe steht, auch kaum denkbar und aufrecht zu erhalten wäre. Es gibt vielleicht einen Mittelweg zwischen der Meinung, wie wir sie haben und der Meinung, wie sie im Entwurfe des Herrn Staatsjefretärs zum Ausdrucke fommt. Gs wäre denkbar, wie es mein Kollege Gruber ausgefprochen hat, daß der Präsident des Bundes nicht identisch ist mit dem Präsidenten des Bundeötages, daß er aber auch nicht gewählt wird durch das Volk, sondern gewählt wird durch das Parlament. In diesem Falle ist es nach unserer Meinung selbstverständlich, daß das Recht der Wahl des Präsidenten dem Bundestag allein zustehen müßte. Dann, verehrte Herren, in dem Punkte Bundestag und Bundesrat sind wir Sözialdemokraten anderer Meinung als der Entwurf des Staatssekretärs Mahr. Wir haben in Salzburg eingehend über die Ffrage „Bundesrat“ gesprochen und das, was wir in unserer Meinungsäußerung in Salzburg feftgeleat haben, das halten wir heute noch immer aufrecht. Wir haben als übereinstimmende Meinungzäußjerung unserer Partei für alle Länder zum Auzdrucke gebracht: „Wir sind arundsätzlich für das Einkammersystem. Sollte trotzdem eine Länderkammer zu stande fommen, so verlangen wir, daß die Länder entsprechend ihrer Bevölferungszahl darin vertreten werden und daß diese Kammer nicht den Charakter eines Herrenhaufes hat.“ Zwei Wünsche sind hier formuliert. Die usammensetzung und Kompetenz kommen in Ffrage.) tages ernfthaft einschränkt, keineswegs eine KomIn beiden Fragen befriedigt und der Entwurf des Staatssekretärs Dr. Mahr in keiner Weise. Es ist zwar die Bestimmung über die Zusammensetzung des Bundesrates geändert gegenüber der ersten kassung, aber nicht so geändert, wie wir es wünschen müßten. Denn wir sehen nicht ein, warum der Bundesrat anders zusammengesetzt werden sollte als entsprechend der Bevölkerungszahl der einzelnen
23 Länder. Der Entwurf des Staatssekretärs Doktor Mayr sieht diese Bestimmung nicht vor, sondern enthält eine Konstruktion, die immer noch eine argeBenachteiligung gerade der volksreichen Länder feld reaktionärer Bestrebungen werden soll. Man( darstellt. Dem, meine Herren, könnten wir absolut nicht zustimmen. Wir können aber auch nicht zustimmen der Kompetenzabgrenzung, welche der Entwurf des Staatssekretärs Dr. Mähr dem Bundesrate gibt. Nach dem Entwurfe des Staatsfekretärs hat der Bundesrat in der Tat den Charakter eines Herrenhauses. Der Entwurf des Staatssekretärs spricht davon, daß der Bundesrat die Gesehesbeschlüsse des Bundestages zu genehmigen häbe. Er fieht allerdings für Konfliktfälle eine Volksabstimmung vor. Eine Genehmigung der Gefekesbeschlüsse des Bundestages durch den Bundesrat macht das Herrenhaus aus. Das ist die zweite Kamimer, die uns vollkommen überflüssig erscheint. Im Zusammenhange damit möchte ich sagen, daß die Ffrage der Ausdehnung des Referendums auch erst sehr genau erwogen werden müßte. Die Volksabstimmung ist ein Programmpunkt unserer Partei und wir sind nicht gegen die Volfsabstimmung. Aber wir glauben, daß die Erfahrungen in der Schweiz zur Genüge gezeigt haben, daß Volksabstimmungen nicht eine tägliche Erscheinung im politischen Leben sein können, sondern nur etwas ganz Außerordentliches. Und wenn allgemein bei Nichtübereinstimmung der beiden Häufer, wie es im Entwurfe des Herrn Staatssekretärs heißt. Volkäabstimmungen gemacht werden müßten, dann kämen wir bei unseren Verhältnissen wahrscheinlich aus den Volfsabstimmungen gar nie heraus, d. h. es«würden alle Gesetze braktisch verschleppt werden und so würde fortgesetzt ein ungeheurer politischer Wirrwarr entstehen. Das aber ist kein Zustand, den der Staat in der heutigen Zeit verträgt, von den ungeheuren Kosten solcher fortgesetzter Volksabstimmungen gar nicht zu reden. Daher scheint es uns, daß man das Brinzip der Volksabstimmung einschränken müßte auf besonders wichtige Fragen, auf die Verfassungsfrage, daß man aber nicht bei jeder Kleinigkeit gleicheine Volksabstimmung im ganzen Bunde anordnen kann. Was die Kompetenz des Bundesrates selber anlangt, so könnten wir, wenn ein Bundesrat überhaupt gebildet wird, und auch wenn er proportional entsprechend der Bevölkerungszahl zusammengefetzt wird, ihm keineswegs eine Kompetenz zugestehen, die die Kompetenz des Bundespetenz, die von seiner Genehmigung allein irgendetwas abhängig macht, keineswegs die Kompetenz einer zweiten Kamtmer. Wir könnten uns vorstellen, daß ein Bundesrat folgende Kompetenz hat: Daß er, wenn der Bundestag ein Gesetzbeschließt, ein Vetorecht hat, in demselben Sinne, wie es jeßt nach den geltenden Verfassungsgesetzen der Staatsregierung zusteht, und daß, 227 24 wenn der Bundesrat sein Veto einlegt, der Bundestag sich noch einmal mit dem Gesetze beschäftigen müßte: wenn aber dann der Bundestag zum zweiten Male das Gefetz gleichlautend beschließt, dann müßte es wirklich Gesetz werden und Geltung erlangen. Das wäre eine Vestimmung, so ähnlich etwa, wie sie in der amerikanischen Verfassung besteht. Dort hat ein solches Vetorecht der Präsident — allerdings nicht das, —, sondern was bei uns der Bundesrat hätte das Vetorecht des Präsidenten ist dort gegenüber dem Kongresse in ähnlicher Weise, wie wir es hier dem Bundesrate gegenüber dem Bundestag geben würden, konstruiert. Das wäre also eine Möglichkeit. Eine andere Möglichkeit wäre auch die, daß dieser Bundesrat sich mit den Gesetzesbeschlüssen der Länder befaßt. Gs ist ja vorgesehen, daß die Staatsregierung ein Vetorecht gegenüber den Landtagsbeschlüssen hat. Dieses Vetorecht könnte auch dem Bundesrate zugestanden werden und zwar in der Form, daß, wenn etwa der Bundesrat dem Veto der Staatsregierung beitritt, dann in einem folchen Falle der neue Beschluß des Landtages gleichlautend mit dem alten unter besonderen Sicherungen zustände kommen müßte, wenn die Landesgesetze wirklich Gefetz werden follen. Eine folche Kompetenz und dann etwa auch eine Mitwirkung des Bundesrates bei der Zusammenfetzung der obersten Gerichtshöfe im Staate, eine folche Kompetenz könnten wir uns vorstellen: eine Kompetenz aber in dem Sinne, wie sie der Entwurf des Herrn Profeiors Dr. Mahr vorsieht, erscheint uns für den Bundesrat unmöglich, weil dadurch ganz überFlüssigerweise das Recht des Bundestages eingeschränkt wird. Im übrigen, meine Herren, werden wir Gelegenheit haben, in der Spezialdebatte ja eingehend über die Sauptfrage in dem Entwurfe des Herrn Staatsfekretärs Dr. Mann zu sprechen. Ich kann mich daher darauf beschränken, diese prinzipiellen Äußzerungen in der Generaldebatte abzugeben, und möchte nur noch einmal betonen, daß wir Sozialdemokraten feineswegs das Zustandekommen der Verfassung irgendwie verschleppen oder irgendwie verzögern wollen und daß wir der Meinung sind, daß es der Nationalversammlung gelingen wird, die Verfassungs- und die Verwaltungsreform, ein untrennbares Ganzes find, im Rahmen der ihr zugemessenen Zeit tatsächlich zur Lösung zu bringen. (Beifall.) Herr Vorsitzender Dr. Rintelen: Herr Staatsfekretär Prof. Dr. Mahr hat das Wort. Herr Staatssekretär Prof. Dr. Mahr: Ich habe mir vor Abschluß der Generaldebatte nur zu einer furzen Erklärung das Wort erbeten. Und zwar gedenke ich es in erfter Linie wieder so zu halten wie in Salzburg, daß ich mich in eine Polemik über die Reden der verehrten Herren Vorredner nicht weiter einlasse, sondern
höchstens, soweit ich es für notwendig halte, mir Richtigstellungen vorzunehmen erlaube. Im übrigen werde ich mich rezeptiv verhalten. Ich möchte in diesem Sinne nur auf zwei Bemerkungen des verehrten unmittelbaren Herrn Vorredners Dottor Danneberg folgendes sagen. Es ist richtig, daß ich die Koalitionsvereinbarungen in einem Punkte, allerdings nur in diesem einem Punkte, verlassen habe und das ist die Präsidentschaftsrage. Sonst bin ich mir nicht bewußt, gegen die Roalitionsbereinbarungen irgendwie verftoßen. zu haben. Ich habe das getan ohne jede Rücksicht auf die augenblickliche Parteistimmung oder die politischen Vorgänge, sondern weil ich mehr und mehr die Überzeugung gewonnen habe, daß dem demokratischen Prinzip am besten entsprochen wird, einen eigenen Präsidenten durch das Volkwählen zu lassen. Herr Dr. Danneberg hat auch darauf hingewiesen, daß ich einen Entwurf über die Verwaltungsreform hätte vorlegen können. Verehrte Herren! Ich erinnere daran, daß gerade das Sauptorgan der fozialdemokratischen Partei mir bisher eine faninchenartige Fruchtbarkeit vorgeworfen hat. Wenn ich nun auch schon den Entwurf über die Verwaltungsreform vorgelegt hätte, weiß ich nicht, was dann geschehen wäre. Im übrigen kann ich verraten, daß solche Vorentwürfe tatsächlich schon gemacht worden sind. und daß ich wohl, wenn die Notwendigkeit sich ergibt, damit auch, wenigstens teilweise, herausrücken kann. Ich möchte nur noch eine kurze Erflärung abgeben über den Charakter meines Vorentwurfes. 2/3 Mitglied der Staatsregierung kann ich natürlich den Herren feinen Parteientwurf vorlegen. Ich bemerke übrigens, daß es sich um keinen Gntwurf handelt, sondern um einen Vorentwurf, wie der Titel schon sagt. Und dieser Vorentwurf soll eigentlich nur die Vermittlung verfuchen zwischen den verschiedenen Parteianschauungen. 6s iſt das ja feine angenehme Arbeit. Man wird mir, das wußte ich im vorhinein und habe die Erfahrung bereits zur Genüge gemacht, fagen, daß ich das Karnikel ein müsse, auf das alles loshaut. Das ist nun einmal das unvermeidliche Schickfal, wenn man ich einer solchen Arbeit unterzieht. Wenn der zweite Versuch von der einen Seite als Verschlechterung im Sinne des Töderalismus betrachtet wird, so kann ich nur ia agen. Auf der anderen Seite wird er ja auch als keine besondere Verbesserung betrachtet. Ich habe mir in diesem zweiten Vorentwurf besonders eines vor Augen gehalten und das möchte ich hervorheben. Es gibt eben auch Kreife, die berufen sind, bei einer Auseinandersetzung zwischen dem Zentralstaat und den Ländern doch mitzusprechen, und die in diesem Stadium der Vorberatung sonst keine Möglichkeit haben, ihren Standpunkt zu kennzeichnen. Und gerade diesen Kreisen, den Staatsämtern, mögen Sie sagen: Funktionäre der Staatsregierung, gerade diesen Kreisen sollte in diesem zweiten Vorentwurt Gelegenheit gegeben werden, ihren Standpunkt gleichfalls geltend zu machen. Im übrigen betrachte ich selbst das Ganze als Berätungsmaterial. Wenn ich als Parteimann und als Abgeordneter, besonders als Abgeordneter von Tirol, den Entwurf zu machen gehabt hätte, so könnten die Herren versichert sein, daß ich selbst mit vielen Bunkten nicht einverstanden sein)
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könnte. Ich beanspruche für meine Wenigkeit nur das eine Verdienst, die Verfassungsreform- und Verwaltungsreformfrage in Fluß zu bringen und wenn ich das erreicht habe, bin ich zufrieden. Beifall.) Herr Vorsitzender Dr. Rintelen: Damit ist die heutige Sitzung geschlossen. Die Beratung findet morgen um 9 Uhr statt. Schluß der Sitzung um 6 Uhr 45 Minuten abends.): Geschäftsordndung der Länderkonferenz nach den Beschlüssen der Landerkonjerenz in Salzburg und des Geschaftspronungskomitees der zanverkonjerenz in 2inz.
(s werden drei Vorsitzende gewählt. II. Für die Verhandlungen gelten die in unferen gesetzgebenden Körperschaften üblichen Grundsätze. Wenn Antrag auf Schluß der Nednerliste geftellt und angenommen wird, so kommen noch die vorgemerkten Redner zum Worte. Wenn Antrag auf Schluß der Debatte geftellt und angenommen wird, so wird sofort die Meinungsäuyerung der verschiedenen Parteien zur Kenntnis genommen. Schluß der Nednerliste über Anträge auf oder der Debatte wird nach Köpfen abgestimmt. III. Die Feftstellung der Meinungen wird derart vorgenommen, daß für jedes Land jede Parteiihre Äußerung abgibt.
IV. Der Vorsitzende bestellt einen paritätischen Pressedienst. V. 2118 Verhandlungsgrundlage dient der Vorentwurf einer Bundesstaatsverfassung des Staatzsekretärs Dr. Mahr. Es werden der Reihe nach folgende Partien des Entwurfes zur Besprechung gebracht: 1. Kompetenz, 2. Finanzen, 3. Abschnitt IV. 4. Grund- und Freiheitsrechte, 5. Behandlung des Artifels 141. Offizieller Bereicht des Pressekomitees über die vertraulichen Beratungen am 22. ApriI.
Einz. 22. Bei der heutigen Vormittagberatung der Länderkonferenz, die den Charakter einer Ausschußberatung trug, führte Landeshauptmann Seven den Vorsitz. In durchaus ruhiger und sachlicher Form wurden punktweise die Artikel 10 und 11 des Entwurfes des Staatssekretärs Dr. Mayr durchgenommen, wobei von zahlreichen Rednern aller Parteien die bei den einzelnen Punkten bestehenden gegensätzlichen Auffassungen präzisiert würden. Artikel 10 betrifft jene Gegenstände, in denen die Gesetzgebung und Vollziehung dem Bunde zustehen sollen, während Artikel 11 die Gegenstände aufzählt, in denen dem Bunde nur die Gefeßzgebung die Vollziehung aber den Bundesgliedern überlassen bleiben soll. Bei Artikel 10 gab die Ffrage der Führung der Bürgerlisten Anlaß zu einer-längeren Debatte, an der sich die Delegierten Pölzer, Emmerling, Steiner, Langoth und Abram sowie Staatsfekretär Dr. Mahr und Sektionschef Dr. Alter beteiligten. Gs wurde namentlich vom Wiener Standpunkte aus eingewendet, daß die Bürgerlisten ein zu toftspieliger und zu schwerfälliger Apparat seien. der dem Zweck der Evidenzführung doch nicht genügend entsprechen könne. Delegierter Abram trat dafür ein, daß in den Ländern die Wählerliften von anderen als den örtlichen Organen angeleat und geführt werden follen. Landeshauptmann Dr. Gnder wendete sich daaegen, daß es dem Belieben des Bundes überlassen bleibe, eigene, direft vom Bunde abhängige Umter in den Tändern zu bestellen. Er verlangte, es müfse hinsichtlich der im Artikel 10 genannten Gegenftände in der Verfassung ausgesprochen werden, daß sich die Bundesregierung bei der Vollziehung grundsätzlich der Organe der Landesregierung zu bedienen habe. Eigene, nicht der Landesregierung, sondern direft dem betreffenden Staatsamt unterstellte Ämter sollen nur in betreff der auswärtigen Angelegenheiten, der Bundesfinanzen, des Gich- und Bunzierungswesens, des Zibil- und Strafrechtswesens, der Justizpflege, der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Urheberrechtes, der Angelegenheiten der Notare und Rechtsanwälte, Ingenieure und Ziviltechniker, der Sandels- und Gewerbefammern, des gesamten Verfehrswesens, des Post-, Telegraphen- und Fernsprechwesens, des Vermessungswesens, endlich der
Angelegenheiten der Sochschulen und fachlichen Zentrallehranftalten und der militärischen Angelegenheiten gehalten werden können. Wenn in der Zukunft weitere Gegenstände vom Bunde durch eigene Ämter in den Ländern beforgt werden. sollen, so dürfte dies nur geschehen, wenn alle Länder zustimmen oder die Verfassung diesbezüglich geändert wird. Delegierter Langoth erklärt sich mit diesem Grundfatz einverstanden, Delegierter Danneberg macht dagegen schwerwiegende Bedenken geltend und will dem Bunde diesbezügliche Freiheit gewahrt wissen. Delegierter Zwetzbacher erklärte, daß seine Partei das im Entwurf dem Bunde zugewiesene Aufforstungswesen, sowie die Angelegenheit der Schutz- und Dannwälder den Ländern vorbehalten wofle. Derfelbe Delegierte verlangte, daß das soziale Versicherungswefen, soweit es sich um land- und forstwirtschaftliche Arbeiter und Angestellte handelt, der Gefeßgebung des Bundes entzogen werde, wie dies nach dem Mahr'schen Entwürfe auch für das gesamte Arbeiterrecht und den Arbeiter- und Ungestelltenschutz bereits vorgefehen ist. Delegierter Widholz dagegen forderte auf allen diesen Gebieten die Bundestompetenz, auch für die Arbeiter und Angestellten der Land- und Forftwirtschaft. Die ausführlichste Behandlung erfuhr die Frage des Schulivesens. An der Debätte beteiligten sich die Delegierten Sequr, Dr. Mittermann, Abram, Neutler, Dr. Steinwender, Walcher, Gaß, Gruber, Speiser, Langoth, Dr. Schmidt, Preußler, Dr. Mittelberger und Staatsfekretär Dr. Mahr. Während von chriftlichjozialer Seite verlangt wurde, daß die Schulaufsicht hinsichtlich deren der Entwurf die Gesetzgebung und Vollziehung dem Bunde überläßt, den Ländern überlassen bleibe und nur das Hochschulwesen und die fachlichen Zentrallehranftalten in die ausschließliche Bundeskompetenz fallen follten, feßten sich die Vertreter der Sozialdemokraten und die Gröfzdeutschen mit allem Nachdrucke dafür ein, daß das gesamte Schulwesen, einschließlich der Schulaufsicht, eine Domäne des Bundes zu bilden habe. Von grofdeutscher Seite wurde nur hinsichtlich des land- und forstwirtschaftlichen Schulwesens eine Ausnahmezugestanden. Nur Delegierter Dr. Steinwender schloß sich im 4* 225 28 Gegenfaßze zu feinen Varteigenossen den Anschauungen der Christlichsozialen an. Delegierter Dr. Mittermann setzte sich im Sinne des Entwurfes der Grofdeutschen Vereinigung aus fulturrellen, wirtschaftlichen und nationalen Gründen ür die Verstaatlichung des gesamten Schulwesens ein und verwies auf die mit dem Mittelschulwesen des Landes Niederöfterreich gemachten Erfahrungen. Delegierter Abram kündigte den zähesten Kampf der Arbeiterklasse für die Verstaatlichung des Schulwesens an. Delegierter Speiser gab diesen Ausührungen noch dadurch Nachdruck, daß er das Programm der sozialdemokratischen Partei in die beiden Kennworte „Arbeitsschule und Ginheitschule“ zufammenfaßte. Er erflärte auch, daß, wenn chon eine Verländerung der Schule nicht zu verhindern wäre, die fozialdemokratische Partei dann ür eine vollständig reinliche Scheidung in diesem Sinne sich einsetzen würde, daß nicht nur die Schulgesetzgebung, sondern die gesamte Kulturgesetzgebung einschließlich der Ehegesetzgebung den Ländern vollständig überlassen bliebe. Delegierten Speiser verlangt ferner, daß das Volksbildungswesen zu den dem Bunde vorbehaltenen Angelegenheiten gehören folle, damit das Volfsbildungsamt gegebenenfalls im Ginvernehmen mit den fompetenten Ffaktoren in den Ländern die Volfsbildung außerhalb der Schule wirklich zu fördern in der Tage fei. Dadurch werden die freien Volksbildungsinstitutionen in ihrem Wirken nicht gehemmt sein, ebenso verlangt er; daß die Pflege von Kunft und Wissenschaft Bundessache sein müsse, wobei selbstverständlich an eine Monopolisierung dieses Verwaltungszwecfes durch den Bund gedacht ift. Auch die Gröfdeutschen sprechen sich für diese Kompetenzbestimmungen aus. Delegierter Dr. Mittelberger wies auf den hohen Stand des Volksschulwesens in Vorarlberg hin als Beweis dafür, daß bei der Verländerung der Schule es durchaus nicht auf eine Herabsetzung des Bildungsgrades abgesehen fei. Er wolle dem Bunde ohneweiters die Feftsetzung des Lehrzieles und die Aufsicht über dessen Erreichung zugestehen, nur die Wahl der Mittel und der Methöde sei viel besser den Ländern überlassen, weil die Zentrale den Verhältnissen der Länder immer fremd gegenüberstehe. Den Ausführungen dieser Redner entsprechend, wurde chriftlichsozialerseits beantragt, die pädagogisch-ditäktische Einrichtung des mittleren und niederen Schulwesens, die nach dem Entwurfe der Geseßzgebung des Bundes vorbehalten ist, aus dem Artikel 11 zu ftreichen und nur die Festsetzung des Lehrzieles an mittleren und niederen Schulen der Bundesgesetzgebung vorzubehalten. Im Zuammenhange mit den Schulfragen wurde von chriftlichsozialer Seite verlangt, daß die Ausbildung und Verufzausübung von Heilpersonen, sowie das Heilmittelwesen der ausschließlichen Bundeskompetenz entzogen werde, sowie daß die bundesstaatliche Kompetenz betreffend Stiftungen und Fonds
jene Stiftungen nicht zu berühren habe, die heute chon in der Verwaltung einzelner Länder stehen. Gegenüber der in dem Entwurfe enthaltenen Bestimmung, daß die aus Anlaß eines Krieges oder im Gefolge eines solchen zur Sicherung der einheitlichen Führung der Wirtschaft notwendig erscheinenden Maßnahmen dem Bunde zustehen sollen, beantragte Delegierter Chriftoph die Streihung der Worte ,im Gefolge“. Sektionsrat Dr. Fröhlich von der Staatstanzlei wünfchte bei dieser Gelegenheit übergangsbestimmungen, um die Kompetenz des Ernährungsamtes noch für einige Zeit zu wahren. Eine längere Wechfelrede ergab sich bei der Frage, wem das Verfügungsrecht über die Gendarmerie zufallen follte. Während der Entwurf dem Bunde das Verfügungsrecht nur insoweit zugesteht, als es sich bei Notständen und Unruhen um die zeitweilige Verwendung von Teilen der Gendarmerie außerhalb des Landesbereiches handelt, traten die Redner der fozialdemokratischen ParteiStaret, Gruber, Emmerling, Abram und DoktorDanneberg dafür ein, daß das Verfügungsrecht über die Gendarmerie ausschließlich der Bundesgewalt zuftehen folle. In der Verländerung der Gendarmerie erblickten diese Redner eine Gefahr ür den Staat und insbesondere eine Bedrohung der Arbeiterschaft. Delegierter Abram wies vorallem darauf hin, daß in einem Lande, wo der Schmuggel von Ungehörigen der Mehrheitsparteien ausgeübt werde, die dieser Mehrheit entstammende Landesregierung nicht das geeignete Organ fei, um die Gendarmerie in den Dienft der Bekämpfung des Schmuggelunwesens zu stellen. Da er sich dabei auf Erfahrungen in Tirol berief, legte Delegierter Dr. Schumacher dagegen Verwahrung ein, daß der Landesregierung Tirols eine Förderung oder Duldung des Schmuggels insinuiert werde. Dafür, daß die Gendarmerie ein Instrument in den Händen der Landesregierungen zur Aufrechterhaltung ihrer Autorität verbleibe, trat neben den chriftlichsozialen Delegierten Steiner und Dr. Schwinner namens der Großdeutschen der Delegierte Christoph ein. Hinsichtlich des Vereins- und Versammlungsrechtes, das der Entwurf nur der Gesetzgebung des Bundes, nicht aber auch der Vollziehung deselben überläßzt, forderte Dr. Danneberg auch die Vollziehung für den Bund. Das Kraftfahrwesen vill Delegierter Speiser in Übereinstimmung mit dem Entwürfe ganz der Gefetzgebung des Bundes vorbehalten, während Delegierter Dr. Rehrl diesbezüglich eine Einschränkung auf die betriebstechnischen Vorschriften für Kraftfahrzeuge wünscht. Einen besonderen Raum in der Debatte nahm die Stellung des Wasser- und Gleftrizitätsrechtes ein. Delegierter Zwetzbacher verlangte im Namender chriftlichsozialen Partei, daß das Wasserrecht und Gleftrizitätswesen (aus Artifel 11 des Bundes) ausgeschieden und in den Artikel 12 (Rahmen- gejetzaebung des Bundes) überwiesen werde. Diesem Standpunkt schloß sich auch mit Rücksicht auf den Standpunkt des steiermärkischen Landtages Abgeordneter Dr. Klusemann (großdeutsch) an. Landeshauptmannstellvertreter Vongratz (Sozialdemokrät) bekämpfte den Antrag und verlangte, daß das ganze Wasserrecht und Glektrizitätswesen dem Bunde überlassen werde mit Rücksicht darauf, daß es sich hier um große wirtschaftliche Fragen handle, die in der Regel mehrere Länder berühren. und deshalb eine fustematische Behandlung verlangen und auch für die Kreditfrage eine große Kolle fpielen. Landeshauptmann Dr. Rintelen sprach gegen den Vorredner und vertrat den chriftlichsozialen Standpunkt mit der Begründung, daß Artikel 11, Zahl 10, sich auf die Frage des Soheitsrechtes beziehe, welches unbedingt dem Lande überlassen bleiben mußz, umsomehr, als die bezüglich des Wasserrechtes aus dem bisherigen Zustand entspringe und da es auch recht und billig sei, daß derjenige, welcher die Nachteile des Wässers habe, auch dessen Vorteile genieße. Bezüglich des Gleftrizitätzwesens habe das frühere Eisenbahnministerium durch die Inanspruchnahme einer Monopolstellung nur hindernd, nicht fördernd gewirkt. Soweit die Verhältnisse mehrerer Länder gleichzeitig berührt werden, sei die vertragliche Lösung zwischen den Ländern der richtige Weg, um follidierende Interessen in Übereinstimmung zu bringen. Auch für die Kreditfrage sei die Behandlung im Lande nur fördernd. In der Frage, wer die Durchführungsverordnungen zu erlaffen habe, wenn es sich um seieke handelt, die der Bund gibt, deren Vollziehung aber den Ländern überlassen ist, sprach sich Delegierter Dr. Rehrl mit besonderem Nachdrucke dagegen aus, daß der Vund die Durchführungsverordnungen erlafse. Er berief sich dabei auf die gegenwärtige schädliche Praxis, bei der der Inhalt der Gesetze durch die nachfolgenden Durchführungsverordnungen bielfach meritorische verändert werde. Dem trat Sektionsrat Dr. Fröhlich entgegen. Dr. Danneberg erklärt die Durchführungsverordnung von Seite der Bundes regierung für unentbehrlich. Im Taufe der Debatté erhob Dr. Danneberg eine Einwendung gegen die in den Artiteln 10 und 11 vorkommendé Formulierung, daß die darin genannten Ungelegenheiten von den Ländern der Gesetzgebung des Bundes übertragen werden. richtiger müßte es nach seiner Ansicht heißen, daß der Bund den Ländern Gesetzaebungsrechte überträgt. Er verlange aber nicht, daß diefes letztere ausdrücklich ausgesprochen werde, aber man möge eine neutrale Paffung wählen.
29 Nach 12 Uhr mittags wurde die Verhandlung geschlossen. Fortsetzung 3 Uhr nachmittags. Vinz. 22. Nachmittags 3 Uhr wurde unter dem Vorsitze des Delegierten Christoph die Verhandlung zunächst in der Form der Ausschüßberatuna wieder aufgenommen und wurden in rascher Fölge die Artikel 12. 13 und 14 erlediat. Delegierter DoftorSchwinner verlangte bei Artifel 12. daß die Organisation der Verwaltung in den Ländern der Rahmengefekzgebung des Bundes entzoaen werde. Man möge diese Aufgabe den Ländern überlassen, die Kontrolle bleibe ohnedies dem Bunde vorbehalten. Dr. Schmidt (großdeutich) schloß sich dieser Auffassung an, Delegierter Speiser und Minisierialsekretär Dr. Mannlicher sprachen sich dagegen aus mit Rücksicht auf das Interesse, das die Bebölkerung an der einheitlichen Organisation der Verwaltung habe und wofür auch verwaltungstechnische Interessen sprechen. Die Delegierten Speifer, Dr. Schmidt, Zwehbacher, Widholz, Dr. Schwinner und Dr. Klusemann ftellten bei Artikel 12 neuerdings furz ihren grundsätzlichen Standpunkt in der Schulfrage und in der Frage der Sozialversicherung und des Arbeiterschutzes fest. Delegierter Dr. Rehrl trat ür die einheitliche Regelung des Dienftrechtes aller Beamten, gleichgültig ob Bundesbeamte oder Landesbeamte, welche behördliche Aufgaben erfüllen haben, ein, zum Unterschiede von jenen Beamten, denen nur wirtschaftliche Verwaltungsaufgaben zugewiesen find. Zum Artikel 13 brachte Delegierter DoktorSchwinner einen ausführlichen Antraa ein, der des Näheren vorfieht, unter welchen Bedingungen die Zuständigkeit für einen Vollzugsakt, der anich in den Wirkungskreis der Länder zu fallen hätte, auf den Bund übergeht. Dr. Klusemann schloß sich ihm an, Dr. Dannebera und Sektionsrat Fröhlich sprachen sich daaegen aus. Während Dr. Schwinner die Streichung des in diesem Artifel vorkommenden Satzes: „Im Zweifel geht Bundesrecht vor Landesrecht“ forderte, verlanate Dr. Danneberg im Gegenteile eine Verschärfung dieses Satzes in der alten Form: „Bundesrecht bricht Landesrecht“. (s fei dies geradezu ein wefentliches Merfmal eines Bundesstaates. Dieser Auffässung trat Dr. Ender entgegen, der auf den zur Austragung solcher Fragen berufenen Verfassungsgerichtshof hinwies. Beim Artikel 14 ergaben sich feine wefentlichen Meinungsverschiedenheiten. 230 31 Zweite Sitzung am 22. April 1920. Vorsikender: Der Herr Landesrat von Salzburg Christoph.
Eröffnung der Sitzung 3 Uhr 40 Minuten nachmittags.
Herr Landesrat Christoph (Salzburg): Ich bitte Herrn Staatssekretär Dr. Mahr, die Debatte einzuleiten. Herr Staatssekretär Dr. Mahr: Ich glaube, meine Herren, mir eine besondere Einleitung der Debatte ersparen zu können, indem ich hinweise auf Artikel X. Absatz 4. den ich am Vormittag zu verlesen die Ehre hatte und der sich mit diesem egenstand beschäftigt. Herr Vorsitzender Landesrat Christopl (Salzburg): Wünscht einer der Herren das Wort? Herr Landeshauptmann Dr. Gnder hat das Wort. Herr Landeshauptmann Dr. Gnder (Vorarlberg): Gs ift geftern in der Generaldebatte schon darauf hingewiesen worden, daß die Formulierung, welche die Regelung der finanziellen Angelegenheit hier gefunden hat, die Länder nicht befriedigen kann, weil eine Töderation, eine Selbständigkeit der Länder ohne irgend welche finanzielle Soheit nicht aufrecht erhalten werden kann. So wie hier die Tatjache vorlieat, würde der Bund das Recht haben, die Regeluna der Anteilnahme der Länder an den Einnahmen des Bundes, die Regelung der Veiträge und Zuschüsse aus Bundesmitteln und die Regelung der Ausgaben der Länder zu ordnen. Und der wird bestimmen, welche Abgaben dem Bunde und den Ländern zustehen, das heißt, er kann sämtliche Abgaben für sich allein in Anspruch nehmen und fagen, ich gebe jedem Lande, was es nach meinem Urteile zum Leben nötig hat. Das ist Kuratel in finanzieller Beziehung. Die kann nicht hingenommen werden. Wenn noch etwas übrig bleiben foll von der Staatlichkeit der Länder, von ihrer Selbständigkeit, von ihrem Charafter als Gliedftaaten eines Bundesstaates. muß die Finanzhoheit, die Steuerhoheit inbegriffen sein, denn sie macht ein wefentliches Glement aus, sie ist die Luft zum Atmen. Gs muß daher eine Lösung gesucht werden, welche der Grundanschauung dieser ganzen Verfassung gerecht wird, daß nämlich vielmehr die Länder als Gliedstaaten die Steuerhoheit haben und die Steuerhoheit an den Bund nur teilweise abtreten, freilich in sehr wichtigen Belangen so weit abtreten, als sie über-
haupt abtreten können, ohne die eigene Lebendjähigkeit preiszugeben. Daß der Vund sehr große Mittel braucht, ift ja gewiß keinem von uns verschlossen, und daß ihm diese Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen, soweit unsere Volkskräfte auszuschöpfen find. Ich bezweifle persönlich, ob unsere Kraft, unsere österreichische Volkskraft jene finanziellen Mittel aufbringen kann, welche die Länder brauchen und die der Vund in seiner heutigen finanziellen Lage brauchen würde. Ich bezweifle es, aber soweit es möglich ist. muß das geschehen, müssen wir ohne Zweifel dem Bunde die Steuerquellen zur Verfügung ftellen. Aber wir wollen ihm nicht alles ausliefern und felbft auf jedes Steuerrecht und jede Steuerhoheit verzichten und einzig auf die Gnade des Bundes angewiesen sein. Hier muß ein Weg gesucht werden. Aber ich bin der Überzeugung, es ist keiner von uns in der Tage, heute einen fontreten Vorschlag zu machen, die und die Steuern behalten wir uns vor und die und die Steuern überlassen wir dem Bunde. Das setzt Vorarbeiten voraus, die heute noch nicht geleiftet sind und nicht geleistet werden können. Wir sind noch nicht am Ende des Gesehaebungswertes der Verfässung. Erft wenn die definitive Schlukredaktion der Verfassung feststeht, läßtes sich errechnen. weniaftens ungefähr, in der heutigen Zeit überhaupt nicht genau, aber schätzungsweise wenigstens errechnen, was für finanzielle Laften den Ländern noch übrig bleiben und welche Laften für den Vund sein werden. Das ist die erste Voraussetzung, um eine richtige Aufteilung der Steuern zu haben, wobei wiederum vorausgesetzt ist, daß wir immer von der Vorausetzung ausgehen, es bleibt das eine Steuerfuftem aufrecht erhälten. Sobald dieses Steuerfustem eine Änderung erfährt, muß eine Berechnung auf Grund des neuen Steuerfhstems gemacht werden. Ich will Ihnen nun einen Antrag verlesen, zu dem wir aus diesen Erwägungen gekommen sind und der dann noch erörtert werden kann. Unser Antrag würde lauten: Zu Punkt 4: Für diesen Punkt ist eine Formulierung zu wählen, welche die Finanzhoheit der 231 32 Länder grundsätzlich aufrecht erhält. Heute läßt sich eine Aufteilung der Steuern zwischen Bund und Ländern noch nicht machen, weil eine sichere rundlage für die Errechnung des Bedarfes der Länder einschließlich der Bezirke und der Gemeinden an öffentlichen Mitteln frühestens beim Abchluß des Verfassungswerkes gegeben ist. Gs soll däher ein gleichzeitig mit der Verfassung zu schafendes Finanzgesetz die Aufteilung der Steuern vorläufig für fünf Jahre vorsehen, nach deren Verlauf eine neue Aufteilung zu erfolgen hat, auf deren Zustandekommen die Bestimmungen über Verfassungsänderungen anzuwenden sind. Zwischen der Verfassung und diesem Finanzgesetze ist ein Junktim zu schaffen. In diesem Finnanzgesetze ist das Sustem der Überweisungen zu vermeiden. Es sollen in demselben den Ländern bestimmte Steuern überlassen und eine Mitbeteiligung der Länder am den Erträgen anderer, insbesondere der Personal- und der Alfoholfteuern vorgesehen werden. Wenn einem Lande Leiftungen obliegen, die feine Kräfte überfteigen und im Bundesinteresse liegen, so können staatliche Zuwendungen für diesen Zweck im (efekgebungswege erfolgen. Gestatten Sie mir dazu noch folgende Bemerkungen: Wir glauben, es foll diese Regelung durch das Finanzgesetz erfolgen und nicht durch die Verfassung selbst, weil diese Steuerregelung von Zeit zu Zeit zu erfolgen hätte und der Tert der Verfassung beständig abgeändert werden müßte. Wir würden daher vorschlagen, das Finanzgesetz gleichzeitig mit der Verfässung, also unmittelbar damit verbunden, und durch diese bestimmt, zu beschließen. In diesem Gesetze wäre die vorläufige Aufteilung der Steuern auf fünf Jahre vorzunehmen und nach Ablauf derselben wird man weitere Erfahrung haben und wird eine neue Regelung treffen können. Ffür diese neue Regelung müssen natürlich Garantien gegeben sein, welche für die Abänderung des Verfassungsaesetzes gegeben sind, weil ja sonst die Länder keine Garantié hätten, daß sie bei einer Neuredigierung des Ffinanzgeseßzes nicht um ihre Steuerhoheit gebracht werden. Nun stellen wir ferner den Grundsat auf, daß in diesem Finanzgesetze das System der Überweisungen fallen gelassen werden soll. Wir stellen diesen Grundsatz auf im Interesse der Gefundung des Finanzlebens im Bunde und in den Ländern. Die überweisungen waren urfprünglich gut gedacht, ihre Anwendung hat aber in der späteren Zeit ganz entschieden auf Abwege geführt, wie wohl allgemeinzugestanden wird. Es ist dahin gekommen, daß die Länder trachten mußten, eine möglichste Defizitwirtschaft aufzuweisen, um aus den Einnahmen des Bundes in Form von Überweisungen einen möglichft großen Anteil zu bekommen. Es ist ein Anreiz in diesem Überweisungsinstem gelegen, die Finanzen des Landes so schlecht zu gestalten, als es geht. Das ist schlecht. Das verleitet die Länder-
dazu sichtlich etwas zu wenig sparsam zu sein und ich zu sehr auf die Überweisungen des Bundes zu verlassen. Und zweitens ist es geeignet, die Budgetabrechnung in der ganzen Finanzierung der Länder zu schädigen und das wirkliche und echte Bild zu trüben. Daher wollen wir, daß mit diesem Systemder Überweisungen gebrochen wird. Wir haben ferner den Grundsatz aufgestellt, daß den Ländern bestimmte Steuern ganz überlassen werden sollen. Wir halten das für durchaus möglich und wir ind ferner der Anschauung, daß den Ländern eine Mitbeteiligung an den anderen Steuern zukommen foll, die der Bund einhebt. Wir denten dabei insbesondere an die Versonal- und Alkoholteuern. Gs muf dabei etwas Labiles vorhanden. ein. Gs mußz etwas vorhanden sein, wo man nach den Erfahrungen, die die Zeit liefert, die Anteilnahme der Länder am Ertrage der Steuern leicht nach oben oder unten forrigieren fann. Das ist verhältnismäßzig am leichtesten möglich bei Anteilnahme der Länder an den Verfonalfteuern, also an der Einkommen-, Vermögens- und Altoholteuer. Wir verschließen uns nicht der Ansicht, daß die Einkommensteuern und Vermögenssteuern von Zuschlägen, die die Länder und Gemeinden in willkürlicher Söhe festsetzen können, frei bleiben müssen. Es ist gar kein Zweifel, daß ein willfürliches Zuschlägemachen der Länder und Gemeinden zu diesen Steuern dieselben ruinieren könnte. Wenn die Zuschläge in erheblichem Maße erreicht würden, würde dem Staate die Durchührung und Erzwingung jeglicher Passionen ganz gewiß außerordentlich erschwert und es würdé für die Länder selbst, auch wenn sie verschiedene Söhen für die Zuschläge eftsetzen, die Steuerfluchtgefahr des großen Käpitals und größeren Vermögens aus den Ländern mit sich bringen. Dagegen verschlägt es natürlich ür die ganze Veranlagung der Steuern gar nichts, wenn man statt eines bestimmten prozentuellen Unteiles, der im Finanzgesetze jeweilig feftgesetzt wwürde, den Ländern für ihre Bedürfnisse und die Bedürfnisse der Bezirke und der Gemeinden etwas übrig ließe. Das gleiche gilt bei den Altoholfteuern. Eine der hervorragendften Altoholsteuern, die Viersteuer, aber auch die Weinsteuer, waren ursprünglich den Ländern überlafsen. (erade die Viersteuer war für die Länder eine jehr ergiebige Quelle. Wir haben in meiner Heimat seinerzeit die Viersteuer eingeführt, als wir das erstemal einen sehr großzen Anteil der Lehrergehalte auf das Land übernahmen. Die Viersteuer, die eingeführt wurde, hat mehr ertragen, als für diesen Zweck benötigt wurde. Sie war eine- fehr ergiebige Quelle, deren Versiegung die Länder vor die Unmöglichkeit geführt hätté, ihre Finanzwirtschaft weiterzuführen. Nun ist es gewiß berechtigt, daß gerade die Alkoholsteuer dort, wo die größten Bedürfnisse, wo die größten Lasten zu tragen sind, in der Regel auch am reichlichsten einfließt, daß gerade den Ländern für ihre Zwecke und für die Bedürfnisse der Bezirke und Gemeinden Anteile gewährt werden. Bei dieser Art der Gestaltung ganz befommen und an einer anderen partizipieren, an dem Ertrag derselben partizipieren, je nach der Ergiebigkeit der Steuer in ihrem Lande. Nun kann es vorkommen, daß einem Lande eine besonders schwere Aufgabe obliegt, die weniger im Interesse des Lands als des Bundes selbst vielleicht gelegen ift und die man doch der Regelung durch die Länder nicht entziehen will. Ein flassisches Beispiel wüßte ich aus der Schweiz. Da haben z. V. die Urkantone, die Gebirgskantone die Laft der Erhaltung der großen Gebirgsstraßen über den Gotthard, Simplon und Splügen ufw., das sind zum Teil der Einwohnerzahl nach verhältnismäßig kleine Gebirgstantone, der Ausdehnung nach große, und es würde ihre finanzielle Teiftungsfähigkeit entschieden überschreiten, diese Straßzenerhaltung allein zu besorgen. Die Erhaltung dieser Straßen liegt auch nicht allein oder in erster Zinie nur im Interesse der Kantone, sondern diese Erhaltungen find ein ausgesprochenes Bundesbedürfnis, ein Bedürfnis der ganzen Gidgenofsenschaft und daher ist es dann gekommen, daß man schon lange in der Schweiz im Gesetzgebungswege, im Parlamente, Veiträge beschlossen hat, die diesen Kantonen jedes Jahr gewährt werden sollen, um zur Erleichterung dieser Lasten beizutragen. Man hätte auch einen änderen Weg gehen können, man hätte die Straßenzüge als solche auf die Gidgenossenschaft übernehmen können. Die schweizerische Eidgenossenschaft geht diesen Weg nicht. In Österreich neigen wir dazuMeines Grachtens fährt die Schweiz besser, weil die Kantone durchschnittlich billiger und fparfamen wirtschaften und mit geringerem Aufwand dieselben Leistungen vollbringen, als der Staat es macht. Wenn wir uns im Gewissen befragen, beobachten Sie in Ofterreich, daß da, wo dem Staate die Verwaltung in die Hand gegeben wird derselbe in der Regel teurer verwaltet, und der Staat würde sicher besser fahren, wenn er möglichft wenig Wirtschaftsverwaltungen in die Handnehmen würde. Er würde befser fahren, wenn er solche Dinge den finanziell weniger leistungsfähigen Ländern überläßt und ihnen im Gesetzgebungswege Subventionen zukommen läßt. Diese Art der Subventionierung hat mit den überweisungen nichts zu tun und hat keine Uhnlichkeit damit. Diese Überweisungen franfen nämlich daran, daß sie nicht jeweils im Gesetzgebungsweae nach vorausgegangener Prüfung des wirklichen Bedarfes festgelegt wurden, sondern in ein gewisses Schema hineingepreßt und im Wege der
33 Verwaltung gegeben wurden, so daß die Verwaltungsorgane dann vom Lande gepreßt und gedrückt werden mußten und Zuckerl austeilen. mußten. Da ist ein anderer Weg, den wir vorschlagen, nämlich die staatlichen Zuwendungen durch Schaffung eigener Gesetze, die der öffentlichen Besprechung im Bundesrat und Bundestag würde nun jedes Land eine bestimmte Steuer/und der Beschlußfassung dieser beiden Körperschaften unterliegen, zu regeln. Ich glaube damit vorläufig die nötigen Grörterungen gegeben zu haben. Herr Vorsitzender Landesrat Christonh (Salzburg): Zum Worte gelangt Herr Dr. Steinwender. Herr Landesrat Dr. Steinwender (Kärnten): Dieser Vorentwurf gibt über das verhältnis zwischen den Finanzen des Bundesstaates und der Länder nicht den geringsten Aufschluß, sondern überweift nur die gänze Ordnung der Bundespersammlung felbft. Das ift etwas, was für uns alle ganz unannehmbar ift. Der entgegengefeßzte Standpunkt wird mit Recht eingenommen von meinem sehr geehrten Herrn Vorredner. Die Regierung hat auch in der Mitteilung, die fie uns gemacht hat aus dem Finanzamte, uns manche Dinge gesagt, die das eigentlich erft recht klarstellen, was gewollt wird. Gs wird nämlich gewollt die dauernde Aufrechterhaltung, die dauernde Herrschaft des Bundesstaates auf dem Finanzgebiete. Es wird ausgeführt in diesen Grörterungen aus dem Finanzamte, daß wir gar nichts wissen, was gechieht, und daher auch gar nichts sagen könnten. Wir können uns dagegen gewisie Vorstellungen chon machen und es würde nach Anregung des Vorredners ein Finanzgesetz dann geschaffen werden, welches diese Verteilung vornimmt. Ich möchte den geehrten Herrn Vorredner und die hohe Versammlung vielleicht fragen, ob wir zur prinzipiellen Verteilung nicht auch heute schon kommen. könnten. Die Regierung hat in einer weiteren Zuschrift, die uns zugekommen ist, schon gewisse Konzessionen gemacht, indem sie zum Beispiel die Realfteuer den Ländern überlaffen will, fonft aber nichts. Auferdem will sie an Stelle der Überweijungen, wie es fcheint, eine dauernde Unterftützung der Länder dadurch herbeiführen, daß sie die Hälfte der Bezüge der Landesbeamten deckt. Das ist wiederum ein Geschenk an die Länder, das dazu nur verleiten fann, daß die Länder den Deamtenaufwand recht hoch stellen, weil die Hälfte der Bundesstaat zahlt. Wir halten das, was von der Regierung gekommen ift, für unannehmbar. Ich möchte aber in Erwägung ftellen, ob diefe Gedanfen, die ausgesprochen wurden, nicht heute schon etwas weiter ausgeführt und eingehender behandelt werden. könnten. Gs wurde gesagt vom Herrn Landeshauptmann Dr. Ender, es müßte feftgelegt werden, daß der Staat gewisse Einnahmen für sich allein behält für seinen größen Aufwand. Diese wären nun nach meiner Meinung erstens die Zölle, das ist selbstverständlich, zweitens die Erträge der 5 232 34 Monobole und Staatsbetriebe, drittens eine einmalige Vermögensabgabe, viertens die Ginkommensteuer, Rentenfteuer und Tantiemenfteuer, fünftens die Taren und Gebühren mit einer bestimmten Ausnahme. Das wären gewiß Einnahmszweige, die ich ausschließlich dem Staate zuführen möchte im Gegenak zu meinem Herrn Vorredner. Ich möchte nicht, daß die Einkommensteuer belaftet werde mit Zuwendungen an die Länder oder mit Zuschlägen. Gs hängt die Zahlung der Ginkommenfteuer nur von dem Orte äb, wo einer lebt, nicht aber wo erverdient. Gs kann einer z. D. in Villach leben und ein Ginkommen kann anderswoher ftammen. Wie kommt gerade das Land Kärnten oder Villach dazu, einen Zuschlag zu bekommen? Das hängt mit dem Orte des Aufenthaltes gar nicht zufammen, nur einen Zweck könnte vielleicht ein beschränfter Zuschlag zur Ginkommenfteuer haben, das wäre Absicht, daß ordentlich fatiert wird, daß eine bessere fassion gelegt wird, wenn die Länder und Gemeinden sich dafür interessieren. Wenn die Realteuern, worin die Regierung nachzugeben scheint, den Ländern übertragen würden, würden die Gebühren für Rechtsgeschäfte auf dem Realitätenberkehr auch den Ländern überlassen. Gs wären also das die aufzuzählenden Punkte, welche allein dem Vundesstaaie zu überlaffen wären, während den Ländern alle Zufälle aus der Grund- und Gebäudesteuer und die Gebühren vom Realitätenverfehr zukommen. Nun, das reicht natürlich nicht. Gs ift nicht einzufehen, warum gerade die Grund- und Gebäudebesitzer allein beitragen follten zu den Laften, während die Gewerbetreibenden und anderen nicht beitragen folften zu den Laften der Länder. Gs müßte also auch ein Anteil der Länder beziehungsweise der Gemeinden stattfinden an gewissen anderen Steuern, an der Erwerbsteuer. Das Gewerbe belaftet die Länder mit einer Reihe von Ausgaben für Schulen, Sanität ufw., daher hätte es auch leizufteuern. Man möchte meinen, daß es für heute genügen würde zu fagen, daß das Erträgnis gewisser Steuern, der allgemeinen und besonderen Erwerbfteuer sowie der getrennten Steuern, zum Teil den Ländern zuzufallen habe, Wenn in einem gewissen Verhältnis eine Teilung der Steuern stattfindet zwischen Bundestaat und Land nach einem von Zeit zu Zeit zu bestimmenden Schlüffel, wäre ungefähr das ersetzt, was bis jeßt durch die überweifungen den Ländern zugeführt wird. Die Überweisungen betragen nach dem leßten Staatsvoranschlag rund 210 Millionen. Ungefähr diese 210 Millionen würden den Ländern zufließen durch die Realitätensteuer, durch die Hälfte der Erwerbfteuer und der Getränfefteuer. Nun das wäre vorderhand der Anfang. Nun kann es fich aber herausftellen, daß möglicherweise die Bedürfnisse des Bundesstaates größer sind, als wir heute annehmen.
Zweifellos ist, daß die Getränkesteuer mehr tragen wird, als was wir heute in Rechnung tellen. Gs fann aber auch möglicherweife bei dem Anteile der Länder eine Herabminderung ftattfinden, möglicherweise aber auch ein Zugang. Gs müßte schließlich ein Schlüfsel von Zeit zu Zeit agen neu vereinbart werden, wir können nicht von fünf zu fünf Jahren. Denn schon nach dem wie ersten Rechnungsabschluß wird sich zeigen, Länder und Bundesstaat das Auskommen gefunden haben. Wir können heute nur eine provisorische Einteilung annehmen. Wenn ich die Erwerbfteuer und Getränfefteuer annehme, wovon die eine Hälfte den Ländern zukommen foll, die andere Hälfte dem Bundesstaate nach dem Verhältnis, das sich päter ganz gewiß ändern wird, so ändere ich an den wefentlichen ziffermäßigen Erfolgen nichts. Wenn die Willtür der Zuweisungen wegfällt, wenn man nicht mehr sagen kann, das zahlt nicht das Land, sondern der Staat, dann wird im Lande gefpart werden und zwar von felbft, was ehr notwendig ist, und die Verschwendung ihr Ende erreichen. Bisher haben die Länder immernach Staatshilfe geftrebt, und gerade das Syftem der Überweisungen hat die ärafte Rorruption in die finanzielle Gebarung hineingetragen. Nun werden sich auch gewisse Veränderungen in der Verwaltung, die jetzt vom gefamten Staate beforgt. wird, ergeben. Es werden gewisse Zweige der Verwaltung, die bis jetzt vom Staat beforgt wurden, in die Verwaltung der Länder übergehen. Natürlicherweise müssen Entschädigungen stattinden für jene Zweige der Verwaltung, welche von den Ländern selbständig betrieben und auch bezahlt werden. Diese Grundsätze follten wir heute chon aussprechen. Das Finanzgesetz wird deshalb doch notwendig sein, weil gewisse Dinge heute nur prinzipiell ausgesprochen werden können und natürlicherweise bei Beginn der Wirksamkeit unseres Gefetzes mit ganz bestimmten Ziffern gerechnet werden muß. Ich meine also, meine Herren, man follte das prinzipiell heute schon feftstellen. Wie Herr Dr. Gnder gesagt hat, daß die einen Ginnahmen ausschließlich dem Bundesstaat gehören und die anderen ausschließlich den Ländern gehören sollen und daß es ferner gewisse Einnahmen gibt, in die sich beide teilen, so befinde ich mich mit ihm in voller Übereinstimmung. Und zu diesen müssen wir die Erwerbsteuer rechnen, weil das Gewerbe und die Induftrie auch Laften verursachen und daher auch etwas beitragen müssen zu den Casten des Landes. Die Getränfeteuer deshalb, weil diese Steuer von dem Verbrauche in den Ländern abhängt und dieser Verbrauch im engsten Zusammenhange mit der Bebölferungszahl steht und sich nach dieser die Auzgaben für die Schule und die Sanität richten. Endlich auch liegt es auf der Hand und ist es notwendig, daß auch für die neuen Verwaltungszweige, welche fünftighin autonom von den Ländern verwaltet werden, die Ausgaben von dem Staate ersetzt werden. Dann werden die Länder sparen. Denn dann wird es viel weniger Amter geben und weniger Deamte als heute, wo man auf Koften des Staates wirtschaftet, wie es einem gerade einfällt. Denken Sie nur, wenn die Finanzverwaltung auf die Länder übergeht, entfallen sämtliche Steuerämter und es genügen die Finanzämter, wie sie jetzt bei den Bezirkshauptmannschaften sind. Die Einhebung der Steuern erfolgt durch die Poftsparkasse. Damit erspart man den ganzen schwerfälligen Apparat. In Böhmen war es üblich, daß vielfach Gemeinden die Ginhebung der Steuern übernommen haben und sie haben es mit Vergnügen umsonft durchgeführt, weil sie die Unannehmlichkeiten des Verfehres mit den Steuerämtern von sich abgewälzt haben. Wir würden was borderalso sparen. Nehmen wir nur anhand noch nicht wahrscheinlich ist —, daß die Justizverwaltung den Ländern übergeben würde. ich glaube, es mußz nicht alles den Ländern übertragen werden —, dann würde eine Menge von Bezirksgerichten verschwinden, die überflüssig sind, weil es eben nicht gut ist, in so vielen Bezirken erichte zu haben. Gs wäre viel beffer, zwei oder drei Gerichte zusammenzufassen und zu zentralisieren um eine biel flottere und fichereré Arbeit herbeizuführen. In Kärnten zum Beispiel könnte ein Drittel der (erichte entbehrt werden, da man ja die Gifenbahn hat und es ja nichts ausmacht, wenn man cine Stunde mit der Bahn fährt. Dadurch würde dann ja viel ficherere und billigere Arbeit geschehen. Man hat gemeint, wir hätten jo und fobiel Mittelschulen und daher müßten wir auch so und foviel Beamte und so viele Umter haben. Wir scheinen auf dem gemütlichen Standpunkt zu stehen, als ob der Staat die Dummheit gutzumachen hätte, die er mit den Mittelschulen gemacht hat. Das wird auch bei den Schulen der Fall sein. Die zahlreichen Mittelschulen werden ganz aewiß nicht die Länder übernehmen. Wenn zum Beispiel in Knittelfeld, in Teoben und Bruck eine Mittelschule eriftiert, für die das Land zahlen hätte, so wird sich das Land weigern zahlen, weil es nicht die Notwendiakeit einsehen wird, in drei aufeinanderfolgenden Stationen so viele Mittelichulen zu halten. Wie wird gespart werden, wenn die Länder sich selbständig machen und nicht zum Schaden der Beamten. Derjenige, der weniger Beamte haben will und weniger überflüssige Akten und Zuschriften der meint es nicht schlecht mit den Beämten. Sie können beffer geftellt werden, aber es follen nicht mehr sein, als notwendig ist. Ich mache aufmerksam, was in Wien geschehen ist bei der Finanzlandesdirektion. Die Zahl der Beamten wurde
35 von 4000 herabgesetzt auf 2000 und es wird besser gearbeitet als früher. (Zurufe: „Rückständel Rückstände sind überall. Die Finanzdirektion war nicht schuld daran, daran war das Ministerium schuld, das immer neue Gefetze und Verordnungen macht. So wie Sie fagen, ist es nicht. Wir haben in sechs Wochen 11/, Milliarden Steuern in Wien eingenommen. Man hat geschrien: „Die armen Steuerträgerl“ Man hat das Parlament gestürmt, sie haben mich gesucht, aber nicht gefunden. Dr. Renner aber haben fie überrannt. Gs ift gegangen. Ich bin unterstützt worden vom Finanzlandesdirektor, welcher die Uften gemindert hat von 200.000 auf 40.000. Die Beamten find von 4000 auf 2000 herabgemindert worden, und weil wir fodann die Beamten beffer geftellt haben, haben alle Beamten geschwärmt für den Finanzlandesdireftor. (Tärm und Zwischenrufe.) Herr Vorsitzender Landesrat Christonk Salzburg) (unterbrechend): Ich bitte, feine Zwichenreden zu halten. Herr Staatssekretär a. D. Dr. Steinwenden (fortfahrend): 2lfo bitte, ich meine, wir könnten etwas weiter gehen, als Herr Dr. Gnder aeht. Mit der Verurteilung dieser Vorlage bin ich vollständig einverstanden. Darüber können wir uns chon heute grundsätzlich einigen. Die Zuteilung von Einnahmen bedeutet feinerlei Geschenf. an die Länder, sondern nur die Sicherung einer bestimmten Ginnahme, und es würde dann mehr gespart werden: denn wenn man ein sicheres Einkommen hat, fpart man viel mehr. Bekomme ich nichts, so habe ich auch nichts zu verschenken. Gs müssen daher die Länder mehr Kompetenzen bekommen. Daß ohneweiters diese Zuwendungen nur hinausgeworfen werden, ift der größte Schaden. Damit werden Sie auch einverstanden sein, daß damit ein Ende gemacht werden mußz. Die Zuwendungen find natürlich nach einem Schlüffel gemacht. Aljo ich meine, das geht, und da follten alle Parteien einverstanden fein. Ordnung muß gemacht werden, und das geht nur dadurch, daß Ordnung im Sause gemacht wird. Man muß Herr in seinem eigenen Häuse sein. Da müssen wir selbst arbeiten, selber Ordnung machen. Wir müssen selber brab sein und Geschäfte machen. Dasistso meine Meinung, Ich habe auch aestern schon einige Ziffern mitgeteilt, ich habe Vorstellungen gemacht, ich kann nur gegenständlich denken. Ich kann mir vorstellen, daß, wenn wir Ordnung machen, daß wir dann, wenn wir richtig vorgehen, selbst mit unserer gegenwärtigen Tage fertig werden können. Die einmaligen Ausgaben werden in Bälde abgebaut werden, auf die kann man nicht aufbauen, man wird noch dahin kommen, daß man bei den Staatsbetrieben, bei den Monobolen nichts daraufzahlt, sondern im Gegenteil etwas verdient wird. Wenn wir auf den Boden hingeschleudert sind, werden wir uns viel schwerer wieder zurecht finden können, 5* 233 36 wir müssen trachten, daß wir uns rechtzeitig o weit stellen, daß wir noch ohne Rataftrophé auf eine Besserung hoffen können, und da säge ich Ihnen, mit bloßen Steuereinnahmen geht das nicht. Wenn wir die ziffermäßige Festsetzung vornehmen, mit einem von Zeit zu Zeit zu vereinbarenden Schlüssel, so lassen sich schon heute grundsätzliche Feststellungen vornehmen. Jedenfalls müssen die ersten Rechnungsabschlüsse abgewartet und darnach die notwendigen Änderungen vorgenommen werden. Inzwischen wird Ordnung kommen und das wollen wir alle miteinander. Daran zu glauben, bin ich noch immer genug Optimist. Herr Vorsitzender Landesrät Christoph: Herr Vizebürgermeister Emerling hat das Wort. Herr Vizebürgermeister Emerling: Wir sind bei der schwierigsten Frage. Gs war daher auch feiner von den Herren Rednern imstande, Vorschläge zu machen und in absehbarer Zeit eine Klärung dieser finanziellen Auseinandersetzung herbeiführen zu können. Das beweift das eine, daß der ganze Aufbau, den wir hier vornehmen daß dieser Aufbau wohl einzig dasteht und sich noch nie in der Geschichte so vollzogen hat, wie wir ihn hier vollziehen. Die Bildung eines Bundesstaates war bisher die Zusammenfassung finanzieller, felbständiger Gliederstaaten und der Bundesstaat war mehr oder weniger ein Zweckverband, der die höheren Aufgaben im Interesse der Mitglieder des Bundesstaates zu erfüllen. hatte. Wir gehen den umgekehrten Weg. Wir wissen und kennen gar nicht die finanziellen Grundlagen des Staates, die durch den Krieg und durch die Zeit nach dem Kriege durch den Zusammenbruch ganz gewaltig verändert worden ind. G3 ift auch ganz begreiflich, daß man Ausälle macht, wie es zum Schlußz der Herr Staatsekretär getan hat, der Ginblick in ein fleines abersehr wichtiges Staatsamt gehabt hat. Daß die Beamtenwirtschaft, die Art und Weise, wie gearbeitet wird, und die Uktenvermehrung schuld sei an vielen Dingen, das fei ohne weiteres zugegeben. Aber, meine Herren, erinnern wir und daran, daß gerade die Partei des Herrn Staatsetretärs nicht ganz unschuldig ist, wenn wir soviele Beamte im Staaté haben. Daß man Beamte aus nationaler Ronfurrenz förmlich gezüchtet hat, daß man heute nicht so ohne weiteres behaupten darf, daß dieser Zustand allein maßgebend ist für die Folgeerscheinungen, sondern daß man selbst ein Stück dazu beigetragen hat, ist selbstverständlich. Wenn er zum Beweise dafür anführt, daß die Finanzlandesdirektion in Niederösterreich imstande war, den Beamtenstand zu vermindern und die Aktenzahl zu vermindern, gebeich dies ohneweiters zu, aber ich spreche aus Erfahrung, wir müssen mit Bedauern bemerken, daß wir einen zweijährigen Steuerrückstand haben in Wien, und vergèssen Sie nicht, was heute das Geld wert ist und was das Geld wert gewesen
wäre, wenn der Staat in der Lage gewesen wäre, es auszunußen. Heute ift dem Staate nicht mehro gedient damit, wenn er das schlechte Geld bekommt. Gs ift nicht immer qut. Wenn es ein Amt aibt, in dem viele Menschen tätig fein follen und sich ganz außzerordentlich bemühen follen, so ift es geradé das Finanzamt. Hier ist eine Verschwendung von Arbeitskräften durchaus nicht vorhanden, wenn dafür gesorgt wird, daß unmittelbar nach der Vorlage der Bekenntnisse und der Veranlagung die Einhebung überwacht und durchgeführt wird. Der Herr Staatssekretär ist der Meinung — und darin untercheidet er sich vom Landeshauptmann Dr. Gnderdaß man doch Vorschläge machen kann, die Zölle, Unternehmungen des Staates, die Erwerbfteuer, die Vermögensabgabe, die Kentenfteuer dem Staate zu überlassen. Die Ginkommenfteuer, aber auch unwefentliche Zuschläge würden wir unter Umtänden zulaffen. Gs hängt damit zufammen mit den Ausführungen des Landeshauptmannes DoktorEnder die Steuervorschreibung mit der Steuerlucht. Wir wollen die Realfteuern, die Erwerbteuer den Ländern zur Fruktifizierung überlassen. Bei der Erwerbsteuer möchte ich nur auf das eine aufmerksam machen, daß sie sehr reformbedürftig ist. Die Erwerbsteuer, wie sie heute gehandhabt wird, entspricht nicht dem Interesse der Entwicklung der Industrie. Sie fördert nicht die Grrichtung von Unternehmungen, fie ftört vielmehr und ift ungerecht in vielen Belangen für den Unternehmer felbit. Schon die Kriterien, die Vorausfetzungen felbft für die Steuerleiftungen ind aus uralter Zeit. Sie brauchen nur den Zufammenhang der Entwicklung der Steuern beachten, so werden Sie sofort finden, daß man ich eine ungerechtere Art der Veranlagung der Erwerbsteuer nicht mehr denken kann. Wenn in einem Erwerbfteuerbezirk ein Unternehmer ift, der aus eigener Kraft oder aus der Kraft günftiger Verhältnisse nicht mehr so im Kontingente vöm Staat ausgewertet werden kann, dann wird erexterritorial gefeßt und wird einer besonderen Besteuerung unterzogen. Ich bin der Meinung, daß auch diese Art der Steuer ganz gründlich untersucht werden soll: wenn man schon zu einem Finanzaefek kommt, foll man sich auch überlegen, ob die Art und Weise, wie sie bisher eingehoben wurde, auch eine zweckmäßige ist. Der Herr Landeshauptmann Dr. Gnder hat sich im wefentlichen darauf bezogen, ein Finanzgesetz mit einem Funktim zu versehen; also alle fünk Jahre soll ein Vorschlag beziehungsweise ein neuer Aufteilungsschlüffel hergeftellt werden. Er hat zum Schlussé erklärt, daß den Ländern die Steuerhoheit gegeben werden folle, daß die Länder imstande sein sollen, leben zu können und daß nur für besondere Aufgaben — der Herr Landeshauptmann hat ein neues Wort für Über- weisung gefunden — Subventionen den Ländern gegeben werden sollen. Die ganze Debatte krauft wefentlich daran, daß wir keinen genauen Einblick in die finanziellen Verhältnisse des Staates haben. Wohl hat, wie gesagt, dieser Staat einen ganz anderen Weg der Entwicklung zum Bundesstaat genommen und anftatt, daß er ein Zweckverband ist, anstatt daß er eine Vereinigung finanziell felbständiger Glieder ift, ift es umgekehrt. Wir gehen vom Zentralismus zur Länderautonomie und diese Länderautonomie fassen wir dann in Form eines Bundesstaates zusammen. Die Länder gelten als Rechtsobiefte. Wir sind aber der Meinung und bringen die Empfindung nicht los, daß es sich mehr oder weniger um die Machtfrage einzelner Länder handelt, und die Art und Weise, wie sie den Bundesstaat aufbauen, doch nichts anderes für uns sein kann, als ein Rorrektib zur Demokratie im Steuersinne. Herr Landeshauptmann Dr. Ender hat den Sätz gesagt: Zuerst müssen die Länder leben, dann geben mir dem Bunde, was er zum Leben braucht. Heute hat er sich einigermaßen wiederforrigiert und einen Teil der Einnahmen borne weg dem Bunde zugesprochen. Der Herr Landeshauptmann Dr. Gnder erklärt, die Steuerhoheit der Länder müsse gewahrt werden. Ich gebe zu, daß diese Ffrage sehr dringlich behandelt werden mußz, wie überhaupt die Frage der Steuerhoheit und die Frage der Steuerverteilung die Sauptmomente dieses ganzen Urtifels find, den wir jetzt zur Debatte stehen haben. Der Herr Abgeordnété Gemeinderat Kunschak erklärt, die Lebensmöglichkeit des Bundes müsse gesichert werden. Er hat ganz richtig bemerkt, daß kein Land, auch nicht Niederöfterreich, das doch das fapitalskräftiafte ift, imstande ift, aus eigenen Mitteln leben zu können, daß das Suftem der Überweisung unerträglich ist und korruptio wirkt, daß keine Gnade, sondern Rechte gegeben werden. sollen. Er verlangt die Teilung der Steuerquellen. Meine sehr verehrten Herren! Wenn die Verländerung durchgeführt werden soll, wenn die Steuerquellen aufgeteilt werden, so werden Sie zu wahnsinnig hohen Zuschlägen kommen müssen, weil wir eine sö merkwürdige Art der Verteilung der Steuerquellen in diesem Staate haben, daß ein anderer Weg, als der der Zuschläge oder jener, den Sie so sehr verpönen, den der Überweisungen, gar nicht denkbar ist. Ich habe einige Zahlen über die Steuereingänge. In Wien sind sie sehr genau, weil wir die Möglichkeit haben, sie durch unsere Kasseneingänge erfassen zu können. Wie weit diese Däten für die übrigen Länder stimmen, das entzieht sich meiner Kenntnis, und ich bitte den Herrn Hofrat Grünwald, mich zu berichtigen oder zu ergänzen, fofern ich nicht in in der Lage bin, genaue Ungaben machen zu körnen. Vorerst drei Ziffern, meine sehr verehrten Herren! Im ersten Salbjahre 1919 wurden an diref-
37 ten Steuern, und zwar Grundsteuern, Hausklassensteuern, Hauszinssteuern, 5 9ige allgemeine Erwerbsteuern, Haufiersteuern, Kentensteuern, Einkommenfteuern, Befoldungsfteuern, Tantièmen und Kriegssteuern in allen Ländern dieses Staates Osterreich mit Ausnahme von Niederösterreich 156 Milsionen Kronen eingehoben, im Lande Niederösterreich ohne Wien 169 Millionen Kronen. Also das eine Land Niederöfterreich hat um 13 Millionen Kronen mehr Steuern dem Staate abgeführt als alle übrigen Länder zusammen. Die Stadt Wien hat 1310 Millionen Kronen abgeführt. Sie werden mir zugeben, daß das Verschiebungen find der Steuerfähigkeit, der Steuerleiftung in den einzelnen Gebieten des Staates, die an sich schon beweisen, daß man so einfach diese Frage nicht regeln kann, indem man sagt, den Ländern mußz die Steuerhoheit gegeben werden. Geben Sie den Ländern die Steuerhoheit und geben Sie den Ländern einmal alles, was Sie an Steuern einnehmen, so finden Sie — und ich will durchaus nicht ein Land beleidigen - so finden Sie, daß z. B. in Wien mehr an Verzugszinsen und Grefütionsgebühren eingehoben wird als im Lande Vorarlberg an allen direften Steuern. Sie finden eine ganz merkwürdige Verteilung. Wenn Sie den Ländern die Steuerhoheit geben, dann müssen Sie dem Lande Niederöfterreich 14 Milliarden, dem Lande Oberöfterreich 47 Millionen geben — alle Ziffern betreffen das erfte SalbJahr 1919 — Sie müssen dem Lande Salzburg 134 Millionen geben, Steiermarf 626 Missionen, Kärnten 17 Millionen, Tirol 11 Millionen und Vorarlberg 44 Millionen. Das sind die gesamten Gingänge. Dabei, verehrte Herren, dürfen wir eines nicht vergessen. Der Herr Staatsfekretär hat allerdings erflärt, wir wollen die Herren fein im Lande. Schön gesagt! Aber verehrte Herren! Vorderhand sind wir Vettler allesamt und haben eine ganz bedeutende Sorge, das ift die Gorae, die der Krieg und seine Folgen und der Vertrag des Friedens von St. Germain dem Staate auferlegt haben. Wir haben daher damit zu rechnen, daß dieses Rechtsobjekt, in diesem Fälle der Bundestaat, Verpflichtungen übernommen hat und übernehmen wird müssen, die einzuhalten sind. Verpflichtungen, die er nicht einhalten kann, wenn er von den einzelnen Ländern erst das in einer bittlichen Fform bekommt, was er braucht zur führung des Staatshaushaltes, abgefehen davon, daß es sehr zu bezweifeln ist, ob die Mächte, die heute noch über unser Schicksal zu entscheiden. haben, eine solche Verteilung der Steuern zugeben werden. Wir haben damit zu rechnen, daß wir als Staat Verpflichtungen zu erfüllen haben. Verpflichtungen, die wieder ganz besondere, ganz bedeutende Belaftungen der gesamten Bevölkerung 234 38 auferlegen müffen, die vielleicht den einzelnen Ländern gar nicht so auferlegt werden können. und nur durch Staatsgefeßze, Bundesgesetze auferlegt werden müßten. Diese Art der Verteilung, die ganz ungleichmäßig wäre in der-Art, daß in einem einzigen Lande mehr an Steuern aufgebracht wird als in den übrigen fünf Ländern, und in einer einzigen Stadt stätt das Achtfache dessen, was im gänzen Staate aufgebracht wird, die bedingt das eine, daß man sich nicht so glatt hinwegsetzen darf über die Notwendigkeiten des Staates felbft und bedingt, daß wir einigermaßen von der Länderautonomie und Länderhoheit abgehen müssen, weil es ein Gesumtinteresse ist, das hier zu wahren edermanns Verpflichtung erscheint. Und dieses Gesamtinterefse fann nicht durch sieben geteilt, in jedem einzelnen Land, sondern nur in einem Staate, im Bundesstaate felbft gewahrt werden. Aus der ganzen Schwierigkeit erfieht man am beften, wie wefentlich einfacher diese Frage zu lösen. wäre im Ginheitsstaate und wie kompliziert im Bundesstaate. Ich kann aus den Äußerungen, wenn auch nicht direft, so doch indirekt entnehmen, daß feiner der Vertreter der Länder für irgend eine Leiftung an den Staat in Fform von Matrifularbeiträgen ift, sondern die Zänder für sich die Steuerqguellen haben wollen zur Ausbeutung, Steuerquellen, die die Länder in den Stand vereßzen, die Volkswirtschaft, so gut als möglich im Interesse der Bebölkerung geführt werden muß, zu führen. Wir geben das zu. Aber was man für die einzelnen Länder gibt, verehrte Herren, das nehmen wir auch für die Stadt Wien, der Sieden Charafter eines Landes zusprechen, in Unfpruch. Sie werden sofort sehen, wie schwer die Frage zu löfen ist, wenn Wien als eigenes Land ebenfalls die Steuerhoheit für sich verlangt. Sie können einwenden und werden einwenden, Sie ftehen auf dem Standpunft, den Sie in der Vorlage der Grofdeutschen Vereinigung finden, daß die Steuer dort zu zählen ist, wo sie verdient wird. Wir haben auch das versucht, uns einigermaßen klarzu machen. Denn wir besitzen in Wien gerade als Behörde ein Material, das uns in die Lage vereßt, einen fleinen überblick über diese Tatsachen zu erlangen. Wenn sämtliche Steuerträger, die anderswo ihren Betrieb haben als in Wien, die Steuer anderswo zahlen als in Wien, jo haben wir statt 1300 Millionen Kronen Steuereingänge in einem Salbjahr nur 1080 Millionen Kronen Steuereingänge. Es ist da ein ziemlicher Abgang zu verzeichnen, aber gegenüber den 20, 30 und 40 Millionen Kronen in den einzelnen Ländern bleiben noch immer1000 Millionen Kronen Steuern in der einzigen Stadt übrig. Also dieses Argument ändert nichts an der Tatsache, daß eine einzige Stadt, die allerdings die Hauptstadt eines 40 Millionen Reiches gewesen ist, eine so überragende Stellung
in bezug auf die Steuerleiftung einnimmt. Wenn wir zu einer solchen Verländerung und zu einer olchen Verteilung der Steuerquellen kommen, dann nehmen wir für Wien das gleiche Recht in Anspruch, und ich weiß nicht, wie Sie dann die Frage lösen wollen. Das ist nicht möglich, daß man von vornherein festsetzt, die Gemeinde Wien hat fo und foviele Abgaben zu leiften, als die Länder brauchen. Es ift ein Ding der Unmöglichkeit, einen zu einer solchen Veitragsleiftung an den Staat zu verpflichten, wie die Länderverpflichtet werden. Da kommen Sie zu ganz unmöglichen Voraussetzungen. Wir sind daher der Meinung, daß unter der Wahrung des einheitlichen Wirtschaftsgebietes — und das ist nicht insbesondere ein Weg gesucht werden. unwichtigmuß, der es ermöglicht, den Ländern das geben zu können, was sie brauchen. Wir sind der Meinung, daß wir mit diesen politischen Individualitäten aufräumen müssen. Es würde der Geschichte gehören, wenn wir eine ganz andere Einteilung in diesem Staate nach Wirtschaftsgebieten haben. oflen, daß aber insbefondere dem Staate die gesamte direfte Steuer zur Verfügung gestellt. werden soll und daß ausschließlich der Staat das Verfügungsrecht über die Steuern haben foll. Wenn das aber nicht möglich ist, wenn Sie meinen, daß Sie zur Wahrung ihrer Soheitsrechte auch die Steuerhoheit haben müssen in den einzelnen Ländern, dann, meine Herren, mache ich Sie darauf aufmerksam, daß wir diese Hoheitsrechte auch für die Stadt Wien in Anspruch nehmen. Es wurde von der Zuschlagsfreiheit zur Einkommenfteuer gesprochen. Ich glaube, wir haben nicht als Partei, sondern als Bürger dieses Staates im Jahre 1896 einen ganz gewaltigen Fehler begangen. 2ls das Perfonaleinkommenteuergefeß in diesem Jahre geschaffen wurde, hat man den Ländern die Zustimmung zu diesem Gefetze damit abgekauft, daß man ihnen aus dem Erträgnisse der Personaleinkommensteuer besondere Überweisungen zugesichert hat und ift dadurch zu einem System der Steuerleistung und Steuerverteilung gekommen, das vollkommen ungefundist, das dazu führt, daß in der Zeit der Not, in der wir uns jetzt befinden, wo jeder einzelne herangezogen werden muß, zu den Lasten für den Staat zweifellose Ungerechtigkeiten unterlaufen, weil wir die Menschen in ihrer Steuerkräftigkeit nicht erfassen können, weil wir keinen Zuschlag zu der Personaleinkommenfteuer geben. können, nicht nur wir als Wiener, sondern auch die übrigen Länder des Staates. Gs würde dazu ühren, daß eine ganz gewaltig große Zahl von neuen Steuern geschaffen werden müßte mit neuerlichen Ginhebungsapparaten, und neue Laften aufgelegt werden müßten, während ein Zuschlag zur Ginkommenfteuer weitaus gerechter und einfacher ewesen wäre. Da hätte man zweimal im Jahre erfassen können, wie es jetzt beim Miet- aufwand, beim Zinsquartale ist. Besitzt er Wagen oder Automobile, so mußz er Steuer zahlen, hat er Grund oder Boden, so muß man eine neue Steuer darauflegen. So find die verschiedenen Steuern geschaffen worden, um die wahnsinnigen Ausgaben der Länder, des Staates und der Städte decken zu können. Diese Zuschlagsfrage ist damals wie heute zum Nachteil der Entwicklung unferer ganzen Steuerpolitik abgekauft worden, eine Zuschlagsfreiheit ist gar nicht vorhanden gewesen in diesem System. Der Staat hat seinerzeit bei den Militärtargebühren, wenn ich nicht irre, die Vorlage des Ginkommenfteuerbogens verlangt und hat auf Grund diefes die Elterntaren eingehoben und in der Folge als Kriegssteuern eingeführt. Wir sind der Meinung, daß die Ginkommensteuer schon mit Zuschlägen belegt werden foll und kann, weil diese Zuschläge allein die Länder in die Tage verseßzen, zu einer gerechten Verfassung kommen zu können und weil sie insbesondere eine wefentliche Vereinfachung des ganzen Steuerfyftems darftellen und zum Schluß nicht als lebtes, weil ie ermöglichen, auf eine Reihe anderer drückender und unangenehmer Steuern Verzicht leiften zu können, die teils eine Semmung der Entwicklung des Gewerbes und teils eine Moleftierung der Steuerträger darftellen. Wir find also nicht für eine solche Art von Steuern. Zum Schluß das eine. Wir sind dafür, dem Bund die Ginkommensteuer vollständig zu überlassen. Wir sind dafür, daß der Bundesstaät gestärkt werde, daß die Überlafsung dieser Steuer durchgesetzt werde. Wir sind deshalb dafür, weil dieser Bundesstaat ganz außerordentliche Verpflichtungen dem Auslande gegenüber, aber auch ganz außzerordentliche Verpflichtungen der Bevölkerung des Staates gegenüber hat. Wir müssen daran denken, aus dieser Nachtriegszeit und deren Folgen herauszukommen. Wir müssen daran denken, uns wirtschäftlich aufzubauen. Wir müfsen alles tun und trachten, einen solchen Zustand zu schaffen, der es uns ermöglicht, diesen schlechten Zustand zu überwinden, um dann den Anschluß an ein größeres Wirtschaftsgebiet, an Deutschland, vollziehen zu können. Von diesem Gesichtspunfte ausgehend, find wir für die Stärtung des Bundes durch eine überweifung dieser direften Steuern, die ich genannt habe. Ich bitte zum Schlüsse den Herrn Hofrat Grünwald, mich zu berichtigen, wenn sie nicht richtig sein sollten, wobei ich bemerke, daß allerdings nur Ginnahmenziffern zur Verfügung stehen, daß wir keinen genauen überblick über Ausgaben und Verteilung haben. Ich bitte um entsprechende Auskünfte. Herr Vorsitzender Landesrat Christoph (Salzburg): Herr Délegierter Segur hat das Wort. Herr Landtagsabgeordneter Segur (Niederösterreich): Meine Herren! Ich will Sie nicht länge aufhalten, aber ich glaube, daß die Sache vorgebracht und von der Länderkonferenz besprochen)
39 werden muß. Der Herr Landeshauptmann von Vorarlberg hat bereits in feinen Ausführungen der Gemeinden und Bezirke gedacht. Ich möchte das vielleicht ein bischen schärfer hervorheben und der geehrten Länderkonferenz zu bedenten geben, daß, wenn wir zu einer Lösung der Finanzfrage zwischen dem Bund und den Ländern kommen, ohne daß die Gemeinden in irgend einer Form aniert würden, dies deren Zufammenbruch in inanzieller Beziehung in irgend einer Form nach ich ziehen würde. Ich glaube, es ist ja allgemein bekannt, daß die Gemeinden durch die KriegsTreignisse vor Aufgaben gestellt würden, die sie zu erfüllen hatten und finanziell derartig in Anspruch genommen wurden, daß wir heute bereits fagen können, daß größere und auch kleinere Gemeinden draußen vor einer finanziellen Rataftrophe stehen. beziehungsweise sich bereits in ihr befinden. Gs ist eine allgemeine Erscheinung, daß Gemeinden bereits Darlehen aufnehmen zur Deckung der laufenden Ausgaben, weil trot der Grhöhung der Umlagenprozente, die eine Söhe erreicht haben, die bereits Schaudern erregt, nur ein ganz geringer Bruchteil des Ausgabenetäts der Gemeinden gedeckt werden fann. Mit Umlagenerhöhungen ift den Gemeinden jetzt nicht mehr geholfen. Sie müßten die Umlagen auf taufend Prozent erhöhen, um Zinsendienst und die Ausgaben für die Angetellten decken zu können. Mit überweisungen, an die vielleicht gedacht werden kann, kann ich mich auch nicht recht befreunden, wenn es sich um Gemeinden und Länder handelt. Die Unmoral der Überweifungen wird noch kräftiger wirksam bei den Gemeinden, welche nicht über jene finanztechnische Schulung verfügen wie die Länder und welche daher leichter verleitet werden, sich zu denfen, das Land wird uns schon in irgend einer Form Geld für unfere Auslagen geben. Ich meine daher, daß bei Regelung der Finanzfrage zwischen Bund und Ländern unter gar keinen Umständen auf die Gemeinden vergeffen werden darf und den Gemeinden felbständige Steuerquellen unbedingt. zugewiesen werden müssen, und das wäre zweifellos die Getränfefteuer. Ich möchte heuté schon bitten, daß bei der Abfassung des Finanzgesetzes und bei der Grörterung dieser Angelegenheit auf diesen Punkt besonderer Wert gelegt wird. Denn ich wiederhole: wenn den Gemeindefinanzen nicht n irgend einer Form auf die Beine geholfen wird, o stehen sie vor einer nie geahnten Rataftrophe. Ich habe mich zwar damit noch nicht beschäftigt, aber wenn wir die Schulden der Gemeinden zusammenzählen würden, würden wir zu einer Ziffer kommen, die uns sehr erschrecken würde. Das möchte ich in der Länderkonferenz gesagt haben. Herr Vorsitzender Landesrat Christoph (Salzburg): Zum Worte gelangt der Herr Delégierte Müller. Herr Landesrat Müller (Niederösterreich): Meiné sehr verehrten Herrn! Wir stehen zweifel235 40 los vor einem der schwierigsten und kompliziertesten und gar riaorösen Pröbleme und ich fürchte sehr, daß wir nicht imstände sein werden, auch nur einen einzigen konkreten Vorschlag zu machen. Mir scheint weder der Vorschlag des Herrn Landeshauptmannes Dr. Gnder, noch der des Herrn Staatsfefretärs a. D. Dr. Steinwender ganabar zu sein. Gegenwärtig vor allem sind wir bei Artikel X, Punkt 10. stehen geblieben, wir haben die Kompetenzenverteilung nicht vornehmen können, weil sich eine Reihe von Schwierigkeiten ergeben hat und sich Meinungsverschiedenheiten derart aufgetürmt haben, daß wir an der Lösung der Frage nicht mitwirken können. Nun, im allgemeinen ist es schwer, für diese Frage irgend eine Regelung zu finden: so ist beispielsweise in dem finanziell ertragreichsten Lande Niederöfterreich diese Frage am schwierigsten zu lösen, weil die Fragé der Trennung der Stadt Wien vom Lande Niederösterreich im Mittelpunkte, im Brennpunkte, aller Fragen steht. Fällt für Niederösterreich die große, ergiebige Stadt völlig weg, so wird Niederöfterreich vor Probleme geftellt, die man weder hier, noch anderswo einer gedeihlichen Lösung wird zuführen können. Einer Meinung stimme ich zu, die schon oft wiederholt wurde, daß die Zuwendungen vom Staate aufhören müssen. Als Finanzreferent im Lande Niederöfterreich empfinde ich, daß mit diesen Zuwendungen nicht eine vernünftige Sparfamkeit in den Ländern erzielt werden kann und daß diese Zuweisungen sobald wie möglich einer anderen Regelung vorgezogen werden müssen und daß man den Ländern als Zuweisungen geben müsse die eigenen Steuereinkünfte, um fie von der Gnade zu befreien und um, wie ich nochmals wiederhole, eine vernünftige Wirtschaft und Sparsamkeit herstellen zu können. Denn durch die Zuweisungen vom Staate glaubt jeder, da braucht man sich feine besondere Sparfamkeit auferlegen zu müffen. obwohl es ja ganz dasfelbe Geld ift: es fommt immer vom Steuerträger und hat denselben Wert und wird von derselben Quelle geschöpft. Ge wird sehr notwendig sein, daß man den Ländern bestimmte Steuern zuweift, woraus sie ihre Bedürfnisse decken. Bei Niederösterreich steht die Frage anders. Wenn das Land alle direkten Steuern mit den Erwerbfteuern zugewiefen erhält, so deckt es faum ein Rapitel deffen, welches das Land im Erfordernis zu befriedigen hat. Wenn ich alle Steuern einnehmen würdé, 169 Millionen an direften Steuern und Erwerbfteuern, fo deckt das genau das Erfordernis für die Schule oder die Wohlfahrtsinstitute und es blieben noch 17 andere Rapitel, die das Land in der Verwaltung hat böllig unbedeckt. Um ein Bild zu haben, wie grof ungefähr die Steuerquellen sein müssen, die das Land braucht, zeigt schon, daß wir 130 Miltionen Kronen Bedeckung haben und gegenwärtig ein Erfordernis von 320 Millionen Kronen. Wenn
ich nur an den Zinfendienft denke, und das Erfordernis steigert sich zu Ende des Jahres noch bedeutend, so beträgt der Zinsendienst pro Jahr 15 bis 16 Millionen Kronen, wofür ich die Umlagen von fünf verschiedenen Steuergattungen benötige, um den Zinsendienst für alle diese Dinge herschaffen zu können. Gs wurde hier wiederholt gesagt, welche Arten von Steuerquellen man dem Bunde geben und welche Art man den Ländern übertragen foll. Auch das ift jetzt nicht zu fagen, bevor nicht die Konipetenzfragen gelöft sind. Wenn diese Fragen endgültig gelöst sind, dann kann man abschätzen: welche Bedürfnisse hat der Staat, welche Anforderungen werden an ihn gestellt und für welche Dinge hat das Land zu forgen? Wenn es nun so ist, wie er vorher im Artikel 14 gesagt hat, werden nur Sanitäts- und Wohlfahrtsinstitute und die Schule bleiben in der Form wie jetzt und dann wird unser Land nur noch 150 Millionen Kronen zu bedecfen übrig haben. Man mußz aljo hier, wenn man diese Frage allgemein regeln will, beziell denken und glauben, daß es faum möglich ist, daß die einzelnen Länder — und dazu gehört Niederöfterreich — ich zweifle nicht daran — die Mittel für alle diese Dinge, die fie bis jehzt schon haben, aufbringen werden können, geschweige denn daß noch eine ganze Reihe von neuen Agenden und Sachen angegliedert werden könnten. Wenn die Gemeinde Wien als eigenes Landerscheinen wird, so ist das Land Niederöfterreich außzerstande, neue Umlagen und Steuern einheben zu können und müßte die Steuern so hoch hinaufschrauben, daß eine Steuerflucht zweifellos eintreten müßte. Auch würde nebenbei noch eine ganze Reihe Unternehmungen ihren Sit anderswohin verlegen. Man müßte bei diesem Problem Sorge tragen, daß eine womöglich gleichmäßige Steuer eingehoben wird, weil sonft ein Land dem anderen die Steuerquellen abtreiben könnte. Das sind überaus schwierige Fragen und ich glaube daher, der Vund muß ebenso leben wie die Länder. Und ich glaube, da man dem Bunde die Hauptaufgaben überwälzt, daß man dem Bunde die Personaleinkommensteuer zu feiner Gänze übertragen muß und daß, — da befinde ich mich im Gegensatze zu dem Herrn Vizebürgermeister Gmerling daß man kaum in die Lage kommen wird, Zuschläge auf die Personaleinkommenfteuer einheben zu können, wenn die Sätze so bleiben, wie sie im Vorschlage der Regierung der Nationalversammlung unterbreitet worden sind, dann verträgt die Personaleinkommenfteuer eine weitere Belaftung nicht mehr. Wenn ein Mann mit 28.00061330.000 K Ginkommen 4000 bi3 4500 K Verfonaleinkommenfteuer zahlen. oll, fo kann er sie nicht auf einmal oder zweimal im Jahre zahlen, sondern er muß sie monatlich zahlen, weil schon 120 K Versonaleinkommenfteuer pro Kopf monatlich entfällt. Das ist eine Auslage, die mit der Lebensführung in seinem Einklang steht und es daher außzer Betracht kommt, daß man noch eine andere Steuer hinzulegen fann. Wir brauchen nur unsere direkten und indirekten Steuern anschauen, wie die Sätze für den Staat feftgestellt und welche Umlagen für den Staat festgesetzt sind und welche Umlagen eingehoben werden. Auch das ergibt nicht mehr ein richtiges Verhältnis weil die Umlagen schon bedeutend höher sind, als die Staatssteuer es ift. Der Bund muß leben und wir müssen ihm bestimmte Steuern von vornherein zuweisen. Da befinde ich mich mit den Ausführungen des Herrn Staatssefretärs a. D. Doktor Steinwender bis zu einem gewissen Grade im Einklang, daß man ihm die Zölle, Monopole, Wertzuwachsabgabe, Kentenfteuer, die Taren und (ebühren und die übrigen anderen Dinge zuweist, wenn er diese Aufgaben, die wir von ihm verlangen, lösen soll. Wenn man ihm diese Mittel weqninimt, kann er diese Aufgaben nicht löfen, nicht einmal den Zinfendienst zahlen für die Schulden, die er innerhalb eines Jahres gemacht hat. Denn 13. Milliarden innerhalb eines Jahres nur zu verzinfen, dazu gehört ein gewaltiger Aufwand, um diese Zinsen decken zu können. Wir werden,stimme ich einigen Rednern zu, — uns angewöhnen müssen, uns nach der Decké zu strecken und vernünftige Sparsamkeit auf allen Gebieten, die wir verwalten, eintreten laffen müssen, weil wir mit den Einnahmen, die zur Verfügung stehen und mit den gewaltigen Erfordernissen, die auf der anderen Seite gefordert werden, unser Auslangen nicht finden werden können. Herr Vorsitzender Landesrat Christoph: Herr Landeshauptmann Dr. Rintelen hat das Wort. Herr Landeshauptmann Dr. Mintelen (Steiermark): Ich möchte nur auf einige Punkte des Herr Vorredners zurückkommen. Herr Dr. Steinwender hat darauf hingewiefen, daß die Ginkommensteuern für die Länder nicht verwendet werden können mit Rücksicht darauf, daß das Ginkommen oft aus anderen Ländern bezogen wird. Das ist ja kein Hindernis. Denn nach unserer Gesetzgebung ist es maßgebend, daß sich die Personaleinkommensteuer nach dem Wohnsitze hält, da wir in den Dienstverhältnissen nicht das englische Steuerquellenfustem haben. Maßgebend ist nur der Ort des Wohnsitzes. Es entspricht auch dem Volksempfinden Es ist nur recht und billig und enspricht dem Volksempfinden, daß in einer Gemeinde, wo man wohnt und größzere Einnahmen hat, in Bezug auf die Einkommenfteuer das Land und die Gemeinde einen Vorteil haben. Gs ift von anderen Vorrednern eine Anzahl Ziffern gebracht worden, deren egenbeweis die Unmöglichkeit der Durchführung bilden foll. Da erlaubé ich mir zu warnen. Mit Rücksicht darauf, daß bekanntlich große Rückstände bestehen, ist der Umstand, daß bestimmte Steuerbeiträge in bestimmten Quartalen eingehoben werden, wohl nicht maßgebend, sie als Grundlage Insteamaticher und prinzipieller Steuerbehandlung
41 zu nehmen. Dazu kommt noch, daß die Steuerkraft Wiens infolge der Änderung der Grenzen und der Verminderung des Staatsumfanges im wirtschaftlichen Abstiege begriffen und der Wohlstand vermindert worden ist und daß die Steuern, die im Jahre 1919 eingehoben worden find, zum TeilRückstände aus früheren Zeiten sind. Ich möchte auch bezüglich der prozentuellen Behandlung darauf hinweisen — und das war gewiß nicht ohne Bedeutung — daß in der Roalitionsvereinbarung ein Passus enthalten ist: Die Steuerhoheit steht dem Bunde zu. Dieser Passus ist aus der Koalition entfernt worden. Und gerade das Ausscheiden dieses Passuses ist besonders wichtig für die Veurteilung dieser Steuerfragen. Im übrigen möchte ich noch hinweisen auf die Schwierigkeiten, die gewisse Steuerfragen bei Behandlung des Verhältnisses zwischen Bund und Land und bei Behandlung der Verfassungsfrage haben und die zum Großteil auf der Unklarheit und Rückständigkeit unferes ganzen Steuerfhstems beruhen. Ich appelliere daher, daß es zweckmäßig wäre, in dieser Frage zu einer zeitgemäßen Reform des ganzen Steuerwesens überhaupt zu kommen. (Beifall.) Herr Vorsitzender Landesrat Christoph: Zum Worte gelangt Herr Dr. Steinwender. Herr Staatssekretär a. D. Dr. Steinwender: Fs ist festzustellen, daß wesentliche prinzipielle Widersprüche nicht erhoben wurden. Natürlich werden wir nicht rechnen können, daß wir in Wien wie im ersten Salbjahr 1919 über Ginnahmen von 1300 Millionen direfter Steuern verfügen können, da Kriegsfteuern dabei waren, die ganz ausnahmsweife eingehoben wurden, und da auch Rückstände dabei wären. Immerhin wird Wien nicht schlecht fahren bei dem Vorschlage. Von der Gebäudesteuer werden auf Wien ungeJähr drei Viertel der ganzen Ginnahmen entfallen. Das ist schon etwas Wesentliches. Dann aus der rwerbsteuer wird auch ein großer Posten für Wien bleiben. Dann schließlich habe ich erwähnt die Getränfefteuer, und da muß ich fonftatieren, daß die Vier- und Vranntweinsteuer sicherlich nicht zurückgehen werden. Aber etwas müssen sich die Gemeinden noch angewöhnen: mehr aufzubringen aus ihren eigenen Mitteln und weniger vom Bunde zu erwarten wie bisher. In Verlinwurden zu Kriegsbeginn an Gemeindesteuern 100 zige Zuschläge erhoben und in vielen anderen größeren Städten Deutschlands wurden an 200 bis 300 2 erhoben. Man wird sich eben auch bei uns daran gewöhnen müssen, für die eigenen Bedürfnisse die Mitbürger heranzuziehen und sich nicht bloß auf Stadt und Land zu verlassen. Wien wird voraussichtlich nicht schlecht wegkommen, aber auch den armen Ländern braucht nicht zu grauen. Ich habe mir aus dem Voranschlage ür das Jahr 1914/15, alfo dem letzten Friedensvoranschlage, zusammengeftellt, was Kärnten für das Reich leistete, und gefunden, daß es 18 Milli6 236 42 onen an direften und indirekten Steuern lieferte. Der Staat hatte also von Kärnten 18 Millionen Kronen an direkten und indirekten Steuern eingenommen, von diesen 10 Millionen Kronen für sich genommen und 8 Millionen Kronen für die Ausgaben im Lande verwendet mit Ausnahme der Auzlagen für das Militär. Gs wurde also mehr als die Hälfte der Einnahmen des ganz armen Landes für gemeinsame Angelegenheiten, für Schuldendienft und Militär verwendet. Das macht pro Ropf 25 K, was allerdings nicht dem Durchschnitte entspricht, denn dieser macht 40 K. Nun, wir hatten auch andere arme Länder, die nicht passib gewesen sind. Von der Passivität wurde nur immer so hin und her geredet. Wirklich passio war nur Dalmatien. Alle anderen Länder waren aktib, auch Galizien, nur nicht in dem Maße wie die übrigen Länder. Auch die anderen Länder werden leben können. Ich bin froh, daß von allen Seiten jetzt in diesem Sinne gesprochen wurde. Wir brauchen uns also nicht davor zu fürchten. Wir brauchen auch die Einteilung nur provisorisch. Nach dem ersten Abrechnungsjahr werden wir ja die Abrecht nung fehen. Der Staat aber mußz seine eigenen sicheren Ginnahmen haben, ebenso die Ländernur muß eine gewisse Teilung vorgenommen werden. Die Teilung muß allerdings anfangs probiert werden, das Sparen dazu. Und das Sparen wird kommen, wenn die Länder für sich selber zu sorgen haben. Vorsitzender Herr Landesrat Christoph (Salzburg): Zum Worte gelangt Herr Minifterial rat Grünwald. Sollen die Ausführungen des Herrn Ministerialrates als nicht öffentlich oder als öffentlich betrachtet werden? (Zurufe: „Als öffentlich14) Wie mir Herr Staatssekretär Dr. Mahr mitteilt, wird Herr Ministerialrat selbst erklären, wann er Vertraulichkeit wünscht. Herr MinisterialratGrünwald: Meine Herren! Ich möchte mir zunächst mit Rücksicht auf eine Äußerung des Herrn Landeshauptmannes Doktor Gnder die Bemerkung geftatten, daß wir in der Zentralfinanzverwaltung uns in den Gedanken der Föderalisierung sehr gut einleben können. Gs ist dies kein Verdienst, sondern liegt im Wesen der Finanzverwaltung. Gs ift ja bekannt, daß die Ausgabengefeßgebung der Sechziger- und Siebzigerjahre ehr stark autonomistisch war und speziell von Seite der Finanzminister und von der Finanzverwaltung gefördert wurde aus dem sehr begreiflichen Grunde, weil es ja keine sehr angenehme und dankbare Aufgabe ist, für möglichst große Ausgaben die Bedeckung zu schaffen. Noch weniger dänkbar ist es für eine Verwaltung für Ausgäben, die nicht von der betreffenden Verwaltung selbst, sondern von anderen Verwaltungen beftritten werden, die Einnahmen zu beschaffen, so daß auch auf dem (ebiete des Einnahmenwesens ein Bestreben nach Vereinheitlichung bei der zentralen Verwaltung
nur insoweit besteht, als diese eben aus allgemeinen Bedürfnissen und aus technischen und aus volkzwirtschaftlichen Rücksichten sich als notwendig erweist. Nun ist es allerdings so, daß wir die Föderalisierung auf beiden Seiten gleichzeitig in Betracht ziehen, nämlich auf Seite des Einnahmenwesens und auf Seite des Ausgabenwesens und eine einfeitige Dezentralisierung des Einnahmenwesens allein nicht für gut möglich halten. Die besondere Schwierigkeit der Tösung des Finanzproblems bei Schaffung des öfterreichischen Bundesstaates ift schon mehrfach erwähnt worden. Sie befteht unter anderem — zum Unterschiedvon Neugründungen von Bundesstatten aus bisher selbständigen Staaten — darin, daß die Dezentralisierung von Ausgaben und die Dezentraliierung der entsprechenden Einnahmen schwieriger ist, als die bei Neugründungen eintretende Zentralisierung. Sie besteht weiter — und das ist bei den öfterreichischen Verhältnissen augenfällig. darin, daß ein Bund geschaffen werden soll. dem bereits von vornherein ganz ungeheure Ausgaben angelaftet find und der nicht finanziell jungfräulich ist, wie es andere Bundesstaaten bei ihrer Gründung waren. Und schließlich — so merkwürdig es flingen mag — ift die Situation eines neugegründeten Bundesstaates vielleicht dadurch beffer, daß er feinen eigenen Anwalt hat. Man betrachtet bei uns als Anwalt des fünftigen Bundesftaates die Regierung des jebzigen Ginheitsftaates, der man sozusagen die Tnterefsenbertretung des fünftigen Bundes überläßzt. Bei der Gründung von Bundesstaaten — vom grünen Unger ausfühlen sich dagegen die einzelnen Staaten felber auch als Vertreter des fünftigen Bundes und daher als verpflichtet, in außzerordentlich weitgehendem Maße für diesen Bund zu sorgen. Es ift ja allerdinqs von Seite des Herrn Abgeordneten Runschaf und von Seite des Staatssekretärs Herrn Dr. Steinwender und auch vom Herrn Landeshaubtmann Dr. Ender darauf hingewiefen. worden, daß dem Bunde genügend Einnahmsquellen bleiben müffen; trotzdem ist aber sehr stark im Vordergrunde der Diskussion das Steuerverteilungsgefet und die Zuwendung von Steuern an die Länder gestanden, viel weniger dagegen die Grörterung über den Umfana der Ausgaben, die den Ländern beziebungsweise den Einzelftaaten überwiesen werden follen. Obwohl die Steuerhoheit der Ginzelftaaten fehr ftarf betont worden ift, ist nur ganz gelegentlich von Herrn Vizebürgermeister Emerling (Wien) das Wort von den "Matrikularbeiträgen" gefallen. Ich möchte aufmerksam machen, verehrte Herren, daß von den bekannteren bundesstaatlichen Verafsungen nur die nordamerikanische Bundesverfassung keine Matrikularbeiträge vorgesehen hat, weil die Finanzgewalt des Bundes in den Vereinigten Staaten von vornherein eine außzerordentlich weitgehende gewesen ist. Dagegen haben ur- sprünglich die Bundesverassung des Deutschen Reiches und die schweizerische Verfassung vom Jahre 1848 Matrikularbeiträge in Aussicht genommen. Ich möchte nicht dem Sustem der Matrikularbeiträgé das Wort reden. Es hat sich in der Sache eigentlich überall nicht besonders bewährt. Aber es kommt in dieser Einrichtung zum Ausdruck, daß man von voriherein auf das ängstlichste besorgt war - und das scheint mir für den Kredit eines Bundes außerordentlich wichtig — Sicherheiten zu schaffen, daß der Bund nicht in den Fall geraten könnte, nicht über genügende Einnahmsquellen zu verfügen. Trok des Unterschiedes, der zwischen der Neugründung eines Bundesstaates und dem Problem besteht, vor dem wir stehen, hat Herr Staatssekretär Dr. Steinwender gestern bezüglich der Einnahmen — vollständig im Sinne des Gedankenganges der Neugründung eines Dundesftaates den Standpunkt vertreten, daß zunächst alle Einnahmsquellen den Einzelftaaten anheimfallen und von diesen in gewissen Grenzen dem Bunde zur Verfüguna gestellt werden müßten. Die gleiche Konsequenz hat er jedoch bezüglich der Ausgaben nicht gezogen. Allerdings hat sich Herr Staatssekretär Steinwender ziffermäßig mit den Ausgaben des künftigen Bundes beschäftigt. Ich war bei der Schnelligkeit dieses Vortrages nicht in der Lage, den Zahlen zu folgen. Ich glaube, richtig verstanden zu haben, daß die vorübergehenden Ausgaben, diejenigen Ausgaben, die im Voranschlage so bezeichnet sind, zunächft gewissermaken nicht in Rechnung zu ziehen seien, weil sie eben nur vorübergehender Natur find. Dazu gehören jedenfalls nicht die Deamtenausgaben, die der Herr Staatsfefretär felbft nicht als vorübergehende anfieht. Zweitens hat der HerrStaatsfefretär mit der baldigen Herabsetzung auch der bleibenden Ausgaben durch die Vermögensabgabe gerechnet. Was zunächft die vorübergehenden Ausgaben anlangt, so ift es richtia, daß diese vorübergehenden Ausgaben einen etwas eigenartigen Charakter haben. Wir werden hoffentlich diese Ausgaben nicht allzulange und nicht in der gegenwärtigen Söhie behalten. Ob sie vorübergehend nicht noch höher werden, ist noch die Frage. Aber das kann keinem Zweifel unterliegen, daß diese Ausgaben nicht von heute auf morgen verschwinden werden und daß sich diese Ausgaben zum Teil in dauernde Laften verwandeln und zwar dadurch, daß sie im Kreditwege bestritten werden; geschieht dies durch Noten, dann bewirfen sie eine Steigerung der Geldentwertung und damit des ganzen Ausgabenbudgets, werden sie im Wege eines normalen Kredites bestritten, dann gehen die Zinsen und Amortfationsqutione dieser Unleihe in eine dauernde Belaftung über. Was die Vermögensabgabe anbelangt, so ist selbst bei den weitgehendsten Anträgen, die im Unter
43 ausschluß von Seite der sozialdemokratischen Vertreter geftellt wurden, mit einem plötzlichen und chnellen Abbau von Ausgaben durch ihren Ertrag deshalb nicht zu rechnen, weil mit dem einmaligen Einfließen der Vermögensabgabe nicht gerechnet werden kann. Selbst von Seite der Sozialdeinofraten ift die rentenweise Abstattung der Vermögensabaabe bei induftriellen und agrarischen Betrieben von vornherein in Aussicht genommen worden. Aber selbst wenn es zu einer Abstattung der Abgabe von mobilem Vermögen auf einmal käme, würde das nicht eine plötzliche, entsprechende Tilgung der Schulden ermöglichen. Denn entweder würde der Staat diesen größen Wertpahierbesitz nur fukzessive abstotzen können, um sich nicht selbst die Veräußerungskurse zu drücken, oder ermüßte die betreffenden Objekté verschleudern und würde dadurch einen sehr äeringen Effekt erzielen. Ich meiné, so günstig wie Herr Staatssekretär Steinwender gestern die Situation für den künftigen Bund geschildert hat, vermag ich sie zu meinem Bedauern nicht anzusehen. Ich möchte mir, meine Herren, bevor ich dazu übergehe, die Löfungsmöglichkeiten zu besprechen, gestatten, mit wenigen Worten auf die gegenwärtigen Verhältnisse und die gegenwärtigen Zutände, die durch die Verfassung in neue Zustände überführt werden sollen, einzugehen. Die Verhältnisse zwischen Staat und Land stellen sich heute auf dem Gebiete des Abgabenwesens in olgender Weife dar. Auf der einen Seite bestehen gewifse Parallelbefteuerungen, d. h. Staat und Land benutzen gewisse Einnahmsquellen gemeinfam, das find die Ertragsfteuern, bei denen die Staatsfteuern mit ihren Zuschlägen bestehen. Wir haben heute chon aber auch eine gewisse Trennung der Steuern durchgeführt. Es ift eine Reihe von Abgaben, die heute fchon die Länder allein benukzen, wenn ich auch zugebe, daß ihrer nicht viele find: dazu gehört die Wertzuwachsabgabe. In stärferem Umfange ift die Trennung in anderer Richtung durchgeführt worden. Wir sind in steigendem Maße dazugekommen, gewisse Steuern dem Staate vorzubehalten in der Gesekzgebung und Einhebung, wenn auch nicht durchaus in der Verwendung: Im Jahre 1891 die Branntweinsteuer, im Jahre 1896 die Ginkommenfteuer. Während des Krieges ist dieser Prozeßz noch sehr fortgeschritten und hat auch die Viersteuer und die Erbgebühren erfaßt. Ich möchte bei dieser Gelegenheit auf die Bemerfungen des Herrn Vizebürgermeisters Emerling über Zuschläge zur Ginkommenfteuer reflektieren. Die Zuschlagsfreiheit der Einkommensteuer war einer der Ffälle, wo wir einmal den anderen vorangegangen find, und, so weit fich das jekzt fonftatieren läßt, mit mustergehbend gewesen sind. Wir haben felbft damit das enalische Sustem nachgeahmt, das auch die Ginkommenfteuer dem Staate vorbehält, und zu diesem ESystem sind jüngst auch 237 44 Deutschland und Frankreich übergegangen. Ich glaube nicht, daß wir Rückschritte auf diesem (ebiete machen follten. Das Sustem der Vereinheitlichung und seine Gründe sind sehr wichtig für die Veurteilung der anderen einschlägigen Probleme. Was man dafür anführt, ist, daß sich Vebrauchssteuern überhaupt nur aut bei der Produktion und einheitlich in dem von einer Zollgrenze umschlossenen Wirschaftsgebiete einheben lassen. Bei Einkommen- und Vermögenssteuern ist die einheitliche Veranlagung technisch einfacher, weil die ganze Frage der „Ausscheidung", der Teilung des einheitlichen Einkommens und Vermögens nach den Produktionsstätten entfällt. Man hat sich aber auch gefagt, daß die Vereinheitlichung bei gewissen Steuern volkswirtschaftlich besser ist, weil die ganzen Steuerfluchtbestrebungen und jene Wanderungen, die man z. B. in Deutschland konstatiert hat, nach den Gebieten der niedrigeren Steuer wegfallen. Man hat auch finanzielle Gefichtsbunkte berückfichtigt und, meine Herren, das ist außerordentlich wichtig. Man hat in Deutschland von „Steueroasen“ gesprochen. Wenn gewisse Steuern nicht einheitlich eingehoben werden, so muß es immer Gebiete geben, in denen die Steuerkraft nicht soweit ausgeschöpft wird, als es möglich und — besonders inn unserer Zeit notwendig ist. Dan es aber heute notwendig ist, die Steuerquellen überall bis an die Grénzen auszuschöpfen, darüber fann fein Zweifel beftehen. Im Zusammenhang mit dieser Steuerbereinheitlichung haben sich gewisse Zahlungen des Staates an die Länder entwickelt. Diese Zahlungen des Staates haben verschiedenen Charäkter. An erster Stelle ftehen „Dotationen“: ich wähle diesen Auzdruck der jüngften Regierungsvorlage und nicht den Ausdruck „„Überweisungen“. Diese Dotationen haben geftern vom Herrn Abgeordneten Runschaf, aber auch von anderer Seite fehr flarfe Anfechtungen erfahren. Ich bin nicht in der Lagediesen Anfechtungen im Prinzip zu widersprechen. Ich möchte nur, meine Herren, in wenigen Worten erinnern, wie diese Dotationen entständen sind. Sie waren urfbrünglich — und das hat auch HerrLandeshauptmann Dr. Gnder angedeutet — nichts anderes als Einnahmsbeteiligungen der Länder an bestimmten Steuern, „Überweifungen“ aus deren Ertrage. Wir haben Perfonalüberweisungen gehabt, die allmählich zu Realsteuerüberweisungen wurden, zu einer gleichen Beteiligung jedes Landes an den in feinem Gebiete einfließenden Realfteuern. Wir hatten ferner Vranntweinfteuerüberweisungen die nach einem Schlüfsel auf die Länder aufgeteilt wurden, der überwiegend auf dem Anteil der Länder am Branntweinverbrauch beruhte. Auch diese Überweisungen beruhten also auf dem Gedanken einer Beteiligung der Länder am Staatssteuerertrage Der Staatssteuerapparat wird zu einer Steuerschöpfmaschine für den Staat und die Länder. Der Staat gibt jedem einzelnen Lande die gleiche
Quote der Steuer von jenem Branntwein, der in dem Lande fonfumiert wird. Und schließlich war es auch bei der Viersteuer so gedacht. Wenn es nun zu einer Degenerierung dieser überweisungen zu den jetzigen in festen Beträgen bestimmten Dotationen gekommen ist, so war die Ursache keineswegs die, daß der Staat die Absicht hatte, den Ländern Bauschalgeschenke zu machen. Ich glaube, es kann keinem Menschen einfallen, derartige Zuweisungen als Geschenke anzusehen, während sie faktisch nichts anderes sind als die entsprechende Vorsörge für die Aufgabe der betreffenden Körperschaften. Wohl aber geschah die Umwandlung in fefte Dotationen ausschließlich im Interesse der Länder. Der Grund war, daß die Vierfteuer und die Branntweinfteuer wegen des Produktionsrückganges vollkommen verfagten, daß der Staat, um den Ländern das überweisen zu können, was in der Absicht des urfprünglichen überweisungsgesetzes lag, nicht nur den ganzen Ertrag der Viersteuer verwenden, sondern wefentlich darüber hinausgehen mußte. Gs war eine Kriegsnotmahnahme, die wir gemacht haben, wie fo viele andere mit sehr erheblichen Schättenseiten. Es ist zweifellos eine böje und auf die Dauer unhaltbare Sache, wenn man Jahr für Jahr irgend welche feste Dotationsbeträge festsetzen soll, ohne daß ein innerlich begründeter Schlüffel vorliegt. Eine zweite Gruppé von Zahlungen des Staates an die autonome Verwaltung, die gegenwärtig in Vorbereitung find, sind echte Überweisungen, die der Herr Abgeordnete Kunschak als Ertragsüberweisungen keineswegs prinzipiell perhorreszierte. Das sind die vorgeschlagenen Überweisungen an die Gemeinden aus der Dinienverzehrungsfteuer, aus der Hauszinssteuer und aus der Fleischsteuer. Endlich hat fich in leßzter Zeit eine neuartige Grupbe von Zahlungen des Staates an die autonome Verwaltung entwickelt, nämlich in Fform einer Ausgabenbeteiligung des Staates an gewiffen Ausgaben der autonomen Verwaltungen. Es find dies Ausgaben für die Zulagen zur Lehrerbefoldung und für die Beamtengehaltserhöhung infolge des Nachtrages zum Befoldungsübergangsaefet. Meine Herren! Ich möchte Ihuen einige Ziffern nennen. Ich möchte zunächft konstatieren, daß die Zahlungen des Staates an die Länder, wenn die anhängigen Gesekentwürfe durchgeführt werden, und daran ist wohl nicht zu zweifeln, mindeftens etwa 600 bis 700 Missionen Kronen betragen werden. Ich möchte folgendes vergleichen: Im Jahre 1910. haben die Ausgaben der Länder etwa ein Siebentel der Staatsausgaben ausgemacht. Die überweijungen haben etwa 49 von den ftaatlichen Steuern plus dem Reinertrag der Monopole ausgemacht. Ich habe versucht, dasselbe Verhältnis für die jeßzige Zeit schäkzungsweise zu ermitteln und bin dazu gekommen, daß die Länderausgaben jetzt etwa ein Dreikiastel der Staatsausgaben beträgen und daß die Zahlungen des Staates etwa 20% der Steuern ausmachen. Meine Herren! Das Problem, vor das wir durch die Verfassungsreform gestellt werden, ist nach der Kritik, die das bisherige Dotationsfystem gefunden hat, ein doppeltes. Ginmal handelt es fich um einen Erfatz der bisherigen Zuweisungen durch eigene Steuern, beziehungsweise durch Steuerbeteiligung der Länder. Es handelt sich zweitens darum, auch für die neuen Ausgaben, die die Länder durch die neue Verfassung übernehmen sollen, gleichfalls neue Ginnahmen zuzuweisen. Ich kann mir nicht gut denken, daß, wie Herr Dr. Steinwender vorschlug, diese beiden Gruppen verschieden behandelt werden follen, daß man für die alten Staatsausgaben der Länden eine derartig geänderte Form der Bedeckung schafft, es für die neu übernommenen Staatsausgaben aber bei Subventionen und Erfatz der Ausgaben durch den Bund beläßt. Sonst würde gerade für dieses letztere außerordentlich wichtige Gebiet der Grundfaß, daß die Länder auf feste beziehungsweise auf nicht willkürlich zugestandene Einnahmen gestellt werden sollen, versagen. Wenn ich davon ausgehe, daß einheitlich geplant ist, für sämtliche künftige Staatsausgaben der heutigen Länder und künftigen Ginzelstaaten ein Syftem der Deckung durch eigene Steuern oder durch die Beteiligung an Staatsfteuern einzuführen, komme ich zu folgenden Ziffern. Ich gehe aus von den Staatsausgaben und zwar einschließlich der vorübergehenden Ausgaben. Denn heute sind diese vorübergehenden Ausgaben solche, daß wir nicht wissen, wieweit sie vorübergehende sind oder nicht. Ich gehe aus von den Staatsausgaben des Voranschlags mit zwei Nachträgen, ziehe aber bereits den Aufwand mit ein, den der Nachtrag zum Befoldungsübergangsgefeß verurfacht, während ich auf der Einnahmenseité die präliminarmäßig geschätzten Eingänge aus den Tariferhöhungen auf den Eisenbahnen und bei der Post usw. in Rechnung stelle. Ich komme zu folgendem: Die Staatsausgaben betragen 15-1 Milliarden, die Einnahmen des Staates ohne Steuern und ohne die Reinerträgnisse der Monopole belaufen sich auf 4-8 Milliarden einschließlich der Tariferhöhungén. Der Abgang ohne Berücksichtigung der Besteuerung macht 103 Milfiarden. Die heutigen Steuern famt dem Reinertrag der Monopole sind im Voranschlage mit 14 Milliarden veranschlagt. Ich möchte bétonen, daß dieser Voranschlag keineswegs ein besonders ungünftiger ift, wie die Erfolgausweise des ersten Salbjahres 1919 zeigen. Bei den direften Steuern und bei den Zöllen ergibt sich eine günftigere Gestaltung fonft aber nicht. Die Steuereinnahmen aus dem Steuerprogramme sind geschäkt auf 1-9 Milliarden, dies bei einer Erhöhung der Ginkommenfteuer bis zu 609.
45 Auch die Vermögenssteuer und die Vermögenszuwachssteuer sind schon darin einbezogen. Es ergibt sich eine Steuereinnahme von 3-3 Milliarden einschließlich der Erhöhungen. Verehrte Herren! Das ergibt eine gegenwärtige Steuerdeckung von einem Drittel des Abganges. Ich habe aber dabei, wie erwähnt, nicht den dritten erst in Vorbereitung stehenden Nachtrag zum Budget berücksichtigt, sondern nur zwei Ziffern einbezogen, die sich gegenseitig kompensieren. Verehrte Herrenl Nunfragt es sich, wie soll sich die Situation gestalten, wenn man für die Länder beziehungsweise für die fünftigen Einzelstaaten eine Steuerdeckung beschaffen soll für diejenigen Ausgaben, die sie bisher aus den Bauschalzuwendungen des Staates beftritten haben und für die Ausgaben, die fie neu übernehmen sollen. Gs handelt sich dann um einen Betrag von mindeftens 700 plus 800 Missionen Kronen, das find 1-5 Milliarden. (5s fäme dann nicht dahin, daß die Länder an den Steuern beteiligt wären, sondern die Einzelstaaten hätten eigentlich die ganzen Steuern zu ihrem Zwecke zu bekommen, die der Ginheitsftaat gegenwärtig, vor Durchführung des Steuerprogramms, einhebt. Nun könnte man ja jagen, das ist ja gleichgültig, der Staat zahlt heute die 700. Millionnen, er gibt den Ländern Dotationen, überweisungen ufw., er zahlt ja auch die Aufwendungen heute, die die Länder in Zukunft übernehmen follen. Natürlich ift die Sache nicht o. Ein Budget des Bundes, dessen Steuerdeckung auf Null oder auf ein Achtel herunterfinfen würde, meine Herren, ein derartiges Budaet wäre ein Ding der Unmöglichkeit. Es ist eben nicht so, daß der Staat heute etwa den Ländern aus seinen Steuereinnahmen 700 Milsionen zahlen. würde, es ift auch nicht so, daß der Staat die von den Ländern zu übernehmenden Ausgaben heute aus feinen Steuern zahlt, sondern faftisch zahlt der Staat etwa ein Drittel sowohl der bisherigen Zuwendungen, als der fünftig von den Ländern zu übernehmenden Ausgaben aus Steuern und drei Viertel zahlt er im Kreditwege, entweder durch Uusaabe von Noten oder aus fonftigen Krediten. Und es wäre daher, wenn die ohnedies turze Steuerdecke des Bundes nicht noch mehr verkürzt werden foll, nur denkbar, daß, wenn den Ländern eine Steuerdeckung für diese Dinge gegeben werden soll, sie nur etwa in dem Verhältnisse gegeben werden kann, in welchem der Bund seine Ausgaben aus Steuern deckt. Das Ergebnis wäre, daß die Länder für 1500 Miltionen Ausgaben 425 bis 500 Millionen Steuer bekommen würden und eine Milliarde im Kreditwege zu beftreiten hätten. Es geht das Problem darauf hinaus, ob die Kreditinanspruchnahme, wie es bis jetzt der Fall war, gänzlich zentralifiert und vom Staate in Anfpruch genommen. und den Ländern zur Verfügung gestellt werden. soll oder ob die Kreditinanspruchnahme dezentra238 46 lisiert werden soll. Ich bin fest überzeugt, daß heute der Kredit der Länder befser ist als der des Staates, aber nur deshalb, weil sie ihn nicht so sehr in Anspruch nehmen, weil der Staat den Ländern die Notwendigkeit abnimmt, den Kredit in Anfpruch zu nehmen. Gs wäre nicht viel anders als mit dem Landespabiergeld. Kleine Quantitäten des Landespapiergeldes find fehr begehrt und halten guten Kurs. Man verwendet fie als Anlagepapiere. Ganz anders aber wird die Sache, wenn ein Land gezwungen wäre, Massenausgaben auf diesem Wege zu beschaffen, dann würde die Situation ganz anders ausschauen. Das öfterreichische Pabiergeld ist kein Muster an Wertbeständigkeit und dennoch glaube ich, daß noch immer der Kurs eines österreichischen Papiergeldes sich günftiger hält als der des Geldes einzelner Länder bei Ausgabe im großen Stil. Ich halte es für ungemein wichtig, daß auf diesen Gesichtspunkt Rücksicht genommen. wird, daß nicht einseitig die Steuerbedeckung des Bundes und damit der österreichischen Staatsnote wir haben ja feine Danf-, sondern eine Staatsnote — dadurch herabgefetzt wird, daß eine verhältnismäßzig zu günftige Steuerbedeckung der den Ländern zu überweisenden Ausgaben erfolat. Ich habe versucht, mir, während Herr Dr. Steinwender eine letzten Vorschläge gemacht hat, ihre Wirkung ziffermäßig zusammenzustellen und bitte, selbst bei diesem gewiß nicht übermäßigen Steuerüberweisungsprogramm mit Realsteuern 150 Millionen, Mobiliargebühren 52 Millionen, halber Erwerbsteuer 67 Millionen, halben Getränfefteuern 182-7 Millionen Kronen — ich rechne einschließlich der Erhöhung — würden sich 452 Millionen Kronen überwiesene Steuern an die Länder ergeben. Das ist schon ein ganz anderes Verhältnis als dasjenige, in dem der Staat feine Ausgaben durch Steuern deckt. Denn wenn die neuen Ausgaben ganz in der jetzigen Weise weiter dem Bunde zur Bestreitung überlassen werden, so würden an Stelle der 700 Millionen bisheriger Dotationen ufw 452 Millionen Kronen treten. Gs würde dies noch immer einer Steuerdeckung von etwa zwei Drittel entsprechen. Wenn nun die Lösungsmöglichkeiten erörtert werden sollen, so ist eigentlich eine Reihe von Dingen, die ich fagen wollte, durch die ausgezeichneten Ausführungen des Herrn Landeshauptmannes Dr. Gnder gegenstandslos geworden. Einer der wichtiaften Bünfte ift zweifellos der, daß bei der Auswahl und der Festsetzung Ausmaßes der den Ginzelstaaten ganz oder einem Teilertrage zu überlaffenden Steuern eine Relation hergeftellt werden muß zu den Ausgaben und diese Relation ist zweifellos nicht herzustellen, bevor nicht der Entwurf der Verfassung fertiggestellt ift und im Zusammenhange mit diesem nicht ganz flar geftellt ift, welche Auslagen die Länder zu tragen haben. Gs ift heute in Diskussion gestanden. Übernahme der Volksschule, die Übernahme der
Volksschule durch den Bundesstaat aus Anlaßz der Töderalisierung. Ich habe keine Daten, aber ich glaube, die übernahme des Perfonalaufwandes der Volksschule, soweit ihn der Staat nicht jetzt schon trägt, dürfte 350 Millionen betragen. G8 ist auch in Diskussion gestanden die Gendarmerie und eine ganze Reihe wichtiger Auslagen, so daß es unmöglich ist, heute schon festzustellen, welche Summen von Ausgaben von den Ländern übernommen werden sollen. Ich selbst bin ausgegangen von der Kompetenzverteilung im Entwürfe des Herrn Staatssekretärs Dr. Mahr. Meine Herren, die verschiedenen prinzipiellen Möglichkeiten nun, die bei einer Löfung des Finanzproblems gegeben sind, sind eigentlich gestern vom Herrn Abgeordneten Kunschak angedeutet worden. Das idealfte Suftem wäre das, wenn der Bund und die Ginzelstaaten ihr eigenes Steuerfuftem hätten und einer durch das Steuerystem des andern nicht berührt würde. Das gibt es aber nirgends, und ich glaube nicht, daß ich die Gründe anführen muß, die das unmöglich machen. Ein präktisch mögliches System ist jenes, das zum Teil bei uns und auch in Deutschland befteht. Gs befteht in der Varallelbefteuerung. Der Bund beziehungsweise der Einheitsstaat hebt Abgaben ein, die Ginzelftaaten heben gleichartige Abgaben oder Zuschläge zu den Bundesabgaben ein. Die Konfurrenz behindert vielfach beide Teile. Von größerer Bedeutung ist in Bundesstaaten ein zweites Syftem, die Trennung der Steuergewalten. Gs fommt in zwei Unterformen, die untereinander und mit der Parallelbefteuerung tombiniert fein können, vor. Entweder lätzt man grundsätzlich den größeren Teil bei den engeren Verbänden, bei den Ginzelstaaten und gibt dem Bundesftaate nur jene Steuern, die aus volféwirtschaftlichen und technischen Gründen dazu ganz besonders geeignet find. Dazu gehören die indireften Verbrauchs-, die Verkehrssteuern und die Zölle. Gs ift aber in diesem Falle immer und immernotwendig gewesen und findet sich auch unter derartigen Voraussetzungen, den Haushalt des Bundes durch Matrikularbeiträge sicherzustellen. Daß diese Einrichtung der Matrikularbeiträge fehr böfe Folgen haben kann, hat die moderne deutsche Finanzpolitit gezeigt und man ift in Deutschland darum darangegangen, dieses System zu beseitigen und die entgegengefeßte Art der Trennung der Steuergewalt durchzuführen. Diese besteht darin, das Gewicht nach oben zu verlegen. Es wird ein Großteil der wichtigften Abgaben dem weiteften Verband übertragen. Dieses Syftem haben wir im großen und ganzen bei uns schon durchgeführt. Dieses Systemift, wie ich bemerken möchte, jenes, das im Ausland seit jeher stark verbreitet ift und dem englischen finanzihstem zugrunde liegt. Es wird auch gegenwärtig im nordamerikanischen Bundesstaate von den maßgebendsten Finanzpolitikern vertreten. (s der ist auf das gegenwärtige Deutsche Reich über- gegangen. Die Vorteile dieser Regelung find naheliegend und schon angedeutet worden. Vor allem sind die technischen Vorteile außzerordentliche. Mar kann heute Verbrauchsfteuern überhaupt nicht aut anders einheben als im weitesten Verband, der das Zollgebiet bildet, einheitlich innerhalb ftaatlich fontrollierter Zollgrenzen. Alle anderen Verbrauchsabgaben haben sich nicht bewährt, höchstens noch die Zinienverzehrungssteuern. Sonft ist eine Grenzbewachung und sind Zwischenzölle im einheitlichen Wirtschaftsgebiet faum zu vermeiden. Das zweite sind die großen volkswirtschaftlichen Vorteile der einheitlichen Besteuerung im ganzen Staatsgebiete, die Verhinderung der Steuerflucht, der Abwanderung von Vermögen. Schließlich habe ich die großen finanziellen Vorteile schon angedeutet, die durchschlagend für die Neuordnung des reichsdeutschen Finanzwesens geworden ind. Wir sind jetzt in einer Situation, in der wir alle Steuerzweige aufs höchste ausnützen müssen. Wir können keine Steuerkraft dadurch unbenütt laffen, daß sich in einem Lande die Einkommenfteuer auf 109, in dem anderen auf 2096 beläuft. Wir müfsen sie überall auf die höchste Söhe bringen. Das ist der Grund, warum dieses System überall im Vormarsch begriffen ist in allen Bundesstaaten und umsomehr in aller Einheitsstaaten. Eine Korreftur dieses Snftems macht sich jedoch unbedingt notwendig, es müssen auch die Länder eventuell die Gemeinden mit Ginnahmen verforgt werden, soweit die ihnen überlafsenen Einnahmen zu gewähren find. Es fann dies durch Beteiligung dieser Körperschaften an den vereinheitlichten Abgaben geschehen, ein Syftem, dem gestern der Herr Abgeordnete Runschaf, heute andere Herren das Wort redeten. Die Ginnahmebeteiligung hat zweifellos vor den festen Dotationen und auch vor der noch erörternden Ausgabebeteiligung manche Vorzüge Sie hat den Vorzug, daß die Ginnahmen selbst in gewissen festen Grenzen gegeben sind und das freie „Draufloswirtschaften“ nicht möglich ist. Sie hat aber auch Mängel, meine Herrenl Welche der Abgaben soll man zur Beteiligung auswählen? Das hat natürlich seine Schwierigkeit, die man nur dadurch überbrücken kann, daß man verschiedene Einnahmen kombiniert. Es ist im Interesse der verschiedenen Körper und Territorien gelegen, welche die Steuern verwenden, daß ie fombiniert eingehoben werden. Der Maßstab der Aufteilung ist eine große Schwierigkeit. Erist nicht immer so klar gegeben, wie bei unseren Realsteuerüberweisungen. Da hat sich natürlich ganz flar erheben laffen, wo sie eingehoben wurden. Dem betreffenden Lande sind sie dann mit einer Quote zugewiesen worden. Schon bei einer Einkommensteuerüberweisung würde sicher die Forderung erhoben werden, daß demjenigen Lande, wo die Produktionsstätte und nicht wo der Wohnort der Steuerpflichtigen ist, ein Teil zugewiesen
47 werde. Besonders schwierig ist die Sache bei den indirekten Steuern. Bei den indireften Steuern hat bereits früher bei uns eine Ertragspartizipation der Länder stattgefunden. Wir haben das aufgegeben, weil wir feine entsprechende moderne mit der jeweiligen Entwicklung fortschreitende Feststellung des Konsums in den einzelnen Tändern gehabt haben. Ich gebe zu, daß diese Daten bis zu einer gewissen Grenzé zu erheben sind. So wäre es heute verhältnismäßig leicht beim Spiritus zu erheben, folange wir die Organifation der Spirituszentrale haben. Schwieriger ist die Sache beim Vier. Meine Herrenl Bloße Tranzportausweise sind eine ungemein unverlätzliche Sache. Das haben wir beim Überweisungsbertehre mit Ungarn erlebt. Ohne eine bedeutend wesentliche Romplikation und ohne Zentralrechnungsamt wäre diese Sache kaum zu machen. Aber immerhin, ich möchte durchaus nicht bestreiten, daß die Einnahmebeteiligung eine fehr mögliche Konstruktion für die bundesstaatliche Verafsung sein kann. Die Ausgabenbeteiligung des weiteren Verbandes, des Bundes, an Ausgaben der Länder, meine Herren, hat- ja zweifellos gröBere Vorzüge vor der Einnahmebeteiligung. Sie hat den Vorzug, daß sich der Verteilungsschlüssel von felbft ergibt. Gs ift ja den Herren bekannt, daß die Kombination beider Überweisungsmethoden das englische überweisungsfustem bildet; bestimmte Teile von Steuern werden für die überweisungen gewidmet, sie werden aber aufgeteilt nach einem bestimmten Aufwandsschlüfsel, beispielsweise für Volksschulen und ähnliche Dinge. Meine Herren! Ich möchte nun zum Schlusse auf den konkreten Verfassungsentwurf kommen. Wenn ich den Entwurf richtig verstanden habe, ift er ausgegangen davon, daß er die verschiedenen Möglichkeiten der bundesftaatlichen Finanzkonftruftionen und ihre Kombination für eine Regelung durch einfaches Bundesaeset offen lassen wollte. Da die Situation heute eine außzerordentlich wechselnde ift, wäre die verfassungsmäßige Festlegung einer bestimmten Verteilung der Ginnahmen oder ihre Feftlegung in einem Finanzgesetz, das nur unter verfafsungsmäßigen Formalitäten abzuändern ist, eben mit Rücksicht auf die heutige Veränderlichkeit der Verhältnisse doch ein zu schwerfälliger Apparat. Gs ift gestern vom Herrn Staatsfefretär Dr. Steinwender darauf hingewiefen worden, wie außerordentlich schnell sich die Ziffernverhältnisse heute ändern. Ge ist so, daß Voranschläge innerhalb zwei bis drei Monaten durch Nachträge ein vollfommen verändertes Bild zeigen. Deshalb dürfte der Verfassungsentwurf von dem Gedanken ausgegangen fein, in der Verfaffung selbft nur die verschiedenen Möglichkeiten zu firieren. und wenn von der Beteiligung der Länder an den Bundeseinnahmen oder des Bundes an den Ausgaben der Länder die Rede ift, so sind eben nur verschiedene Möglichkeiten angeführt. Es hat 239 48 auch das schweizer Finanzsystem eine ähnliche Kombination verschiedener Methoden, eine Beteiliguna des Bundes an Ausgaben der Rantone und eine Überweisung von Ginnahmen an die Rantone. Ich möchte damit keineswegs auf das Finanzshstemder Schieiz reflektieren. Denn, bitte, wenn man die Schweiz in anderen Belangen als Paradiama angeführt hat, auf finanziellem Gebiet ift dies nicht möglich. Unter Vatronanz der schweizerischen Bundesregierung ist vor kurzer Zeit eine glänzende Därstellung ihres Finanzwesens herausgegeben worden. Wer mit den österreichischen Finanzen, felbft jenen vor den Kriege, zu tunhatte, kann sie nicht ohne das Gefühl eines tiefen Neides lefen, denn die Finanzzustände in der Schweiz waren und sind geradezu ideale dadurch daßi die Militärausgaben sehr gering sind, während unser Bund, belaftet mit ungeheüren Schulden, bereits in dieses Sustem eintritt. Ich habé, verehrte Herren, bei der ganzen Darlegung, wenn ich von den Ausgaben des Bundes, von seinen Schulden und Belaftungen gesprochen habe, geflissentlich das Verhältnis zum Auslande nicht berührt. Ich habe nicht davon gesprochen, daß nach dem Friedensvertrage ein Generalpfandrecht an den Staatseinnahmen befteht, daß wir noch nicht wissen, ob und in welcher Söhe uns eine Kriegsentschädigung auferlegt wird. Ich wollte lediglich autonomèe Dinge, die wir felber regeln können, in Betracht ziehen, nachdem die Reparationskommission ihre Tätigkeit erst begonnen hat und noch vieles ungewißz ist. Ich glaube, verehrte Herren, daß, wenn ein Finanzgesetz neben der Verfassung die Verhältnisse zwischen Bund und Einzelstaaten regeln foll, es fehr empfehlenswert wäre, wenn zunächst die Form dieses Gesetzes eine derartige wäre, daß sie die Änderung seines Inhaltsnicht erschwert, daß es sehr anpassungsfähig ist, denn es ift ein außzerordentlich wandelbares Verhältnis, welches geregelt werden foll. ich FFerner follté die Steuerheheit oder möchte auf die politische Seite des Prinzips der Steuerhoheit nicht eingehen — die Verteilung der Steuerquellen fo geregelt werden, daß sie nicht den ganzen Kredit und das Geldwesen des Bundes und damit das Geldwejen für uns alle gefährdet. Schließlich follte auch die grundsätzliche Regelung in der Verfassung selbst eine derartige sein, daß sie nicht den Bund von vornherein als kreditunfähig erscheinen läßzt deswegen, weil er jederzeit seine Steuerquellen und Ginnahmen verlieren fann, sie sozusagen nur geliehen hat. Ich möchte schließlich nur reflektieren auf die Bemerkung, die Herr Abgeordneter Sequr über die Gemeinden gemacht hat. Meine Herren, daß etwa in dieser Auseinandersetzung zwischen Einheitsstaat und Land beziehungsweise zwischen Bundesstaat und Einzelstaat auch noch die Gemeinden einbezogen werden, daß etwa noch aus dieser ohnehin sehr kurzen Steuerdecke noch getrennte Steuern herausgenommen und
den Gemeinden zugewiesen werden, das halte ich ür eine unmögliche Sache. Die Gemeinden werden bei der Auseinandersetzung zwischen Bund und Einzelftaat einzelftaatliche Angelegenheiten. Gs ift Sache der Ginzelstaaten, die Gemeindefinanzen zu anieren. Wie es aber möglich wäre, für die Länder1*/ Milliarden Steuerdeckung zu verschaffen, für die notleidenden Gemeinden große Steuerzweige zur Verfügung zu ftellen und dann überhaupt nur einen Seller Steuerdeckung für den Bund zurückzuhalten, meine Herren, das ift ein Problem, dem ich mich absolut nicht gewachsen fühle. Herr Vorsitzender Landesrat Christoph (Salzburg): Herr Staatsfefretär Dr. Mahr hat das Wort. Herr Staatssekretär Dr. Mahr: Ich möchte nur meiner Befriedigung Ausdruck geben über den Verlauf der Debatte über die Finänzfrage. Ich habe zum Schlüfse nur noch kurz auf ein paarÄußerungen einzelner Herren hinzuweisen, welche gemeint haben, daßz von der Staatsregierung in irgendwelcher Form etwa Vorschläge vorliegen, welche die Steuerverteilung berücksichtigen follen. Das ist nicht der Fall. Es handelt sich nicht um Vorschläge vom Finanzamte, sondern um Versuche meinerseits, um in dieser schwierigen Frage, zum Mittel der Disfussion, kleine Vorschläge zu machen, wie man der Frage näherkommen könnte. Ich möchte nur erwähnen, daß aus diesen Besprechungen und Versuchen der Gedanke entstanden ift, daß die Auseinandersetzung in der Finanzfrage zwichen Bund und den Ländern nicht in der Verfassung möglich ist, sondern durch ein besonderes Gesetz, durch ein Finanzgeseß, das als ein Junktim zu betrachten ift. Herr Vorsitzender Landesrat Christoph (Salzburg): Wünscht einer der Herren zu diesem Punkte der Tagesordnung das Wort? Herr Nationalrat Abram hat das Wort. r Nationalrat Abram (Tirol): Meine Herren! Ich habe vergangenen Serbft gelegentlich einer Tagung meiner Parteifreunde gegenüber den Bestrebungen der Länder ein allzu derbes Wortgebraucht und habe heute die Genuatuung, daß ich tatsächlich mit diesem Worte das Rechte getroffen habe, weil aus der Finanzfrage hervorgeht, wie überflüssia wir uns angestrenat haben. Die Frage, die ihnen so wichtig geschienen, wie die Volksrassen verschieden sind in den Ländern, wiebiel Branntwein dort getrunfen wird. Die Frage war sekundär, daß aber der Kredit unserereits durch diese Länderbestrebungen so erschüttert. wurde, war ein so schwerer Verlust für den Staat, daß es notwendig ist, einige Worte dazu zu sagen. Wenn wir heuté vor der Tatsache stehen, daß wir einen Abgang haben von Milliarden, so mußgesagt werden: wenn sich nach dem Niederbruch des Krieges die beiden bürgerlichen Parteien in diesem Zwangsstaat Deutschöfterreich etwas einsichtiger benommen hätten, würde es wahrscheinlich möglich gewesen sein, daß wir in diese verderbliche Finanz-Situation nicht hineingekommen wären. Ich mache darauf aufmerksam, daß es viel richtiger gewesen wäre, wenn man sich bemüht hätte zu agen. der Krieg ist verloren, wir sind vor ein Problem des Wiederaufbaues gestellt. Wie passen wir uns der Situation an? Man hätte in erster Linie dafür sorgen müssen, daß die Produktion gehoben wird, daß die Tertilfabriken, die um Wiensind, in Betrieb gefeßzt werden. Sie konnten aber nicht in Betrieb gesetzt werden, nicht einmal als Notfabriken in Betrieb gesetzt werden, weil gegen die Wirtschaft im Staate nichts anfangen konnten, da wir nicht einmal einen Kredit im Auslande haben, daß wir nicht einmal Garn zur Verarbeitung hatten und Rohprodukte zur Verarbeitung in unferer Fabrik hatten. Was diese Ziffer bedeutet, will ich Ihnen illustrieren. Gs gibt in Vorarlberg und Tirol Fabriken, die heute pro Tag um einé Million Kronen fertige Produkte erzeugen und von diesen Fabriken sind nur ein ganz schwacher Bruchteil tätig. Wir haben hochwichtige Papierfabriken in Öfterreich, die nur zu 13 9 ausgenükt werden, die übrigen 879. bleiben unausgenützt. Wir haben höchwertige Zementwerke, die stillstehen; wenn sie nicht stillstehen würden, würden sie den Ländern ganz bedeutende Einnahmen bringen. Um furz zu fein, glaube ich, wenn wir die Schlußfolgerung ziehen wollen, so würde es die ersté sein, daß wir und als Deutschöfterreicher fühlen und daß wir alles tun würden, was in unserer Kraft liegt, die Produktionsmittel unferes Staates auszunützen — wir werden uns auch dann nicht heraushelfen können. sonst können wir aus unserem Glende nicht herauskommen. Aber es ift nur die Ffrage, ob wir als ganze Dettler an Deutschland angegliedert werden. oder ob wir in halbwegs ordentlichem Zustande
49 zu den deutschen Brüdern kommen wollen. Die heutige Konferenz wird so verlaufen wie das Hornberger Schiefzen oder die Salzburger Taguna, wenn wir keinen Schlüssel und keine Möglichkeit finden, ein Verhältnis zu schaffen zwischen Staat und Ländern. Sie werden sich überzeugen müssen. daß das das Wichtiaste wäre, einen einheitlichen Staat zu schaffen mit einer strammen, organisierten, einheitlichen Verwaltung, die uns halbweas in eine bessere Situation brinat wie die gegenwärtige. Das war mir ein Bedürfnis, es der Länderkonferenz zu jagen. Norsitzender Herr Landesrat ChristophZum Gegenstand ist niemand mehr zum Wörte gemeldet. Als nächfter Punkt der Tagezordnung ist nach den Beschlüssen der Geschäftsordnung Abschnitt IV des Vorentwurfes: „Die Gesekzaebung und Vossziehung der Länder“. Gs lieat aber heute gleichjeitig vor eine Ginladuna des Landesrates von Oberösterreich zu einem gemeinsamen Abendessen um 7/8 Uhr abends auf dem Böftlinabera. Siezumüssen wir uns aber bereits um 7 Uhr in der Station der Verabahn einfinden und es ist bereits /7 Uhr. Gs wird daher angezeiat sein, wenn ich die Sitzung heute für beendet erkläre und die veitere Fortsetzung auf der Tagung morgen vormittags 9 Uhr verschiebe. Wird eine Einwendung aus der Versammlung erhoben? (Zuruf: „Nein“1 So bitte ich diese Einladung des Landesrates zum heutigen Übendeffen zur Kenntnis zu nehmen, davon Gebrauch zu machen und morgen um 9 Uhr vormittags zur Fortsetzung der Tagung hier zu erscheinen. Die Sitzung ist geschlossen. (Schlußz der Sitzuna 6 Uhr 15 Minuten. nachmittags.)
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240 51 52 geleat würde, innerhalb und auf Grund deren die Länder von ihrer Kompetenz Gebrauch machen können. Gs ift naturgemäß, wenigstens meiner Ansicht nach, daß die Struktur der Landesorganisationen soweit als möglich angegliedert werde der Struftur der Staatsbehörden, insoweit nicht spezifisch ländische Verhältnisse dem entgegenstehen. Infolgedessen sieht auch der Entwurf vor in den Vertretungen eine parlamentarische Körperschaft, das ist der Landtag, ähnlich unserem Bundestag. Er fieht weiter vor den Landesrat, welcher, wenn auch nicht vollständig, so doch teilweise dem Bundesrate gleichzuachten ift. Was die Zusammensetzung des Landésrates betrifft, so hat der ersteEntwurf die Bestimmung enthalten, daß die Landesräte von den Landtagen gewählt werden, daß sie jedoch nicht aus der Zahl der Landtagsmitglieder entnommen werden müssen. Diese Bestimmung ift in dem zweiten Vorentwurfe nicht mehr enthalten und, wie ich glaube, ist diese Auzscheidung nicht berechtigt und auch nicht wünschenswert aus folgenden Gründen: Der Landesrat hat in der neuen Verfassung wohl eine sehr wichtige Aufgabe, welche nur oder überhaupt im Interefse des Landes und der Geschäfte selbst von Personen verrichtet werden foll, die nicht nur eine politische Parteizugehörigkeit aufweisen können, sondern auch die Fähigkeit haben und auch über die entsprechende Zeit verfügen, um diesen Aufgaben gerecht zu werden. Die Parteizugehörigkeit allein, unbeschadet der persönlichen Ehrenhaftigkeit der parteimäßig gewählten Abgeordneten, wird wohl in der Regel die hier notwendige Befähigung und die Ermöglichung und die notwendige Zeit nicht ersetzen können. (Gs foll daher im Interefje der flaglofen Funktion des Landesrates, im Interefse einer gediegenen Arbeit für das Land ermöglicht werden. und gestattet fein, daß die Landesräte auch aus den Landesbürgern wählbar find, die nicht dem Landtage angehören, wohl aber das aktive und passibe Wahlrecht für den Landtag haben. Ich würde daher beantragen, den in dem zweiten Entwürfe ausgebliebenen Zufatz, daß auch als Landesräte Landesbürger, die nicht dem Landtage angehören, wählbar find, wieder aufzunehmen, um die Deutlichkeit wieder herzuftellen. Ein weiteres Rapitel, in welchem ich mich allerdings in scheinbarem Widerspruch mit dem Herrn Staatssekretär befinden dürfte, ist, daß auch der Gemeinden in diesem Kapitel zu gedeuken ist. In diesem Kapitel fehrt wieder der jogenannte übertragene Wirfungsfreis, der bisher im Leben der Gemeinden eine große Rolle gespielt und großen Umfang angenommen hat. Und auch der neue Staat wird den übertragenen Wirkungsfreis nicht entbehren können. Gs ift eine allgemeine Klage der Gemeinden, und sie dürfte in allen Landtagen wiedergefehrt. sein, daß die Gemeinden durch die Geschäfte des
übertragenen Wirfungskreifes wefentlich beschwert ind, daß sie durch die Ausführung der Geschäfte des übertragenen Wirkungskreises bemüßigt sind, ihre Gemeindebeamten nicht nur in größerer Zahl, sondern auch unter Anforderung höherer Kenntnisse und besonderer Qualifikation anzustellen. Dadurch erwachsen den Gemeinden größere Lasten, die Gemeinden haben daher nicht erst in der jüngsten Zeit, sondern schon seit Jahren das Begehren gestellt, daß sie für die Geschäfte des übertragenen Wirkungskreifes entsprechend entschädigt werden, weil sie nicht in der Lage sind, die Arbeit für den Staat zu leiften, ohne eine entsprechende Entschädigung für diese Geschäfte vom Staate zu erhalten. Gs ift daher meiner Ansicht nach aus Villigkeitsrücksichten notwendig, um dem immer und immer wiederholten Verlangen der Gemeinden Rechnung zu tragen, daß ein diesbezüglicher Abfatz in einen dieser Artikel aufgenommen werde, in dem es heißzt, daß die Gemeinden in Anfehung der Verrichtung der Gechäfte des übertragenen Wirkungskreises seitens des Staates oder der Länder entsprechend zu entschädigen find. (Beifall? Herr Vorsitzender Landeshauptmann Doktor Mintelen (Steiermarf): Zum Worte gelangt HerrLandeshauptmann Seber. Herr Landeshauptmann Eeber (Niederösterreich): Auch wir begrüßen es, daß in der zweiten Vorlage des Herrn Staatssekretärs im Artikel 87. eine Trennung zwischen dem Landeshauptmann und dem Vorsitzenden des Landtages durchgeführt wird. Wir haben es in unzähligen Fällen gesehen, daß der Vorsitzende des Landtages leider oft und oft Angriffen, die gegen die Landesregierung Platzgreifen, nicht entgegentreten fann, weil er eben der Vorsitzende des Landtages und zugleich der Regierungsmann ift, der beides in einer Verson leider auf dem Platze, wo er sich als Voribzender befindet, nicht vereinbaren kann. Wir ehen es, daß es etwas anderes ift als in der Nationalversammlung. In der Nationalverfammlung ift der Präsident vollständig entrückt der Regierung. Er ift der gewählte Präsident, der wohl nach außzen den Staat vertritt, während wir in den Ländern doch nur als Vorsitzende in der Landesregierung fitzen, die Landesregierung als jolche vertreten und darum auch schwer dieselbe bei Angriffen als Vorsitzender verteidigen können. Wir begrüßen es auch infolgedessen, daß diese Trennung geschieht, weil sie uns fagt, daß es dann eine viel leichtere Arbeit jein wird. Ich möchte mich anschließen dem, was HerrLandesrat Chriftoph ausgeführt hat zu Artikel 91. Gs ist unbedingt notwendig, daß die alte Form wieder hergeftellt wird und daß auch Personen, die nicht dem Landtage angehören, als Mitglieder des Landesrates erwählt werden können, weil es sich oft und oft gezeigt hat, daß man jemand nicht als Kandidaten in den Landtag hineinbringen kann, daß man den Mann aber sehr gut brauchen kann zur Verwaltung und zur Vertretung irgend eines Zweiges im Landesrate. Wir möchten infolgedessen ersuchen, daß sich der Herr Staatssekretär den Wünchen akfomodiert und den Artikel 91 nach seiner alten Form wieder herstellt. Ich möchte nur ein Wort sagen über den Artikel 96. Da ist aus dem zweiten Entwurfe verschwunden der Bundeskommissär. Wenn wir die Länder föderalistisch wirklich vollständig freimachen wollen, wenn wir durchführen wollen, daß sie sich selbst verwalten, ist es um so notwendiger, daß ein Bundeskommissär eingefeßt wird. Ich möchte auch hier namens meiner Partei ersuchen, daß der Bundeskommissär auch in die zweite Vorlage des Herrn Staatsfefretärs hineingenommen werde. Sonft haben wir zu diesem Punkte weiter nichts zu sagen. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Doktor Mintelen: Zu den Fragen, die jetzt angestochen worden sind, hat Herr Laugoth das Wort erbeten. Herr Landeshauptmannstellvertreter Dangoth (Oberöfterreich): Ich möchte bei dieser Gelegenheit aufmerksam machen auf die Bestimmungen, die wir in unseren Entwurf aufgenommen haben (lieft): „Der Landeshauptmann und dessen Stellvertreter werden vom Bundespräsidenten über Vorschlag des Landtages ernannt. Die Landechräte werden aus der Zahl der in den Landtag wählbaren Bürger vom Landtage nach dem Verhältniswahlrecht gewählt und vom Landeshauptmann beeidigt.“ Wir entsprechen der Forderung, die jetzt vom Landeshauptmann Sever und von meinem Gesinnungsfreunde Christoph aufgestellt wurde. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auf einen anderen Umstand aufmerksam machen und mir erlauben, die Aufmerksamkeit des Herrn Staatssekretärs auf diesen Kunft zu lenken. Im Artifel 81 heifzt es (lieft): „Gemeinden haben das Selbftverwaltungsrecht; zur Durchführung der Angelegenheiten deren Regelung in den Wirkungskreis des Landes oder Bundes fällt, wird den Gemeinden ein von der Landesregierung beftelltes Organ beigegeben.“ Der Herr Kollege Christoph hat eben erwähnt, es müsse den Gemeinden für die Arbeiten im übertragenen Wirkungskreis eine Entschädigung zukommen. Diesem Gedänken kommen wir näher dadurch, daß wir den Gemeinden eigene Organe beigegeben wissen wollen. Wir lösen damit auch eine andere Frage, die in der Gegenwart dringend einer Lösung bedarf, wir lösen damit die Frage der Gemeindesekretäre. Ich weiß nicht, wie es in anderen Ländern ist. Bei uns in Oberösterreich stehen wir vor dieser Frage und der Landtag wird sich in allernächster Zeit mit dieser Frage zu beschäftigen haben. Die Verhältnisse der Be-
53 meindesekretäre sind im Lande natürlich sehr verchieden. Eine ganze Anzahl Gemeinden befoldet die Sekretäre in angemessener Weise. In vielen emeinden jedoch sind die Verhältnisse der Gemeindesekretäre troftlos. Wenn wir in diesem Gegenstand zu einer Übereinstimmung kommen könnten, so glaube ich, wäre im Interesse der Gemeinden und im Interesse der Gemeindesekretäre nach der Richtung hin tatächlich etwas Gutes geleistet. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Doktor Nintelen: Ich möchte auf etwas aufmerksam machen, verehrte Herren. Es ist früher beschlossen. worden, zuerst eine allgemeine Debatte durchzuühren und hernach werden die einzelnen Paragraphen durchgegangen. Ich möchte die Reduer eruchen, jetzt nicht auf die einzelnen Paragraphen einzugehen, sondern zur Allgemeinheit zu sprechen, sonft kommen wir in einen Wirrwarr. Gs kann. sich jemand zweimal zum Worte melden und möchte bitten, daß nur jene Herren das Wortergreifen, die zur Allgemeinheit sprechen. Ich meine in der Folge; es soll gegen Sie keine Spitze fein, Herr Kollege Laugoth. Wünscht noch jemand zur Allgemeinheit zu sprechen2 Herr Landesrat Pölzer hat das Wort. Herr Landesrat Völzer (Niederösterreich): Ich glaube, es fehlen hier Bestimmungen für die Sicherheit der Gemeinden. Gs ift für uns ganz flar, daß Bestimmungen aufgenommen werden. müssen, und wir vermissen diese Bestimmungen im Mahrschen Entwurfe. Auf alle Fälle müssen wir darauf bestehen, daß die Sicherheitspolizei in allen Gemeinden ganz gleich gehandhabt werde. Gs ift unmöglich, daß z. V. Wien besonders behandelt. wird. Die Sache müßte in allen Gemeinden finanziell gleich behandelt werden. Wir wissen wohl, daß die grotzen Stadtgemeinden finanzielle Rückgänge haben werden, und wissen recht gut, daß es den Großstädten, besonders Wien, Millionen kosten wird. es ist ja bekannt, daß die Polizei in Wien über 100,000.000 K. toftet. Der Sicherheitsdienft muß in allen Gemeinden gleich gehandhabt werden und es ift auch nicht gleichgültig, wer ihn besorgt. Daß er besorgt werden muß, ist uns allen von früher, von altersher bekannt. Gs ift auch nicht notwendig, ihn nach Ländern zu ordnen, sondern nach Gemeinden. Das wird in allen Ländern gleich gehandhabt werden. müssen. Deswegen muß in den Entwurf folgende Bestimmung aufgenommen werden (lieft): „Die Gemeinden haben insbesondere für die Sicherheit zu sorgen. Diese Befugnis kann ihnen gegen ihren Willen nicht entzogen werden.“ Diese Bestimmung muß in den neuen Entwurf aufgenommen werden und ich bitte daher den Herrn Staatssekretär Dr. Mahr, diese Anregungen zur Kenntnis zu nehmen. Herr Vorsitzender Dr. Rintelen: Herr Delegeierter Ofenböck hat das Wort. 242 54 Herr Delegierter Oienbück (Landtagsabgeordneter, Niederösterreich): Zu dem in Diskussion stehenden Abschnitt ist von der Sicherheit in den semeinden feine Rede, und es wäre Jehr Wert darauf zu legen, wenn ein entsprechender Passus im Verfassungsentwurfe Platz finden würde. Ich bitte daher den Herrn Staatssekrétär Dr. Mahr, den Artikel in den Verfassungsentwurf hineinzunehmen (lieft): „Die Verfassung der Gemeinden, Bezirke und Kreise muß nach dem Grundsatze der Selbstverwaltung des Volkes aufgebaut werden.““ Wenn dieser Artikel im Gesekzentwürfe des Herrn Staatssekretärs Dr. Mahr enthalten ist und von der Nationalversammlung angenommen wird, dann ist jede Gefahr, daß ein Gemeindewahlrecht geschaffen wird, ausgeschlossen. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Dekter Mintelen (Steiermark): Hat noch einer von den Herren im allgemeinen etwas zu bemerfen? Herr Staatssekretär Dr. Mahr: Meine Herren1 Zu den Äukerungen der verehrten Herren, die bisher gesprochen haben, erlaube ich mir nur ganz kurze Bemekrungen. Herr Landesrat Christoph hat den Artikel 91 in feiner jetzigen Passung beanständet und wünscht die Aufnahme des früheren Passus, wo es auzdrücklich heißt, daß also die Mitglieder der Landesregierung nicht aus den cewählten Abgeordneten unbedinat genommen werden müssen. Ich glaube, daß die jetzige Fassund auch dem Zwecke vollständig genügt, denn es heißt ausdrücklich, daß die vollziehende Gewalt jedes Landes durch eine vom Landtag zu wählende Landesregierung ausgeübt wird und es bleibt dem Landtage überlassen in seiner Verfassung, ob er sich seine Mitglieder wählen will aus gewählten oder nichtgewählten Bundesmitaliedern. (Herr Landesrat Christoph: "Aber die Juristen können das auch anders auslegen1*) Ich wollte dasfelbe sagen. Iich habe gar nichts gegen die ausdrückliche Wiederaufnahme dieses Passus einzuwenden. Dasselbe hat Herr Landeshauptmann Geber gefordert. (s wurde dann von beiden Herren noch auf die Gemeindeverhältnisse hingewiesen. Herr Landesrat Christoph hat die Entschädigung der Gemeinden im übertragenen Wirfungskreife gewünscht. Nun ist das deshalb nicht aufzunehmen gewesen in diesen Vorentwurf, weil ich mir die Sache so denke, daß als Ausflußz der Verfassung ein eigenes Verwaltungsreformgeset kommt, das von Grundauf die Gemeinden und politischen Behörden ersten Instanz. die Länder usw. zu umfassen hat, und habe einige Gedanken dafür vorbereitet und einen Vorentwurf dafür bereits fertig. Die Gemeindeorganisation wird vollkommen neu geregelt und da wird Rücksicht genommen werden auf die Entschädigung im übertragenen Wirkungskreise. Ich kann allerdings das heute nur anfündigen. Es hat dann der Herr Kollege Landeshauptmannstellvertreter Langoth hingewiesen auf den Ar-
titel 31 des grofzdeutschen Verfassungsentwurfes der schon direkte Bestinmungen enthält. Ich kann nur dasselbe sagen, daß nur in der Fform ein Unterschied ist. Ich denke mir eine Regelung durch ein besonderes Verwaltungsreformgesetz, wie ich schon angedeutet habe, und zweifle keinen Augenblick, daß wir zu einer vollständigen Übereinstimmung in merito fommen. Was dann die Sicherheitspolizei in den Gemeinden anbelangt, so müß ich allerdings bemerken, daß diese Angelegenheit in die Kompetenz jedes liedftaates gehört und daß darüber die Landesverfassung in erster Linie zu entscheiden haben. wird. Ich nehme aber hier von dem Wunsche des Herrn Kollegen Ofenböck Kenntnis. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Dr. Nintelen Steiermarf): Wir gehen über in die Detailberatung der einzelnen Artifel und frage, ob zu Artikel 86 noch jemand etwas zu bemerfen hät. Es meldet sich niemand.) Zu Artitel 87 hat Herr Gemeinderat Schmitz das Wort. Herr Gemeinderat Schmitz (Wien): Ich erlaube mir zunächft auf eine Bemerkung, die vorhin gefallen ist, zu replizieren. Die Bemerkung bezieht sich auf die Volizei, die vollständig vergemeindet werden soll, wenn ich recht verstanden habe. Diesen Standpunft können wir nicht teilen, chon auf Grund der nicht immer zufriedenstellenden Erfahrungen, die wir mit der Polizei in politischen Körverschäften gemacht haben. Wir sind der Meinung, daß die Poizei zur Sicherheit in der staatlichen Kompetenz aufrecht bleibe. Bezüglich des Wunsches, daß zu Landesräten auch Nichtmitglieder des Landtages gewählt werden. können, sind wir vollständig einer Meinung. Zu Artifel 87 habe ich zu bemerken, daß ein Unterschied gemacht wird zwischen Landeshaubtmann und Präsident des Landtages. Wir Wünschen, daß dieses Doppelgeleise, dieser Dualismus nicht obligatorisch in der Verfassung festgelegt werde, sondern akultativ, damit die einzelnen Landtage sich das nach ihrem Gutdünken einrichten können. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Dr. Nintelen (Steiermärf): Wer wünscht das Wort? Wünscht noch jemand das Wort zur Artikel 87? Dann gehen wir über zu Artikel 88. Herr Gemeinderat Schmit hat das Wort. Herr Gemeinderat Schmitz (Wien): Der Artikel 88. 2bjab 2, fagt (lieft): „Wegen Gefährdung von Bundesinteressen kann die Bundesregierung binnen sechs Wochen vom Tage der erfolgten Befanntmachungen gegen einen Gesetzesbeschluß des Landtages Einspruch erheben.“ Wir sind nun der Meinung, daß ein Termin von 14 Tagen reichlich genug bemessen ist, da ohnehin der Tag gemeint ist, an dem die Bundesregierung die Bekanntmachung erhalten hat. Da braucht man nicht sechs Wochen nachzudenken, ob ein Beschluß patt oder nicht. Zu Absatz 3 beantragen wir die Streichung der Bestimmung über die qualifizierte Mehrheit, so daß dieser Absatz dann lautet (liest): „Ein solcher Gesetzesbeschluß kann nur kundgemacht werden, wenn er vom Landtage wiederholt wird.1 Herr Vorsitzender Landeshauptmann Doktor Mintelen (Steiermark): Wünscht jemand das Wort? Herr Staatssekretär Dr. Mahr hat das Wort. Herr Staatssekrctär Professor Dr. Manr: Ich bitte um das Wort zu Absatz 2 für Herrn Sektionsrat Dr. Fröhlich Staatskanzlei). Herr Sektionsrät Dr. Frählich (Staatsfanzlei): Ich möchte mir zu den Ausführungen des Herrn Vorredners betreffend die Einsetzung des Termins von 14 Tagen statt sechs Wöchen nur darauf zu verweisen erlauben, daß es fürchtbar schwer sein wird, mit diesem Termine das Auzlängen zu finden. Wir haben aus der mehr als einjährigen Praris, die wir gewonnen haben, die Erfahrung gemacht, daß mit 14 Tagen unmöglich das Auslängen gefunden werden kann. Wir haben da schon x Fälle gehabt. Es sind da mehrere Staatsämter beteiligt, die miteinander das Ginvernehmen pflegen müssen, es werden Landesgesetze oft nur in 2 bis 3 Eremplaren übermittelt und ist es infolgedessen auch schon unmöglich. Es muß auch das betreffende Ländesgesetz in den Rabinettsrat kommen, der nicht jeden Tag, sondern nur zweimal in der Woche tagt. Gs bietet die Sache derartige Schwierigkeiten, daß mit einer 14tägigen Frift das Auslangen nicht gefunden werden kann. Es ließe sich wohl von 6 Wochen auf 4 Wochen heruntergehen, aber auf 14 Tage herunterzugehen ist nicht möglich. Dazu kommt, daß man dann gezwungen ist, daß man telephonisch Vorstellungen erhebt und die Äußzerungen mächt. Das ist eigentlich langwierig und eine in der Verfassung nicht gewünschte Wirkung und ist von vornherein verfehlt. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Dekter Mintelen (Steiermark): Hat noch jemand etwas zu bemerken? Herr Landesrat Christoph hat das Wort. Herr Landesrat CChristoph (Salzburg): Ich würde mich den Ausführungen des Herrn Kollegen Schmitz anschließen, daß die Frist von sechs Wochen gekürzt werde und zwar auf Grund der Erfahrungen, die ich bisher gemacht habe. Unsere Regierung macht sich heute die Vorstellungen und Einwendungen aegen die Gesetze der Landtage sehr leicht. Es kommt einfach ein Telearamm, in welchem es heißt. die Regierung erhebt Vorstellung, die Ausführung folat. Und auf die Ausführungen können wir wochen-, ja monatelang warten und es tritt dadurch ein Schwebezustand ein, der für und in den Ländern unhaltbar ist. Ich habe im Salzburger Landtag die Erfahrung gemacht, daß bereits vor vier Wochen telephönisch die Vorstellung an-
55 gekündigt wurde, die Ausführung der Vorstellung aber bis heute noch nicht erfolgt ist. Wir stehen vor Beginn der Landtagsfession am nächsten Dienstag, in welcher sehr wichtiges Material erledigt werden soll, und wir sind bis heute noch nicht in Kenntnis der Gründe der Vorstellung. Es ist daher notwendin, wenn wir diese ungewissen Zustände nicht auch im Lande einreißen lassen wollen, daß eine Frist begrenzt wird, die als Einwendungsfrist mit 14 Tagen angenommen worden ist und daher die Ausführung eventuell binnen einer weiteren Frist u erfolgen hat. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Doktor Mintelen (Steiermarf): Herr Schmitz hat das Wort. Herr Gemeinderät Schmitz (Wien): Gegen die Einwendung, die gegen meinen Antrag gemacht worden ist, bemerke ich, daß die Schwierigteiten teils in der Dienftesordnung, teils in den inneren Verhältnissen gelegen sind. Ich verweise auf die neue Verfassung, welche eine erhebliche Restringierung dahin erreichen will, so daß es leichter möglich sein wird, die Geschäfte des Bundes zu erledigen. Ich bleibe daher bei meinem Antrag. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Doktor Rintelen (Steiermarf): Zu Artikel 89 hat das Wort Herr Gemeinderat Schmitz. Herr Gemeinderat Schmitz (Wien): Im Artifel 89. Abfab 2, ift eine Bestimmung enthalten, daß Landésgesekze, wenn darin nicht ausdrücklich eine andere Bestimmung getroffen wird, nach Üblauf des Tages der erfolgten Verlautbarung in Wirksamkeit treten. Man kann nicht verlangen, daß ein Gefetz in Wirksamkeit tritt, bevor es entsprechend promulgiert ist. Das ist bei den postalischen Verhältnissen nicht gut anders möglich, daß eine größere Frist von 4 Wochen gesetzt wird, wie es bisher festaesetzt war. Ich beantrage daher, daß es heißen soll „4 Wochen nach erfolgter Verlautbarung“. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Dokter Mintelen (Steiermark): Wünscht noch jemand das Wort? Herr Staatssekretär Dr. Mahr hat das Wort. Herr Staatssekretär Dr. Mahr: Ich würde Herrn Sektionschef Dr. Alter ersuchen, der große Erfahrung hat, wenn er die Güte haben würde, uns eine kleine Aufklärung zu geben. Herr Sektionschef des Staatsamtes für Land- und Forftwirtschaft Dr. Alter: Die Bestimmung über die Frift, innerhalb welcher die Regierung Stellung zu nehmen hat zum Beschlüsse der Landesregierung, war bisher mit 14 Tagen festgesetzt. Ich will sagen, daß die Einhaltung dieser Frist von 14 Tagen möglich ist in allen jenen Fällen, wo es sich um die Stellungnahme eines betimmten Refforts handelt. Allein unsere Gesetzgebung ist eben so und es wird auch in Zukunft nicht zu vermeiden sein, daß zu ein und deinselben Geseß mehrere Staatsämter Stellung nehmen 243 56 müssen. Wenn Sie unsere postalischen Verhältnisse ins Auge fassen, wenn Sie die Frist von 14 Tagen auch für den Lauf unter den Bundesämtern betrachten, so werden Sie diese Frist als viel zu kurz empfinden. Es ist Tatsache, daß die Staats regierung heute oft nur die Gelegenheit hat telegraphische Vorstellungen zu machen, während die Gründe erst später bekanntgegeben werden müssen. Es war in sehr vielen Fällen der Fall besonders innerhalb der Grenzen unseres Ressorts daß wir genötigt waren, mit mehreren anderen Staatsämtern das Ginvernehmen zu pflegen und nur innerhalb dieser Frist grundsätzliche Beschlüsse von der Staatsregierung gefaßt werden konnten. Ich glaube, daß es lediglich den Ländern dienlich sein wird, wenn die Frist erweitert wird. Ich will nicht sagen, daß unbedingt eine Frist von 6 Wochen erforderlich ist, aber die Frist von 14 Tagen ist zu eng umgrenzt in dem Sinne, daß die künftige Bundesregierung der ihr gestellten Aufgabe nicht gerecht werden fann. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Doktor Rintelen: Herr Sektionsrat Dr. Fröhlich möchte zu einem in Rede stehenden Punkte einige Worte sagen. Herr Sektionsrat Dr. Fröhlich: Ich möchte nur benerfen, daß ich vom Standpunfte der Verfassung es für selbstverständlich halte, daß das Gesetz am Tage der Verlautbarung in Kraft tritt. Wenn nun beantragt wird, die alte Form mit der 45tägigen vacatio legis wieder aufzunehmen. so ist hiegegen also vom legistischen Standpunkfein Bedenken. Ich möchte jedoch zur Erwägung stellen, daß 99% aller Landesgesetze die Vestimmung enthalten, daß das Gejetz am Tage der Rundmachung in Kraft tritt, und es erscheint woh praktischer, diese regelmäßige Bestimmung als den Normalfall, also als die dispositive Bestimmung niederzulegen und die Ausnahmen als die mögliche andere Regelung (Jofern das Gesetz nichts anderes enthält), offen zu halten. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Doktor Kintelen: Wir kommen zu Artikel 89. Wünscht jemand das Wort? (Gs ift nicht der Fall.) Artikel 90 bitte ich Herrn Gemeinderat SchmitzHerr Gemeinderat Schmitz (Wien): Der Artikel 90. Absatz 1, erscheint uns in der jetziger Fassung sehr bedenklich. Wir wünschen stärkere Sicherungen und beantragen: „Mit Zustimmung des Bundesrates" ist zu streichen, dafür soll es heißen: „Mit Zustimmung einer Mehrheit von zwei Drittel des Bundesrates bei Anwesenheit von wenigstens der Hälfte seiner Mitglieder“ Im Absatz 2 heißt es: „Vinnen sechs Wochen die Ausschreibung vorzunehmen“, erscheint uns zu lange. Wir beantragen dahei eine Frist von drei Wochen. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Doktor Rintelen: Es ist sonst niemand zum Worte gemeldet.
Herr Staatssekretär Dr. Mayr: Ich nehme die Wünsche zur Kenntnis und werde trachten, soweit als möglich sie zu erfüllen. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Doktor Mintelen: Zum Worte gelangt Herr Landeshauptmannstellvertreter Dr. Schlegel. Herr Landeshauptmannstellvertreter Doktor Schlegel (Oberösterreich): Im Artikel 91, Absatz 2, heißt es in Bezug auf die Zusammensetzung der Landesregierung: „Die Landesregierung besteht. aus dem Landeshauptmann, feinem Stellvertreter und... bis...weiteren Mitgliedern.“ Um die Herren nicht lange in Anspruch zu nehmen, bitte mir zu gestatten, daß ich im Zusammenhang gleich auf Artitel 93 vorgreife. G8 ist das keine Verschleppung, sondern eine Verkürzung der Verhandlungen. Im Artikel 91, Absatz 2, heißt es also: „Die Landesregierung besteht aus dem Landeshauptmann, seinem Stellvertreter und bis... weiteren Mitgliedern. Wir sind der Meinung, daß 4 bis 8 Mitglieder genügen würden. G3 sind Zweifel darüber aufgetaucht, ob man hier jetzen foll: feinem Steflvertreter oder seinen Stellvertretern. Hier komme ich auf Artikel 93. G3 handelt sich darum, wie die Landesregierung zusammengejetzt und wie die Verantwortlichkeit verteilt. werden soll. Der Entwurf sieht vor, daß der Landeshauptmann der Staatsregierung verantwortlich ift, der Landeshauptmann und nicht die Landesregierung und der Stellvertreter des Landeshauptmannes. Der Stellvertreter folgerichtig insofern, als er in dessen Verhinderung und über besonderen Auftrag oder, wenn die Verhinderung plötzlich eintritt, ohne Auftrag verantwortlich ist. Die übrigen Mitglieder der Landesregierung sind nicht verantwortlich, wenn sie auch als Referenten dem Departement zugeteilt sind, das sie selbst zu verwaften haben. Der Landesrat würde, wenn ich diese Diktion richtig aufgefaßt habe, vollständig verschwinden. Ich glaube, wenn nicht, bitte ich um Aufklärung. Dann ist eine Meinung, die dahin geht, daß es zweckmäßiger erscheinen würde in Anlehnung an frühere Debatten, die Verantwortlichkeit nach Maßgabe der amtlichen Tätigkeit zu tragen, das heißt auch jene Stellvertreter, die mit Refforts belastet sind, jene Mitglieder der Landesregierung, wwelche Departements- oder Abteilungsvorstände sind, auch für ihre Tätigkeit der Regierung gegenüber verantwortlich zu machen. Das würde erinnern an den Begriff eines Landes-Rabinettsrates. Gs stimmt zwar nicht ganz. Beides hat etwas für sich. Ich bin überzeugt, es würde der heutige Tag nicht langen, um die Begründung der einen und die Begründung der anderen Diktion hier vor Augen führen zu können. Außzerdem würde noch notwendig sein, eine Vorsorge zu treffen, welche die Sicherheit des Landesvermögens verbürgt. Die Länder haben jetzt verschiedene Vermögensobjekte und wenn der Landesrat vollkommen verschwinden würde, so geht meines Grachtens die Verwaltung des Landesvermögens auf die Landesregierungs. organe über. Wir wissen nicht, wie die Entwicklung sich gestalten wird. Wir in Oberösterreich sind sehr bescheidene Leute und wir sind stolz auf das Wenige, das wir haben, und möchten es auch selbst behalten und selbst verwalten und möchten es selbst behalten in alle Gwigkeit und möchten nicht, daß es durch irgend eine Konftellation in die Verwaltung des Staates übergehen würde. Daher wird es notwendig sein, darüber zu heraten, dieser Frage näherzutreten. Aus meinen Ausführungen werden die Herren den Schluß gezogen haben, daß die Frage heute noch nicht klar genug ift, um schon heute darüber entscheiden zu können. Wir können daher zu den Punkten 91 und 93 nur mit gewissen Vorbehalten Stellung nehmen, und die faffe ich dahin zusammen, daß wir im Namen unserer Parteidie Vorbehalte machen müssen zum Terte der Artifel 91 und 93, „fobald die Zufammenfetzung und Verantwortlichkeit der Landesregierung genauumschrieben fein wird“. Wir werden im Laufe der weiteren Veratungen des Verfassungsentwurfes wieder Gelegenheit haben, dazu Stellung nehmen über die Zusammensetzung der Regierung und über die Verantwortlichkeit der Regierungsorgane. Dann kann erst die richtige Textierung gefunden werden. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Dofter Rintelen: Wünscht noch jemand das Wort? Herr Landesrat Christoph (Salzburg): Hier im Absatz 2 wäre nun der richtige Ort, in welchem die Neuaufnahme des vom Herrn Staatssekrétär bereits zugebilligten Zusatzes betreffend die Wahl von Mitgliedern, die nicht den Landtagen angehören, erfolgen könnte. r Vorsitzender Landeshauptmann Dokter Pintelen: Der Herr Staatssekretär Dr. Mayr hat das Schlußwort. Herr Staatssekretär Dr. Mahr: Ich nehme die hier abgegebenen Erklärungen zur Kenntnis und werde jedenfalls den Passus aufnehmen. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Doktor Rintelen: Zu Artikel 92 hat sich niemand gemeldet? Ich bitte den Herrn Landeshauptmannstellvertreter Dr. Schmidt. Herr Landeshauptmannstellvertreter Doftor Schmidt (Tirol): Ich habe schon gestern den Standpunkt vertreten, daß die innere Einrichtung der Länder Sache der Länder selbst sein soll und daß sie nicht verfassungsmäßig festgelegt werden. soll. Nachdem es nun den Anschein hat, als ob dieser Antrag nicht berücksichtigt werden wird, möchte ich zu Artikel 92 folgéndes bemerken. Gs ist wohl in den weitesten Kreisen bekannt, daß einer der grundlegendsten Fehler in unserer
57 Verwaltung der war, daß man dem Fachmanne nie jene Stellung eingeräumt hat, die ihm zukam. In der Folgezeit wird wohl bei den Ländesregierungen die Einrichtung der Landesbaudirektionen eine außzerordentlich große Rolle spielen. Meine Herren! Wir haben wohl die Folgen des Krieges zu überstehen und es erwachsen den Landesbaudirektionen auf dem Gebiete der Meliorationen und Straßenbauten, auf dem Gebiete der Fluklaufrequlierungen und auf dem Gebiete des Ausbaues der Wasserkräfte außerordentlich große und wichtige Aufgaben. Nun, meine Herren! Im Artikel 92 wird der Landesamtsdirektor wiederum als der an der Spibe stehende Beamte aufgeftellt, dem alle übrigen Beamten unterftellt find. Meine Herren! Wer den Baudienft so auffaßt, wie er aufzufassen ist, muß sich dagegen aussprechen, daß wiederum ein Nichtfuchmann eventuell einen fo großen und vielleicht verhängnisvollen Gingriff tüt in die technische Verwaltung des Baudienftes. Ich möchte, ohne mich in Ginzelheiten zu verlieren, nur folgendes fagen. Seit vielen Jahren ringen die akademisch gebildéten Techniker um die Stellung, die ihnen gebührt. Man hat ihre Petitionen und Vorstellungen nicht beachtet und sie weiterhin bevormundet durch die uristen. Wenn gesagt wird, daß der Techniker nichtin der Tage ift, verwaltungstechnisch zu arbeiten, so mußz ich dem entgegenhalten, daß in der Industrie bei großen Unternehmungen die Techniker eine ührende Rolle spielen. Iich kann nicht zugeben, daß wir auch hier wiederum in den alten Fehler verfallen, und mußz darauf bestehen, daß nach der Verfassung den Landesbaudirektionen eine durchaus elbständige Stellung eingeräumt werde und daß sie nur unmittelbar dem Landeshauptmann untertelft werden. Man wird mir entgegenhalten, daf das technisch undurchführbar- ist, daß eine verantwortliche Persönlichkeit da fein muß in der Person des Landesamtsdirektors. Dem möchte entgegenhalten, daß zum Deifpiel in Vahern Ministerium des Innern der Leiter des ganzen Bauwesens auch unmittelbar dem Minister untertellt ift. Ich glaube nicht, daß schwerwiegende Gründe dafür sprechen können, daß auch fernerhin der ganze ausgedehnte Daudienft eingeengt wird durch die juridische Bureaukratie. Ich stelle den Antrag, daß für die Artikel 94 und 95 folgende Fafjung gewählt werde (lieft): „1. Zur Leitung des gesamten inneren Dienftbetriebes mit Ausnahme des öffentlichen Bau- und Landeskulturdienftes der Landesbaudireftionen wird ein Landesamtsdireftor beftellt. Er ift der unmittelbare Vorgefeßte aller Landesangeftellten der ihm unterstehenden Dienstzweige und hat für einen einheitlichen und geregelten Geschäftsgang 8 244 58 Herrr Vorsizender Landeshauptmann Doktor Mintelen (Steiermark): Zu Artikel 94 bitte ich Herrn Gemeinderat Schmitz. Herr Gemeinderat Schmitz (Wien): Ich werde auch gleich Artikel 95 unter einem erledigen. Die beiden Artikel erscheinen viel zu stark detailliert, als daß sie in einer Staatsverfassung berechtigten Blat hätten. Wir beantragen, daß Artikel 94 lediglich aus dem ersten Satze besteht (lieft): „Zur Leitung des gesamten inneren Dienstbetriebes der Landesregierung wird ein dem Stande der rechtskündigen Verwaltungsbeamten angehörender Landesamtsdirektor bestellt.“ Auf diese Einzelheiten, die vorgebracht worden sind vom Herrn Landeshauptmannftellvertreter Dottor Schmidt, einzugehen, ist für mich überflüssig, als bereits Herr Dr. Rehrl darauf geantwortet hat. Alle diese Bestimmungen gehören nicht in die Verfassung, sondern in die Dienstordnung der einzelnen Gliedftaaten hinein. Ich beantrage, Urtikel 94 zu ftreichen. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Doktor Rintelen (Steiermarf): Hat jemand noch etwas zu bemerfen? Herr Landeshauptmannftellvertreter Langoth hat das Wort. Herr Landeshauptmannstellvertreter Vangoth: Mit den Ausführungen des Herrn Vorredners kann ich mich nicht einverstanden erklären, wenn ch auch, und mit mir meine Parteifreunde, auf dem Grundsatze stehe, daß Einrichtungen der Verwaltungsbehörden innerhalb des Landes Sache des Landes find, wenn ich auf dem Standpunkt stehe, daß bezüglich der Landesregierung der Landesrat beziehungsweise die Vertreter des Landtages zu entscheiden haben, so glaube ich doch, daß ein Landesamtsdirektor an der Spitze der Beamtenschaft der Behörden eines Landes unentbehrlich ift und in solchen wichtigen Dingen, die für eine geregelte Verwaltung unbedingt notwendig erscheinen, soll doch eine gewisse Der Gleichheit in allen Gliedstaaten eintreten. Besöderalistische Standpunkt, wie er durch die stimmungen im Artikel 94 feftgelegt ift, wird dawir durch gewißz nicht verletzt. Im Gegenteil, dürfen nicht so weit gehen, daß wir unter Umständen das Funktionieren der Verwaltung fährden. Ich glaube daher, daß die Bestimmungen über den Landesamtsdirektor schon in der Verfassungzurkunde enthalten fein follen. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Doktor Rintelen: Herr Gemeinderat Schmitz hat das Wort. Herr Gemeinderat Schmitz: (Wien): Ich will nur darauf antworten, daß die Feststellung eines Landesamtsdirektors ohnehin auch in meinem Antrag enthalten ist (lieft): „Für Leitung des gesamten inneren Dienstbetriebes der Ländesregieruna ift ein rechtskundiger Beamter zu bestellen.“ Ob der Titel Landesamt3direftor heißt, ist doch Nebensche (Herr Landeshauptmannstell-
59 vertreter Landoth "Das ist gleichgültig!"), daß ein leitender Veamter da fein muß, stelle ich est. Die weiteren Bestimmungen wegen Führung des Amtes ufw. gehören nicht herein. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Dekter Mintelen: Ich bitte, Herr Landeshauptmannstellvertreter Dr. Rehrl. Herr Landeshauptmannstellvertreter Dekter Nchri (Salzburg): Ich verzichte auf eine Auftlärung. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Dekter Mintelen: Ich bitte, Herr Landeshauptmannstellvertreter Langoth. Herr Landeshauptmannstellvertreter Dangoth Oberösterreich): Ich möchte nur feststellen, daß es mir um die Sache zu tun war, nicht um den Titel. Ob der Titel anders gewählt wird, darauf lege ich feinen besonderen Wert. Ich möchte feststellen, daß ich mich mit den Ausführungen des Herrn Doktor Schmidt einverstanden erkläre und mich einvertanden erfläre, daß eine Landesbaudirektion gechaffen werde. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Doktor Mintelen: Herr Staatssekretär Dr. Mahr hat das Wort. Herr Staatssekretär Dr. Mahr: Ich habe mich schon bei den Ausführungen des Herrn DoktorSchmidt zur Frage geäußert, die in den Artikeln 94 und 35 in Behandlung fteht und brauche es deshalb jetzt nicht mehr zu tun. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß ich die Ausführungen des Herrn Landeshauptmannstellvertreters Langoth zur Renntnis nehme. Gs wird sich schon ein Mittel inden laffen, insbesondere wenn es gelingen könnte, wiederum in den Artikel 12 einen U6fatz aufzunehmen, daß die Organisation der Verwaltung in den Ländern durch ein allgemeines Gesetz geregelt werden joll. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Dokter Mintelen: Die Debatte über diesen Artikel ist geschlossen. Es kommt der Artifel 95. Zum Worte gelangt Herr Gemeinderat Schmiß. Herr Gemeinderät Schmitz (Wien): Ich beantrage die Streichung des ganzen Artitels 95 aus Gründen, die ich schon angegeben habe, und ich füge nur hinzu, daß soweit überhaupt Funktionen der Landesregierung und des Landeshauptmannes, die auf Beamte übergehen, vorkommen, diese durch die Dienftordnung der Länder vorgesehen sind. Aber hier in der Verfassung ist festzulegen, daß, wenn sich die Wahl des neuen Landeshauptmannes hinauszieht, der alte Landeshauptmann die Geschäfte weiterzuführen hat, aber nicht ein beamtetes Organ. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Doktor Mintelen: Sat jemand noch etwas zu bemerken? Fs ist nicht der Fall. Wir kommen zu Artikel 96. Zum Worte gelangt Herr Gemeinderat Schmit. Herr Gemeinderat Schmitz (Wien): Im Artitel 96 beantrage ich folgende Änderung: Die 8* 245 60 Worte „Mit Zustimmung des Bundesrates oder“ follen gestrichen werden und an Stelle der Worte „auf Vorschlag der Bundesregierung“ soll es heißen: mit Zustimmung der Bundesregierung“. Der Sinn des Antrages ist klar. Ich glaube, es ist feine weitere Degründuna notwendig. Herr Vorsitzender Landeshaubtmann Dr. Nintelen: Zum Worte gelangt Herr Landeshauptmannstellvertreter Vonarat. Herr Landeshauptmannstellvertreter Vonarat (Steiermarf): In diesem Verfassungsentwurf sind den Ländern und Gemeinden weitgehende Rechte eingeräumt worden. Im ersten Entwurf war die Bestimmung enthalten, daß jedes Land einen Bundeskommissär erhält. Diese Bestimmung war sehr zweckmäßig, denn wenn jedes Land eine große Selbständigkeit besitzt, so ist es schon aus rein praktischen Gründen notwendig, daß eine gewisse Verbindung mit dem Bundesstaate hergeftellt wird. Die Einrichtung eines Bundeskommissärs wäre daher nur zu begrüßzen und würde den Verfehr der Länder mit dem Bunde bedeutend erleichtern. Zwar zeigt es fich ja heute jchon vielfach, daß in gewissen gemeinsamen bedeutenden Ungelegenheiten die Ländervertreter nach Wienberüfen werden, um dort zu verschiedenen Angelegenheiten Steflung zu nehmen. Wenn aber in der Verfassung ein Bundeskommissär bestimmt wird, so wäre das meiner Ansicht nach eine bedeutende Erleichterung des Vetfehres der Länder mit dem Bunde. Wir würden daher empfehlen, daß in diesem Verfassungsentwurfe auf die alten Bestimmungen des Artikels 96 zurückgegriffen und die Einrichtung eines Dundeskommissärs wieder aufgenommen wird. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Dr. Kin telen: Hat noch jemand etwas zu bemerfen? Her Deleaierter Rehrl hat das Wort. Herr Landeshauptmannftellvertreter DofterMehrl Salzburg): Ich möchte nur das eine sagen daß, wenn einmal der Töderalismus aufrichtig gemeint fein foll, dann es ausgeschloffen fein foll, daß wir uns von der Zentrakregierung eine Ruratel gefallen laffen müssen: wir wissen selbst, was wir zu tun haben. Das ift das alte Suftem, daß das Verhältnis der Länder zu Wien vergiftet hat, da die Wiener Regierung glaubt, fie fei um 10 0. gescheiter als die Länder. Wir brauchen keinen Stion im Land, der dann alles nach Wien berichtet. Wenn diese Bestimmung aufgenommen werden foll, dann ist es mit dem Frieden zwischen Wien und den Ländern aus. (Herr Landeshauptmann Seber: „Das Geld dürfen wir aber schon heraufschicken, wenn Sie es gestatten1“) Wir werden ein ordentliches Finanzaeset machen und dann rinnt nicht foviel hinunter und dann brauchen Sie nicht foviel zurückzuzahlen. Ein Bundeskommissär ist vollständig überflüssig. Herr Gemeinderat Schmitz (Wien): Zum Artikel 96 möchte ich einige Bemerkungen machen,
daß er nämlich nur in ganz besonderen Ausnahmefällen Anwendung finden kann und er mir deshalb ungerechtfertiat erscheint. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Doktor Mintelen: Ich bitte den Herrn Landesrat Völzer. Herr Landesrat Bölzer (Niederösterreich): Ich möchte nur eines feststellen, daß ein Bundéäkonrmissär für Wien und Niederösterreich nicht wichtig sein kann, aber für andere Länder sicherlich. Gs handelt sich ja um das Einvernehmen zwischen Land und Staat und es kommt mir so vor, als ob der Staat Ihnen etwas ganz Fremdes wäre. Es ist doch Ihr Staat und ich verstehe nicht, daß Sie nicht eine Vereinbarung feftaeleät haben wollen, um die Möglichkeit zu haben, mit dem Staate zu verfehren. Das ift ja feine Bevormundung, nur eine geschäftliche Förderung für Land und Staat. Sie wollen doch nicht schön am ersten Tage mit dem Staate zum „Ratzen“ anfangen? Sie wollen doch ein gutes Ginbernehmen mit dem Staate haben, und das ist nur möglich, wenn irgend ein Organ besteht. Daß Sie jede Woche nach Wien fahren, scheint mir unwährcheinlich und deswegen verstehe ich die Sträubung nicht. Sie reden vom Staate immer wie von einem remden Körber. Das ist unzweckmäßig und ich mußz sagen, daß das für die Vereinbarung sicherlich nicht förderlich ist und in der Folge seine Nachwirkungen hat. Desweaen ift es sehr bedauerlich, daß die Einfetung eines Bundeskommissärs fallen gelassen wurde. Herr Staatssekreiär Dr. Maur: Meine Herren! Ich kann natürlich die gegensätzlichen Äußzerungen in diesem Stadium nur zur Kenntnis nehmen. Ich möchte mir aber doch zu bemerken erlauben, daß das Ginvernehmen zwischen Vund und den Gliedern des Staates ohnedies durch die Bestimmungen der bundesstaatlichen Verfassung, hergestellt ist. Zum Artikel 96 darf ich wohl sagen, daß ergewiß stark abgeschwächt ist gegen die frühere Fassung. Aber im wesentlichen ist der Bundeskommissär doch als unbedingt notwendig aufrecht erhalten. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Doktor Rintelen (Steiermarf): Herr Landesverweferftellvertreter Neukler hat das Wort. Herr Landesverweserstellvertreter Nenkler Kärnten): Zu Artikel 97 möchte ich folgende Änderung beantragen: „Vereinbarungen der Länder untereinander können nur über Angelegenheiten ihres felbständigen Wirkungskreises und nur auf dem Wegeüber die Bundesregierung getroffen werden.“ (s lieat im Interefse der Länder selbst, daß diese Vereinbarungen erzielt werden. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Doktor Rintelen (Steiermarf): Hat noch jemand etwas zu bemerken? Herr Landeshauptmannstellvertreter Dr. Mehrt (Salzburg): Der Antrag, daß Angelegenheiten des elbständigen Wirkungskreises über die Bundesregierung gehen, ist indiskutabel. Wir sind ja selbst mündig! Was haben wir die Selbständigkeit? Wir brauchen keine Ruratoren! Wenn wir alles der Bundesregierung mitteilen müssen, daß sie Kenntnis davon hat, dann brauchen wir keinen Töderalismus. (Zwischenrufe bei den Sozialdemofraten: „Daher ist es besser, wir schaffen keine Bundesstaaten, lassen wir die Ländermeierei aus und die Sache ist erledigt!“ Herr Vorsitzender Landeshauptmann Doktor Rintelen (Steiermarf): Zum Worte gelangt Herr Landesrat Chriftoph. Herr Landesrat Christoph (Salzburg): Ich möchte mir zu diesem Artikel noch einen Vorschlag erlauben dahingehend, daß auch Bestimmungen über etwaige Änderungen der Landesverfassung aufgenommen werden aus folgendem Grunde. Gs dürfte sich empfehlen, daß die Voraussetzungen für eine Änderung der Landesverfassung in allen Ländern die gleichen sind und daß auch das Stimmenverhältnis, das notwendig ist zur Underung der Verfassung, in allen Ländern dasselbe ist und daß daher nach dem Entwurfe der Grofdeutschen Vereinigung folgende Bestimmung aufgenommen werde: „Zur Änderung der Landesverfassung ist die Anwesenheit von zwei Dritteln der Mitglieder und die Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen erforderlich.“ Herr Vorsitzender Landeshauptmann Doktor Rintelen (Steiermarf): Herr Staatsjefretär Doktor Mahr hat das Wort. Herr Staatssekretär Dr. Mahr: Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß das in der ersten Fassung meines Verfassungsentwurfes darinnen war und daß ich es weggelassen habe auf dringenden Wunsch sehr maßgebender Herren. Ich kann infolgedessen die Anregung des Herrn Landesrates Christoph bezüglich Wiederaufnahme dieses Punktes nur zur Kenntnis nehmen. Herr Vorsitzender Dr. Mintelen (Steiermark): Wünscht noch jemand das Wort? Gs ist nicht der FFall. Wir kommen dann zu dem Kapitel: Grund- und Freiheitsrechte. Hat jemand hiezu noch etwas zu bemerken? Vitte, Hecr Dr. Danneberg. Herr Gemeinderat Dr. Danneberg (Wien): Verehrte Herren! Es hat der Geschäftsordnungsausschuß beschlossen, daß auch die Frage der Grund- und Freiheitsrechte hier auf der Länderfonferenz einer Grörterung unterzogen werden foll. Wir haben dem zugestimmt, müssen aber doch hier insbesondere wiederholen, was wir schon im Taufe der Generaldebatte und auch in Salzburg gesagt haben, daß die Zuständigkeit dieser Konferenz zur Erledigung der Verfassungsfrage von uns im allgemeinen nicht anerkannt wird, in bezug auf eine Erledigung dieser Frage aber inzbesondere. Denn in der Frage der Grundrechte
61 handelt es fich nicht um irgend welche befondere Länderinteressen, die vor der Fertigstellung der Verfassung zu erörtern wären, sondern um große politische Fragen, welche für den ganzen Staat, für den ganzen Bund in gleicher Weise in Betracht kommen. Da aber nun einmal diese Frage hier auf der Tagesordnung steht, so möchten wir, verehrte Herren, ohne allerdings uns ins Detail einzulasjen, weniastens einiges zu dieser Sache sagen. Ich mußz vor allem feststellen, daß der Entwurf des Herrn Staatssekretärs Professor Dr. Mayr in dieser Frage uns am allerwenigsten entspricht. Und daß, wie wir schon in allen anderen 26- schnitten der Verfassung mit seinem Entwurfe in vielen Dingen nicht einverstanden find, was die Grund- und Freiheitsrechte anbelangt, es uns völlig unmöglich erscheint, daß eine Verfassung geschaffen werden könnte, in der das Kapitel Grund- und Freiheitsrechte so ausschaut wie im Entwurfe des Herrn Staatssekretärs ProfessorDr. Mahr. Daß man sich bei der Fertigstellung der Verfassung im allgemeinen an das deutsche Muster, an die deutsche Reichsverfassung halten oll, das ift, wie schon einmal feftgeftellt wurde, nicht geschehen. Der Herr Staatssekretär hat allerdings in feinen Erwiderungen vorgeftern gemeint, eine Abweichung findet sich nur in bezug auf die Volkswirtschaft, weil hier von vielen Seiten abweichende Wünsche geäußzert worden seien. Ich muß feststellen, daß in bezug auf die rund- und Freiheitsrechte von einer Ropie der deutschen Verfassung hier so recht keine Rede sein fann, sondern das, was der Entwurf des Herrn Staatsfefretärs Dr. Mahr bietet, das ift etwas ganz anderes, als in der Deutichen Reichsverfassung steht. Ich will mich hier nicht in Details einlaffen, möchte aber doch folgendes fagen: Man könnte etwa die Fragen, die hier zu behandeln sind, in drei Gruppen einteilen, in die allgemeinpolitischen Fragen, in wirtschaftliche Fragen und endlich in die fulturellen Fragen. In allen drei Belangen entspricht uns der Entwurf des Herrn Staatsjefretärs nicht. Was zunächst die politischen Fragen anlangt, o sei es mir doch gestattet, darauf hinzuweisen, daß der Herr Staatssekretär hier so rückschrittlich ist als unsere Gesetzgebung, daß zum Beispiel gleich im ersten Artikel dieses Abschnittes vom Adel in einer Weise erwähnt ist, die dem Gesetze vom 3. April 1919 geradewegs widerspricht. Dieses Gesetz vom April 1919 hat den Adel abgeschafft. und hat auzdrücklich feftgeftellt, daß ein Adelstitel nicht mehr geführt werden darf. Der Herr Staatssekretär bringt hier im Artitel 108 eine milde Fajjung, daß Adelsbezeichnungen nur als ein Titel des Namens gelten und nicht mehr verliehen werden dürfen. Das ist nicht das, was im Adelsabschaffungsgesetz steht, am allerbesten aber das, was wir brauchen, weil die Praxis 246 62 im leßzten Jahre zeigte, daß auch dieses Geset nicht zureicht, das im April 1919 gemacht worden. ist, sondern daß es verschärft werden muß, weil die Aldeligen alle möglichen Methoden zur Führung ihres Namens anwenden, was für eine demotratische Republik nicht paßzt. Es möchte manchem das vielleicht als Kleinigkeit erscheinen. Gs erscheint uns nicht als Kleinigkeit, weil wir auf dem Standpunkt völliger Gleichheit in jeder politischen Beziehung stehen und darum ist der ganze Artikel 108, wie ihn Herr Staatsfefretär verfaft hat, nicht sympathisch und wir sind der Meinung, daß man die Abschaffung jedweden Vorrechtes auch noch in viel präziserer und schärferer Weise zum Ausdrucke bringen müßte. Dann, meine Herren, vermissen wir in dem Entwurf des Herrn Staatssekretärs Dr. Mayr eine Bestimmung über das Afylrecht, die in unerer Zeit eine außzerordentlich große Kolle spielt. Es handelt sich hier nicht um eine fozialdemotratische Forderung, sondern um eine alte Forderung der bürgerlichen Demokratie. Ich weiß schon, daß das Bürgertum in Deutschöfterreich der Herr Staatssekretär Dr. Steinwender hat einen Zwischenruf gemacht — seine politischen Grundrechte längit vergessen hat. Das ist uns ja bekannt, Es ist ja in vielen Dingen so, daß die Arbeiterchaft und die Sozialdemokraten die alten Forderungen der politischen Demokratie des Vürgertume heute vertreten müffen. Wir werden das auch ferner tun und sind der Meinung, daß das Asylrecht ein verfassungsmäßig garantiertes Recht sein muß, für wen immer es in Anwendung zu kommen hat, daß das Afhlrecht so formuliert sein soll wie die berühmte belgische Formel. Was die anderen politischen Fragen anlangt, so könnte man sich in bezug auf Vereinsrecht und Versammlungsrecht mit dem Entwurfe des Herrn Staatssekretärs im wesentlichen einvertanden erflären. Alferdings meinen wir, daß auch in diesem Punkte andere Formutierungen flaren und beffer wären als die, die uns hier vorliegen. Was die wichtige Frage der Pressefreiheit und der Zenfur im allgemeinen anbelangt, hat der Herr Staatssekretär die Fassung seines ersten Entwurfes, wenn ich nicht irre, einigermaßen geändert. Auch wir — das möchte ich bei dieser Gelegenheit betonensind der Meinung, daß die Möglichkeit der Bekämpfung der Schund- und Schmubliteratur als auch die Möglichkeit des Zugendschutzes in allen diesen Dingen gegeben ein mußz und daß insoweit die Möglichkeit zur Einschränkung der Pressefreiheit und der Freiheit der Meinungsäußerung überhaupt da sein muß. Aber jede weitergehende Einschränkung der Meinungsäußerung erscheint uns von Übel und von diesem Gesichtspunkte aus werden die Destimmungen in den betreffenden Artikeln auch zu überprüfen sein. Die Bestimmungen über die Gleichberechtigung der Staatsbürger ohne Unterschied
der Nationalität erscheinen in dem Entwurfe des Herrn Staatssekretärs nicht entsprechend herausgearbeitet. Ich glaube, daß hier das einfachste wohl sein wird, wenn wir die Bestimmung des Friedensvertrages im allgemeinen herübernehmen. in unsere Verfassung. Sehr wichtig ist besonders in den heutigen Verhältnissen das Kapitel der Freizügigkeit. Der Entwurf des Herrn Staatssekretärs enthält darüber eine Bestimmung, mit der wir uns im allgemeinen zufrieden geben können. Gs wird nur mit besonderem Nachdrucke auf fie hingewiesen werden, weil Bestimmungen in den Ländern bestehen, die Freizügigkeit der Personen durch besondere Bestimmungen einzuschränken in einer Weise, die dem Wirtschaftsverkehr des Staates heute schon sehrabträglich geworden ist. Was die Wirtschaftsfrage anbelangt, jo ift der Entwurf des Herrn Staatsekretärs in dieser Richtung außerordentlich dürftig. Gerade hier scheint es notwendig, daß eine verassungsmäßige Sicherung geschaffen wird. Ich möchte zunächst nur das erwähnen, verehrte Herren. Wir haben vorgestern schon vom Sozialisierungsparagraphen gesprochen, dessen Aufnahme in die Verfassung uns notwendig erscheint, da wir vom Begriff Eigentumsrecht eine andere Auffassung haben als die Herren und daß diese grundlegende Auffasjung vom Gigentum unserer Meinung nach aufgenommen werden muß in die Verfassung. Das Eigentum ift durch staatliche Rechtsordnung verliehen und muß durch sie entzogen werden können. Wenn dieser Grundsat in der Verfassung steht, folgt daraus die Möglichkeit einer Gesetzgebung für den Staat, der der wirtschaftlichen Entwicklung der neuen Zeit Rechnung zu tragen vermag. Was die Rechte der Arbeiterschaft anbelangt,-fo erscheint es uns außerordentlich dringend, daß die Verassung hierüber mehr sagen muß, als der Entwurf des Herrn Staatssekretärs Mahr bietet. Der Herr Staätssekretär hat im Artikel 124 Bestimmungen über die Sonntagsruhe. Das ist eine sehr nütliche Bestimmung. Man könnte sie sich auch anders gefaßt denken. Vor allem genügen diese Bestimmungen nicht, sondern sie müssen ergänzt werden durch eine Reihe von Bestimmungen, welche diese Materie grundlegend behandelt. Vor allem mußz der Arbeiterchuß, soweit er heute schon besteht, verfassungumäßig gesichert werden, eine Forderung, die überhaupt, wenn ich nicht sehr irre, auch einmal von der geehrten Gegenseite erhoben worden ist. Wenn ich mich nicht sehr täusche, habe ich im Wahlaufruf der christlichsozialen Partei bei der Wahl der Nationalversammlung im Ffebruar des vergangenen Jahres gelesen, daß der Arbeiterschutz verfassungsmäßig gesichert werden müsse. Das ist auch unsere Meinung und wir werden uns erlauben, entsprechende Vorschläge in dieser Richtung zu machen. Der Herr Staatsfekretär Dr. Mahr hat dann noch einen Passus im Entwurfe über die Koalitionsfreiheit. Das ist sehr nützlich, nur sind wir der Meinung, daß auch dieser Passus schärfer und deutlicher gefaßt werden müsse. Dann scheint es mir sich zu empfehlen, die verfassungsmäßigen Bestimmungen über die Einrichtungen des Versicherungswesens auszubauen. Das Versicherungswesen ist etwas so außerordentlich Wichtiges und Grundlegendes, daß die Schaffung eines solchen Versicherungswesens verfassungsmäßig wenigstens angekündigt werden muß. Ehenso fehlt eine Bestimmung über das Recht auf Arbeit und die daraus entspringende Notwendigkeit einer Arbeitslosenunterstützung durch den Staat. Dieses Recht ist schon durch ein Gesetz anerkannt und die Nationalversammlung hat vor nicht langer Zeit ein endgültiges Gesetz über die Arbeitslosenversicherung beschlossen. Auch hierüber gehörten unserer Meinung nach prinzipielle Bestimmungen in die Verfassung hinein. Dann erscheint uns noch auf Grund praktischer Erfahrung folgendes sehr wichtig. Die Demotratie hat alle Staatsbürger zur Teilnahme an der allgemeinen öffentlichen Verwaltung berufen. Wir erwarten ganz bestimmt die Demokratisierung des Wahlrechtes in Land und Gemeinde und auch die Demokratisierung der Verwaltungsbehörden erster Instanz. Dadurch werden Tausende und Abertaufende von Männern zu Geschäften der öffentlichen Verwaltung berufen, ohne daßz ihnen heute praktisch die Möglichkeit geboten würde, das, wozu sie berufen werden, auch wirklich auszuüben. Wir wissen, daß die Lohnarbeiter und Angestellten fortgesetzt in Schwierigkeit kommen bei der Ausübung aller politischen Ehrenämter. Wir haben, um noch von etwas anderem zu reden, die Geschworenengerichte demofratisiert, machen es aber den Arbeitern praktisch unmöglich, eschworene zu werden, wenn ihnen nicht Zeit gegeben wird. dieses Amt auch wirklich auszuüben. Das gilt auch noch für alle möglichen änderen Dinge. Das kann natürlich, soweit es sich um finanzielle Dinge handelt, nicht in der Verfäfsung geregelt werden. Aber grundsätzlich müßte doch in der Verfassuna festgestellt werden, daß die Möglichteit geboten ift, daß jedermann ein politisches Ehrenamt ausüben fann. über andere wichtige fraaen, über drei Gruppen, über die Kulturfrägen wird mein Kollege Speiser noch das Notwendige lagen. Wir stellen uns vor, wie ich zusammenfassend sagen möchte, daß der Entwurf über die Erundrechte also anders aussehen müßte als der Entwurf des Herrn Staatssekretärs. Wir können zu seinem Entwurf keine Abänderungsanträge stellén, weil in dieser Form die Sache zu kombliziert würde, sondern wir schlagen vor, daß dieses Kabitel. dieser Abschnitt überhaupt anders lauten soll. Und ich möchte mir nur erlauben
63 o wie wir ihn uns denken, diesen Abschnitt zu verlesen (lieft): „Sechster Abschnitt. Die Grund- und Freiheitsrechte.
Vor dem Gesetze sind alle Staatsbürger gleich. Vorrechte der Nationalität, der Konfession, des Geschlechtes, Standes oder der Klafse sind für immer ausgeschlossen.
Der Adel, seine äußzeren Ehrenvorzüge sowie bloß zur Auszeichnung verliehene, mit einer amtlichen Stellung, dem Verufe oder einer wissenschaftlichen oder künftlerischen Befähigung nicht im Zusammenhange stehende Titel und Würden und die damit verbundenen Ehrenvorzüge sowie die weltlichen Ritter- und Damenorden sind aufgehoben und dürfen nicht wieder eingeführt werden. Kein Bundesangehöriger darf von einer ausländischen Regierung Titel oder Orden annehmen.
Die öffentlichen Umter und Funktionen sind für alle Staatsbürger ohne Unterschied nach Maßgabe der Gesetze gleich zugänglich.
Die Freizügigkeit der Personen und Güter innerhalb des Bundesgebietes ift jedermann gewährleistet. Einschränkungen können nur durch Bundesgesetz bestimmt werden. Artifel 109. Die Auswanderungsfreiheit darf unbeschadet der Verhinderung der Steuerflucht durch Gesetze nicht eingeschränkt werden.“ (Spricht:) Diese Bestimniung weicht einigermaßen von dem Entwurfe des Herrn Staatssekretärs ab. (Lieft weiter:) „(3) Der Verlust der Staatsbürgerschaft infolae Auswanderung wird durch Bundesgesetz geregelt. Artitel 110. Jeder Bundesangehörige kann in jedem Orte des Bundesgebietes seinen Aufenthalt und Wohnsitz nehmen. Einschränkungen werden durch Bundesgesetz bestimmt. Jeder Bundesangehörige kann gemäß den bestehenden Gesetzen Grundbesit erwerben und sich nach Belieben beruflich betätigen. Die Freiheit der Berufswahl ist nur durch das Familienrecht beschränkt.
() Die Freiheit der Person ist gewährleistet. Die zum Schutze von Stäat und Gesellschaft erforderlichen Schranken können nur durch Bundesgesetz errichtet werden. 247 64
(2) Personen, denen die Freiheit entzogen wird, sind spätestens am darauffolgenden Täge in Kenntnis zu fetzen, von welcher Behörde und aus welchen Gründen die Entziehung der Freiheit angeordnet worden ist; es muß ihnen unverzüglich Gelegenheit gegeben werden, Einwendungen gegen die Freiheitsentziehung vorzubringen.
() Das Ashlrecht für Delikte, die aus politischen Motiben begangen oder im Zusammenhang mit solchen Delikten verübt wurden, wird gewährleiftet. Das Recht der Auslieferung von Verbrechern wird durch Bundesgesetz geregelt.
Das Hausrecht ist gewährleistet. Wann eine Hausdurchsuchung zulässig ist, wird durch Bundesgesetz bestimmt.
Das Brief- Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis ist gewährleiftet. Ausnahmen in den Fällen strafgerichtlicher Untersuchung und unter außzerordentlichen Verhältnissen können nur durch Bundesgesetz bestimmt werden. Artifel 115.
(1) Die Freiheit der Meinungsäußerung ist nur durch das Strafaeset beschränkt. () Die Breßfreiheit ist gewährleistet. Die Beschlagnahme von Druckwerfen darf nur aus den vom Strafgesetz, von der Strafprozeßordnung und vom Preßgesetz vorgesehenen Gründen stattfinden. Sie ist ohne gleichzeitige Verfolgung des Täters ausgeschlossen. Ein Voftverbot darf überhaupt nicht erlassen werden. Jede Zenfur ist aufgehoben: doch sind zur Bekämpfung der Schund- und Schmutliteratur owie zum Schutz der Jugend bei öffentlichen Schauftellungen und Darbietungen gesetzliche Maßnahmen zulässig.
Die Ehe ift ein bürgerlicher Vertrag. Sie kann nur vor den ftaatlichen Behörden geschlossen werden. Doch bleibt es dabei jedermann unbenommen, auch die Vorschriften seiner Religion zu erfüllen.
(1) Der Eheschließung kann aus Gründen des religiösen Bekenntnisses oder eines religiösen (elübdes fein rechtliches Sindernis geseßzt werden. Die Möglichkeit einer Trennung der Gheim Falle des Ginverständnisses beider Ehegatten ist zu gewährleisten. In welchen Fällen die Eheauch ohne die Zustimmung eines der beiden Ehegatten zu trennen ift. bestimmt das Gesetz. Doch ist in beiden Fällen auf die Versorgung der Kinder/
aus der getrennten Ehe durch ihre Eltern gesetzlich Bedacht zu nehmen. Artifel 118. Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche, eelische und gesellschaftliche Entwicklung zu schaffen. wie den ehelichen. Artitel 119. () Alle Bundesangehörigen haben das nur durch das Strafgesetz eingeschränkte Recht, Vereine zu bilden. Dieses Recht darf durch Ausführungsgesetze nicht gemindert werden. Eine Sonderbehandlung der politischen Vereine ift ausgeschlossen.
(2) Für Vereinigungen, die religiöse Zwecke verfolgen, gelten dieselben Bestimmungen. über die Rechtsfähigkeit von Vereinen bestimmen die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.
Alle Staatsbürger haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder besondere Erlaubnis unbewaffnet zu versammeln. Dieses Recht darf durch Ausführungsgefeße nicht gemindert werden. Versammlungen unter freiem Simmelkönnen durch Bundesgefeß anmeldepflichtig gemacht und bei unmittelbarer Gefährdung der Teilnehmer oder anderer Personen verboten werden.
Die volle Glaubens- und Gewiffensfreiheit, insbesondere die pribate und öffentliche Religionsübung wird jedermann gewährleiftet. Einschränkungen sind nur durch das Strafgesetz zulässig.
Der Genuk der bürgerlichen und politischen Rechte sowie die Zulassung zu den öffentlichen Ämtern ift von dem Religionsbekenntis unabhängig; doch darf den staatsbürgerlichen Pflichten durch das Religionsbekenntnis fein Abbruch geschehen. Niemand ift verpflichtet, seine religiöse überzeugung zu offenbaren. Die Behörden haben nur soweit das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft zu fragen, als davon Rechte und Pflichte abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statiftische Erhebung dies erfordert. In diesem Sinne ist durch Bundesgesetzdie Führung der Standesregister zu regeln.
(1) Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung, zur Teilnahme an einer kirchlichen Feierlichteit oder an religiöfen übungen gezwungen. werden. Zu gerichtlichen oder sonftigen behördlichen Zwecken darf keine religiöse Gidesformel benußt werden. Artifel 123.
(1) Staat und Kirche werden getrennt.
(2) Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschluß von Religionsgesellschaften innerhalb des Bundesgehietes unterliegt keinen Beschränkungen. Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der gesetzlichen Schranken. Sie verleiht ihre Umter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinden. Die Rechtsfähigkeit der Religionsaesellschaften richtet sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes über die Rechtsfähigkeit der Vereine.
Alle bishier auf Gefetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleiftungen an die Religionsgesellschaften werden aufgehoben.
Den Angehörigen des öffentlichen Dienstes sowie der Wehrmacht ist die nötige freie Zeit zur Befriedigung ihrer religiösen Bedürfnisse zu gewähren.
Soweit das Bedürfnis nach Gottesdienft und Seelsorae in öffentlichen Anstalten besteht, sind die Religionsgefellschaften zur Vornahme réligiöfer Handlungen zuzulassen, wobei jeder Zwang fernzuhalten ift.
Die Kunft, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei. Der Staat gewährt ihnen Schutz und nimmt an ihrer Pflegé teil. Die Denkmäler der Kunft. der Geschichte und der Natur genießen den Schutz und die Pflege des Staates.
Gs besteht allgemeine Schulpflicht. Ihrer Erfüllung dient grundfätzlich die Voltsschüle mit mindestens acht Schuljahren und die anschließende Fortbildungsschule bis zum vollendeten 18. Lebensjahre. Der Unterricht und die Zernmittel sind unentgeltlich.
In allen Schulen ist sittliche Vildung, staatsbürgerliche Gesinnung und berufliche Tüchtigkeit zu erstreben. Beim Unterricht in öffentlichen Schulen
1it Bedacht zu nehmen, daß die Empfindungen Andersdeükender nicht verletzt werden. Staatsbürgerfunde und Arbeitsunterricht sind Lehrfächer der Schulen. Jeder Schüler erhält bei Beendigung der Schulpflicht einen Abdruck der Verfassung.
für den Zugang Minderbemittelter zu den mittleren und höheren Schulen sind durch Bund,
65 Länder und Gemeinden öffentliche Mittel bereitzustellen, insbesondere Erziehungsbeihilfen für Eltern von Kindern, die zur Ausbildung auf mittleren und höheren Schulen für geeignet erachtet werden, bis zur Beendigung der Ausbildung.
Von Staatswegen wird weder Religionsunterricht erteilt, noch für die Ausbildung von Seelsorgern irgend einer Religion gesorat. Doch ist an den öffentlichen Volksschulen den Kindern Gelegenheit zu geben, an dem von den Religionsgesellschaften veranstalteten Religionsunterricht teilzunehmen. Die Teilnahme der Schüler an diesem Religionsunterricht sowie an kirchlichen Feiern und Handlungen bleibt der Willenzerklärung desjenigen überlassen, der über die religiöse Erziehung des Kindes zu bestimmen hat. Artifel 132. Pribate Schulen als Erfatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Bundes und unterstehen den Bundesgesetzen.
Alle Bundesangehörigen haben ein gleiches Recht auf Wahruna ihrer Nationalität und Sprache.
(2) Keinem Bundesangehörigen werden im Gebräuche irgend einer Sprache im Privat- oder Geschäftsvertehr sowie bei Betätigung der religiösen Überzeugung, in der Presse oder in sonstigen Veröffentlichungen oder in allgemein zugänglichen Versammlungen Beschränkungen auferlegt. Durch Gesetz wird vorgesorgt, daß den nicht deutschsprechenden Bundesangehörigen angemessene Erleichterungen zum Gebrauch ihrer Sprache in Wort und Schrift bei den Gerichten geboten werden.
Bundesangehörige, die nach Nationalität, Sprache oder Religion einer Minderheit angehören, haben das gleiche Recht wie die der Mehrheit Angehörenden, in den auf ihre eigenen Kosten errichteten Wohltätigkeits- Religions-, Unterrichts-, Erziehungs- und sonftigen Anstalten ihre eigene Sprache nach Belieben zu gebrauchen und ihre Religion frei auszuüben. Arfikel 135. Wo eine verhältnismäßig beträchtliche Anzahl von Bundesangehörigen wohnt, die einer Minderheit nach Nationalität oder Sprache angehört, sind von allen Beiträgen, die etwa für Erziehungs- oder Wohltätigkeitszwecke aus öffentlichen Mitteln zugewendet werden, diese Minderheiten angemessen zu beteilen. 9 248 66 Artifel 136. Das Ginentum ift von der staatlichen Rechtsordnung verliehen und kann durch sie entzogen werden. Die Zwecke, zu denen enteignet werden kann, werden in besonderen Gesetzen, das Enteignunazuerfahren wird durch Bundesgesetz geregelt.
(3) In welchen Fällen auf Verfall oder Einziehung von Gegenständen als Folge einer rechtswidrigen Sandlung zu erkennen ist, bestimmt das Gesetz.
Alle Fideikommisse sind aufgehoben.“ (Sbricht:) Eine Bestimmung, die auch im Entwurf des Herrn Staatsfefretärs fehlt. (Lieft weiter:) „Artikel 138. Wer durch schuldhaft rechtswidrige Ausübuna der öffentlichen Gewalt Schaden erleidet, hat Anspruch auf Entschädigung gegen den Bund- oder das Land, durch dessen Organ der Schaden zugefügt wurde. Die nähere Regelung erfolat durch Bundesgesetz. Dieses stellt auch fest, unter welcher Vorausfekung ein Rückgriffsrecht gegen das schuldtragende Organ zulässig ist. Artifel 139. () Die Arbeitskraft steht unter dem besonderen Schutz des Bundes. Der Sonntag und die staatlich anerfanntén Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe gesetzlich geschützt. Die in den geltenden Gesetzen zu gunsten der Arbeiter geschaffenen Rechtseinrichtungen, insbesondere die Betriebsräte und alle schon bestehenden gesetzlichen Maßnahmen des Arbeiterschutzes, werden verfassungsmäßig gewährleistet. Sie können zu ungunsten der Arbeiter nicht abgeändert werden und sind weiter auszubauen sowie auf die land- und forftwirtschaftlichen Arbeiter mit Berückichtigung der besonderen Verhältnisse auszudehnen. Der Bund schafft ein einheitliches Arbeitsrecht.
Das Roalitionsrecht der Arbeiter und Angestellten ift gewährleiftet. Alle Abreden und Maßnahmen, welche dieses Recht einzuschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig. Artitel 141. Zur Erhaltung der Gefundheit und ArbeitsJähigkeit, zum Schütze der Mutterschaft und zur Vorsorge gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Schwäche und Wechselfällen des Lebens schafft der Bund ein umfassendes Versicherungswesen, wobei die Verwaltung unbeschadet des Aufichtsrechtes des Staates ausschließlich von den Versicherten selbst zu besorgen ist.
Wer in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis als Ungestellter oder Arbeiter fteht, hat das Recht auf die zur Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte und, soweit dadurch der Betrieb nicht erheblich geschädigt wird, zur Auzübung ihm übertragener öffentlicher Ehrenämter nötige freie Zeit. Wie weit ihm der Anspruch auf Vergütung erhalten bleibt, bestimmt das Gefeß.
Jedem Bundesangehörigen soll die Möglichkeit gegeben werden, durch wirtschaftliche Arbeit einen Unterhalt zu erwerben. Soweit ihm angemessene Arbeitsgelegenheit nicht nachgewiesen werden fann, wird für seinen notwendigen Unterhalt gesorgt. Das Nähere wird durch Gesetz bestimmt.“ So, meine Herren, stellen wir uns. ergänzt durch Bestimmungen über die Kulturfragen, die mein Freund Speiser noch besprechen wird, das Rapitel über Grundrechte vor. Es ist zum Teil identisch mit dem Entwurk des Herrn Staatssekretärs Dr. Mahr, weicht aber in wefentlichen Bestimmungen, wie die Herren gesehen haben, davon ab. Wir sind nicht der Meinung, daß hierüber nun hier eine größe Debatte stattfinden müßte. Denn diese Frage, als politische Frage, gehört voll und ganz vör das Forum der Nätionalbersammlung. Wir wollten aber unseren Vorschlagzu Protofoll bringen, damit die Regierung auch hierin offiziell Kenntnis erhält. Wir erwarten, daß unser Vorschlag auch berücksichtigt wird, nicht wie es mit dem Vorschlage in Salzbura geschehen. st, sondern in anderer und entsprechender Weise. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Daktor Mintelen: Gs hat ein Photograph gebeten, die Versammlung aufnehmen zu dürfen. Ich unterbreche die Sitzung auf einige Minuten. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Doktor Mintelen (nach Wiederaufnahme der Sitzung): Zum Worte gelangt Herr Landeshauptmannstellbertreter Langoth. Herr Landeshauptmannftellvertreter Langoth. Oberösterreich): Verehrte Herrenl Ich habé in meinen vorgestrigen Ausführungen auf den Umstand hingewiesen, daß wir in unserem Verfasungzentwurf die Grundrechte der Organisation des Bundesstaates vorangestellt haben. Wenn dies auch als formeller Unterfchied nur betrachtet werden könnte, so haben wir damit eine gewisie Absicht verfolgt. Wir wollten damit zum Ausdrucke bringen, daß wir in diesen Bestimmungen das Fundament der Verfassung betrachten. Wenn die Länderkonferenz mit gutem Recht über die Fafsung berät, so kann diese Beratung nach unserer Meinung sich nur auf jene Gegenstände beziehen, die für die Länder von Interesie und Bedeutung sind. Die Grund- und Freiheitörechte sind aber eine Angelegenheit für alle Staatsbürger, gleichgültig ob Vorarlberger, Steiermärter oder Niederösterreicher. Aus diesem Grunde glauben wir, daß die Veratung über diesen Abschnitt der Verfassung lediglich und ausschließlich eine Sache der Nationalversammlung sein soll. Hier kommen die Anschauungen der Parteien zum Worte. Ich sehe ab davon, Ihnen unsere Auffassung über die Grund- und Freiheitsrechte vorzulesen. Sie sind ja im Besitze unserer Vorlage und in der Tage, selbst Einsicht zu nehmen, und ich stelle daher den Antrag, daß wir von weiteren Beratungen dieser Angelegenheit absehen mit Rücksicht auf die Anschäuungen, die hier vertreten sind. Die Nationalversammlung allein wird darüber zu entcheiden haben. Herr Abgeordneter Runschak (Wien): Sehr geehrte Herren! Im Namen der christlichsozialen Mitglieder der Konferenz habe ich folgendes zur Kenntnis zu bringen (lieft): „Die Aufgabe der beiden Länderkonferenzen, jener in Salzburg sowie der gegenwärtig tagenden in Zinz, liegt in dem Wunsche, daß dem Osterreich des Zusammenbruches und des Umsturzes raschetens eine den staatlichen Wiederaufbau ermöglichende, die politische, soziale und wirtschaftliche Entwicklung verbürgende Verfassung gegeben werde. Es handelt sich dabei in erster Tinie um die Regelung der Verhältnisse der einzelnen Länderzueinander und zum Staate. In diesem Belange haben beide Konferenzen überaus wertvolle Arbeit geleistet, insbesondere haben sie die Forderungen, welche die Länder an die Staatsverfassung stellen müssen, völlig klargestellt. Selbstverständlich muß durch die Verfassung auch über die staatsbürgerlichen Grund- und Freiheitsrechte entschieden werden; der uns vorliegende Entwurf sucht diese Aufgabe durch die Bestimmungen der Artikel 108. bis 137 zur Löjung zu bringen. Daß die Ländertonferenz das Recht hat, auch zu dieser überaus wichtigen, für die öffentliche Ordnung und die Freiheit der Person entscheidenden Bestimmung Stellung zu nehmen, unterliegt keinem Zweifel, offen steht nur die rein taktische Erwägung, ob sich die Länderkonferenz mit dieser schwierigen Aufgabe belaften foll und ob der erzielbare Erfolg im Verhältnis zum Aufwande von Zeit und Kraft steht. Wir beurteilen den Abschnitt über die Grund- und Freiheitsrechte als den eigentlichen und wefentlichst politischen Inhalt der Verfassung. Der bisherige Verlauf der Konferenzberatungen hat gezeigt, daß alle Teilnehmer betrebt waren, die Beratungen möglichst losgelöst von allgemein politischen und noch mehr von parteipolitischen Erwägungen zu führen. Wenn dies nicht immer und nicht voll gelungen ist, so findet dies seine Entschuldigung in der Natur der Materie, die wir zu behandeln hatten. Mehr als alle bisher besprochenen Fragen drängt aber Behandlung der Frage von dem Grund- und
67 Freiheitsrechte auf das parteipolitische Gehiet. Sie müßte und würde die Länderkonferenz in eine Parteienfonferenz verwandeln und so einen Zutand schaffen, der nicht in dem Willen der Konferenzmitglieder, welcher parteipolitischen Gesinnung sie auch sein mögen, gelegen sein kann. Von solchen Erwägungen ausgehend, sind wir zu dem des Intschlusse gekommen, auf eine Beratung Abschnittes über die Grund- und Freiheitsrechte nicht einzugehen, so sehr auch jeder einzelne von und das Bedürfnis hat, im Gegenstände eine Meinung auszusprechen. Wir stellen unsere perönlichen Empfindungen unter den Zwang der Erkenntnis, daß die Abführung einer rein politichen Debatte auf dem Voden der Länderkonferenz leßten Gndes in ein unerquickliches Parteigezänfe auslaufen müßte, ohne uns einer fachlichen Entcheidung auch nur näherzubringen. Als ein Polititum müssen die Bestinmungen der Verfassung über die Grund- und Freiheitsrechte ihre Austragung vor einem politischen Forum, also vor der Nationalversammlung finden. Wenn wir daherdas Gingehen in eine Aussprache über den Abchnitt betreffend die Grund- und Freiheitsrechte ablehnen, so geschieht dies weder aus dem Grunde, weil uns eine solche nicht angenehm wäre, noch soll dadurch zum Auzdruck gebracht werden, daß wir mit allen Bestimmungen dieses Abschnittes einverstanden find. Daß wir auf dem Voden unversehrter Wahrung der persönlichen Freiheit, der Freiheit des religiösen Bekenntnisses und der vollen Sicherung einer Fortentwicklung des Rulturlebens im Sinne des chriftlichdeutschen Rulturideals stehen und von diesem Standpunkte aus alle unsere Forderungen und Entscheidungen betimmen werden, das auch hier auszusprechen halten wir uns für verpflichtet. Wir hegen in diesem Augenblicke die Hoffnung, daß es der Nationalversammlung trot der unverkannten politischen Schwierigkeiten gelingen möge, auch in den FFragen über die staatsbürgerlichen Grund- und Freiheitsrechte zu Entscheidungen zu gelangen, die unserem Staate eine demokratische Entwicklung und unjerem Volke nicht nur Freiheit, sondern auch tulturellen Aufftieg verbürgen.“(Lebhafte „Dravol! Rufe.) Herr Vorsitzender Landeshaubtmann Doktor Mintelen (Steiermark): Herr Stadtrat DoktorSpeiser hat das Wort. Herr Stadtrat Dr. Speiser (Wien): Der oeben abgegebenen Erklärung des Herrn 26- geordneten Runschak können wir in jenen Teilen zustimmen, die aussprechen, daß auch wir glauben, daß die Verhandlungen über diese Teile, die wir hier zu verhandeln haben, in der Nationalverammlung ihre Entscheidung finden werden. Wir haben aber doch - und das hat Genosse Doktor Danneberg bereits ausgeführtdas Bedürfnis, hier zu Protofoll zu bringen, was wir über die 9* 249 68 rund- und Freiheitsrechte an Grundsätzen geammelt und vorgelegt haben. Dabei ist mir die Aufgabe zugefallen, noch über Kulturfragen zu sprechen, über jene Fragen, die in Bezug auf die Freiheitsrechte zwischen Kirche, Schule und Ghe. stehen. Ich möchte hervorheben, daß der Entwurf des Herrn Staatssekretärs Dr. Mahr sich durchaus nicht an die Bestimmungen der deutschen Reichsverfassung hält. Während in der deutschen Reichsverfassung im Artikel 138 die Trennung von Staat und Kirche fast ganz durchgeführt und nur mehr ein Faden zwischen Staat und Kirche gesponnen ist, während sich dort die Bestimmung findet, daß Zuwendungen des Staates an Religionsgefellschaften abgelöft, also aufgelöst werden können, heißt es im Artikel 122: „Die auf Gesetz, auf Verträgen oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleiftungen an Religionsgemeinschaften können nur mit deren Zustimmung durch Gefetze abgelöft werden.“ Eine solche Betimmuna wäre natürlich für uns unannehmbar und unannehmbar wäre für uns noch die Bestimmung des Zusatzes zu Artikel 120 des Mahrschen Entwürfes, der über die Teilnahme an einer firchlichen Handlung, an einer firchlichen Feierlichkeit oder an religiöjen übungen handelt, jener Zusatz, der schon in Österreich die letzten politischen Kämpfe des vergangenen Jahres sehr vergiftet hat, der bestimmt, daß niemand zur Teilnahme an einer firchlichen Handlung gezwungen werden kann, sofern er nicht nach der Gefekgebung der Gewalt eines anderen unterfteht. Auch fehlt dem Mayrschen Entwurfe eine wichtige Bestimmung der deutschen Reichsverfassung, daß kein Zwang zur Ablegung einer religiösen Eidesformel ausgeübt werden darf. Die deutsche Verfassung betrachtet alle religiösen Gefellchaften als Vereine. Der Mahrsche Entwurf läßt diesen Gedanken durchaus unausgesprochen. Die deutsche Verfassung stellt den Staätsbürgern religiöse Vereinigungen zur gemeinschaftlichen Pflege ihrer Weltanschauungen frei. Eine solche Bestimmung fehlt im Mahrschen Entwurfe. Der § 141 der deutschen Reichsverassung hat den Vortlaut: „Soweit das Bedürfnis nach Gottesdienft und Seelforge oder sonftiger Anstalten besteht, sind die religiösen Gesellschaften zur Vornahme religiöser übungen zuzulassen, wobei jeder Zwang fernzuhalten ist.“ Dieser Artikel hat bei uns bezeichnenderweise eine ganz andere Fassung gefunden. Im Dr. Mahrschen Entwurf heisit es: „Um Gottesdienft und Seelsorge im Heer, in Krankenhäufern, Strafanstalten oder sonstigen öffentlichen Anftalten zu sichern, sind die Religionsgemeinschaften zur Vornahmé religiöser Sandlungen zuzulassen.“ Der Dr. Maürsche Entwurf legt also die Entscheidung über die Frage des Bedürfnisses, nicht so wie in der deutlichen Reichsverfassung, in
die Hände der Anstaltsleitung, sondern in die Hände der Religionsgesellschaft. Einer solchen Fassung könnten wir nicht zustimmen und sprechen auch hier aus, daß nach unserem Entwurf es den Religionsgesellschaften vollständig freigestellt ist und sie unabhängig sein sollen, daß sie so wie Vereine zu behandeln sind und daß sie ihre Funktionäre elbft ernennen und wählen follen, daß der Staat anderseits ihnen gegenüber keinerlei Verpflichtung inanzieller Natur haben foll und daß er ihnen feinerlei politische Grefutivgewalt ihren Angehörigen zegenüber, beiftellen foll. Wenn ich noch ein paar allgemeine Worte sprechen darf über die Frage des Unterrichtes und der Schule, so möchte ich feststellen, daß der Artikel
149 der deutschen Reichsverfassung die Möglichkeit des öffentlichen staatlichen Bekenntnisses, freie Schule zuläßzt, während bei uns es im Artikel 130. des Dr. Mahrschen Entwurfes ausdrücklich heißt: „„Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach an allen Volfs- und Mittelschulen. Seine Erteilung wird im Wege der Schulgesetzgebung geregelt, wobei die Übereinstimmung mit den Grundsätzen der betreffenden Religionsgemeinchaft zu wahren ist.1 Hier fehlt die Möglichkeit des fakultativen Bekenntnisses zur freien Schule. Wir stehen auf dem Grundsatz der Trennung zwischen Kirche und Schule und können niemals zulafsen, daß eine konfessionelle Schule auf dem Uinwege durch staatliche Bezahlung eingeführt wird. Wir sind dafür, daß solche von Religionsgefellschaften beeinflußzte Schulen feinerlei stäatliche Unterstützung finden. werden. Der Staat hat Interesse an dem gemeinamen Unterricht der Kinder in seinen Schulen. Die Schulaufsicht ist für den Staat auf jeden Fall zu reflamieren, wenn man sich auch überdie Wirkung der Schulaufsicht in Schulen, die von anderen geleitet werden, feiner Täuschung hingeben darf. Die Bestimmungen unseres Entwurfes, den wir zur Vorlage und auch zum Protofoll der heutigen Länderfonferenz geben wollen, lauten aber auch insbesondere im Bunkte der Gheganz anders als die im Mahrichen Entwurfe. Wir schlagen vor, daß es heißen soll (lieft): „Artikel 116. Die Ehe ist ein bürgerlicher Vertrag. Sie fann nur vor den staatlichen Behörden geschlossen werden. Doch bleibt es dabei Jjedermann unbenommen, auch die Vorschriften einer Religion zu erfüllen.
Der Eheschließung kann aus Gründen. des religiösen Bekenntnisses oder eines religiösen Gelübdes fein rechtliches Hindernis gesetzt werden. Die Möglichkeit einer Trennung der Gheim Falle des Einverständnisses beider Ehegatten ist zu gewährleisten. In welchen Fällen die Ehe auch ohne die Zustimmung eines der beiden Ehegatten zu trennen ist, bestimmt das Gesetz. Doch ist in beiden Fällen auf die Versorgung der Kinder aus der getrennten Ehe durch ihre Eltern gesetzlich Bedacht zu nehmen. Urtifel 118. Den unehelichen Kindern find durch die Gesehaebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche, seelische und gesellschaftliche Entwicklung zu schaffen wie den ehelichen.
(,) Alle Bundesangehörigen haben das nur durch das Strafgesetz eingeschränkte Recht, Vereine zu bilden. Dieses Recht darf durch Ausführungsgefeke nicht gemindert werden. Eine Sonderbehandlung der politischen Vereine ist ausgeschlossen. Für Vereinigungen, die religiöse Zwecke verfolgen, gelten dieselben Bestimmungen. über die Rechtsfähigkeit von Vereinen bestimmen die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes. Artifel 120. Alle Staatsbürger haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder besondere Grlaubnis unbewaffnet zu versammeln. Dieses Recht darf durch Ausführungsgefeße nicht gemindert werden. () Versammlungén unter freiem Simmel können durch Bundesaesek anmeldepflichtig gemacht und bei unmittelbarer Gefährdung der Teilnehmer oder anderer Personen verboten werden.
(1) Die volle Glaubens- und Gewifsensfreiheit, insbesondere die private und öffentliche Religionsübung, wird jedermann gewährleistet.
3) Einschränkungen sind nur durch das Strafgesetz zulässig.
() Der Genusi der bürgerlichen und politischen Rechte sowie die Zulassung zu den öffentlichen Ämtern ist von dem Religionsbekenntnis unäbhängig; doch darf den staatsbürgerlichen Pflichten durch das Religionsbekenntnis- kein Abbruch geschehen. Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Die Behörden haben nur soweit das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsaefellschaft zu fragen, als davon Rechte und Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung dies erfordert. In diesem Sinne ist durch Bundesgesetz die Führung der Standesregister zu regeln. () Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung, zur Teilnahme an einer kirchlichen Feierlichteit oder an religiöfen übungen gezwungen werden. Zu gerichtlichen oder sonstigen behörd-
69 lichen Zwecken darf seine religiöse Eidesformel benubt werden. Artifel 123. Staat und Kirche werden getrennt. Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet. Der Zuammenschluß von Religionsgesellschaften innerhalb des Bundesgebietes unterliegt keinen Beschränkungen. Jede Religionsgefellfchaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der gesetzlichen Schränken. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinden. Die Rechtsfähigkeit der Religionsgesellchaften richtet sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes über die Rechtsfähigkeit der Vereine.
Alle bisher auf Gefek. Vertrag oder befonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleiftungen an die Religionsgefellschaften werden aufgehoben.
Den Angehörigen des öffentlichen Dienstes sowie der Wehrmacht ift die nötige freie Zeit zur Befriedigung ihrer religiösen Bedürfnisse zu gewähren.
Soweit das Bedürfnis nach Gottesdienft und Seeljorge in öffentlichen Anstalten besteht, sind die Religionsaefellschaften zur Vornahme religiöfer Handlungen zuzulassen, wobei jeder Zwang fernzuhalten ift.
() Die Kunft. die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei. Der Staat gewährt ihnen Schut- und nimmt an ihrer Pflege teil. Die Denkmäler der Kunft, der Geschichte und der Natur genießen den Schutz und die Pflege des Staates.
Gs befieht allgemeine Schulpflicht. Ihrer Erfüllung dient grundfätzlich die Volfsschule mit mindestens acht Schuljahren und die anschließende Fortbildungsschule bis zum vollendeten 18. Lebensjahre. Der Unterricht und die Lernmittel sind unentgeltlich.
In allen Schulen ist sittliche Bildung, staatsbüraerliche Gesinnung und berufliche Tüchtigkeit zu erftreben. Beim Unterricht in öffentlichen Schulen ist Bedacht zu nehmen, daß die Empfindungen Andersdenkender nicht verlebzt werden. Staatsbürgerkunde und Arbeitsunterricht sind Lehrfächer der Schulen. Jeder Schüler er250 70 hält bei Beendigung der Schulpflicht einen Abdruck der Verfassung.
Für den Zugang Minderbemittelter zu den mittleren und höheren Schulen sind durch Bund, Länder und Gemeinden öffentliche Mittel bereitzustellen, insbesondere Erziehungsbeihilfen für Eltern von Kindern, die zur Ausbildung auf mittleren und höheren Schulen für geeignet erachtet werden, bis zur Beendigung der Ausbildung.
Von Staats wegen wird weder Religionzunterricht erteilt, noch für die Ausbildung von Seelsorgern irgend einer Religion gesorgt Doch ist an den öffentlichen Volksschulen den Kindern Gelegenheit zu geben, an dem von den Religionsgesellschaften veranstalteten Religionsunterricht teilzunehmen. Die Teilnahme der Schüler an diesem Religionsunterricht sowie an kirchlichen Feiern und Handlungen bleibt der Willenserklärung desjenigen überlassen, der über die religiöse Erziehung des Kindes zu bestimmen hat.
Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Bundes und unterstehen den Bundesgesetzen.
Alle Bundesangehörigen haben ein gleiches Recht auf Wahrung ihrer Nationalität und Sprache. keinem Bundesangehörigen werden im Gebrauche irgend einer Sprache im Privat- oder Geschäftsverkehr sowie bei Betätigung der religiösen Überzeugung, in der Presse oder in sonstigen Veröffentlichungen oder in allgemein zugänglichen Versammlungen Beschränkungen auferlegt. Durch Gesetz wird vorgesorgt, daß den nicht deutschsprechenden Bundesangehörigen angemessene Erleichterungen zum Gebrauch ihrer Sprache in Wort und Schrift bei den Gerichten geboten werden.
Bundesangehörige, die nach Nationalität, Sprache oder Religion einer Minderheit angehören, haben das gleiche Recht wie die der Mehrheit Angehörenden in den auf ihre eigenen Kosten errichteten Wohltätigkeits-, Religions-, Unterrichts-, Erziehungs- und sonftigen Anstalten, ihre eigene Sprache nach Belieben zu gebrauchen und ihre Religion frei auszuüben.
Wo eine verhältnismäßig beträchtliche Anzahl von Bundesangehörigen wohnt, die einer Minder-
heit nach Nationalität oder Sprache angehört, sind von allen Veiträgen, die etwa für Erziehungs- oder Wohltätigkeitszwecke aus öffentlichen Mitteln zugewendet werden, diese Minderheiten angemessen. zu beteilen.
(1) Das Gigentum ist von der staatlichen Rechtsordnung verliehen und kann durch sie entzogen werden.
(2) Die Zwecke, zu denen enteignet werden. kann, werden in besonderen Gesetzen, das Enteignungsverfahren wird durch Bundesgesetz geregelt.
(3) In welchen Fällen auf Verfall oder Einziehung von Gegenständen als Folge einer rechtswidrigen Handlung zu erkennen ist, bestimmt das Gesetz.
Alle Fideikommisse sind aufgehoben.
() Wer durch schuldhaft rechtswidrige Ausübung der öffentlichen Gewalt Schaden erleidet, hat Anspruch auf Entschädigung gegen den Bund- oder das Land, durch dessen Organ der Schaden zugefügt wurde. Die nähere Regelung erfolgt durch Bundesgesetz. Dieses stellt auch fest, unter welcher Voraussetzung ein Rückgriffsrecht gegen das schuldtragende Organ zulässig ist.
Die Arbeitskraft steht unter dem besonderen Schutz des Bundes. Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe gesetzlich geschützt. Die in den geltenden Gesetzen zugünsten der Arbeiter geschaffenen Rechtseinrichtungen, insbesondere die Detriebsräte und alle schon beftehenden gesetzlichen Maßnahmen des Arbeiterschutzes werden verfassungsmäßig gewährleistet Sie können zu ungunften der Arbeiter nicht abgeändert werden und find weiter auszubauen sowie auf die land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter mit Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse auszudehnen. Der Bund schafft ein einheitliches Arbeitsrecht.
Das Roalitionsrecht der Arbeiter und Angestellten ist gewährleistet. Alle Abreden und Maßnahmen, welche dieses Recht einzuschränten. oder zu behindern suchen, sind nichtig.
Zur Erhaltung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit, zum Schutze der Mutterschaft und zur Vorsorge gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Schwache und Wechselfällen des Lebens schafft der Bund ein umfassendes Versicherungäwesen, wobei die Verwaltung unbeschädet des Aufsichtsrechtes des Staates ausschlieklich von den Versicherten selbst zu besorgen ist.
Wer in einem Dienft- oder Arbeitsverhältnis als Angestellter oder Arbeiter steht, hat das Recht auf die zur Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte und, söweit dadurch der Betrieb nicht erheblich geschädigt wird, zur Auzübung ihm übertragener öffentlicher Ehrenämter nötigé freie Zeit. Wie weit ihni der Anspruch auf Vergütung erhalten bleibt, bestimmt das Gefeb.
Jedem Bundesangehörigen soll die Möglichteit gegeben werden, durch wirtschaftliche Arbeit seinen Unterhalt zu erwerben. Soweit ihm angemessene Arbeitsgelegenheit nicht nachgewiesen werden kann, wird für seinen notwendigen Unterhalt gesorgt. Das Nähere wird durch Gesetz bestimmt.“ Dieses sind unsere Formulierungen und Vorschläge für die Kulturgesetzgebung, insoweit sie im Artikel über allgemeine Grund- und Freiheitsrechte zum Auzdruck kommen. Durch sie hindurch zieht sich der große Gedanke, der in unserem Parteibrogramm ausgesprochen ist, daß Religion Privatjache ist und Staat und Kirche und Kirche und Schule getrennt werden müssen. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Doktor Rintelen: Zum Worte gelangt Herr Staatssetretär Dr. Mahr. Herr Staatsjekretär Dr. Mahr: Ich werde Sie nur sehr kurz in Anspruch nehmen. Ich möchte nur zunächst meiner Befriedigung darüber Ausdruck geben, daß die Länderkonferenzwenn sie auch nicht der richtige Ort dafür ist — da schließe ich mich den Ausführungen der früheren Rednen an — mir Gelegenheit geboten hat, auch in diejem gewiß sehr wichtigen Kapitel die Anschauungen der sozialdemokratischen Partei offiziell kennen zu fernen. Ich möchte nur mit ein paar Worten auf die Uußerungen der beiden Herren Vorredner der Sozialdemokratischen Partei zurückkommen. Wenn mir ein Vorwurf gemacht wurde, daß ich die Betimmungen der deutschen Verfassung in dieses Rapitel nicht aufgenommen habe, möchte ich diesen Vorwurf allerdings recht bescheiden zurückweisen. Ich weiß, daß es in den Koalitionsvereinbarungen steht, es ift nach deutschem Muster das Kapitel über Grund- und Freiheitsrechte aufzunehmen. Ich habe das auch getan, eigentlich viel weiter, als mir persönlich lieb war. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß es sich nicht um eine flabische Nachahmung irgend eines Musters handeln fann.
71 Was den Inhalt des Entwurfes anbelangt, o möchte ich noch einmal hervorheben, daß es sich um eine Privatarbeit handelt und daß ich auf diese Dinge nicht Rücksicht genommen habe, die mancher der Herren gewünscht hat. Sagen wir: Es ist mehr oder weniger eine Privat-Feißarbeit jerade in diesem Kapitel. Wenn Herr Dr. Danneberg mancherlei beanftandet hat, daß ich eine andere Fassung über die Rechte des Adels aufgenommen habe, so möchte ich hinweisen, daß mir gerade da das deutsche Muster fast Wort für Wort maßgebend gewesen ist.
(5s ift vielleicht eine kleine Dosheit von mir. Ich persönlich lege nicht viel Wert auf Adel und Adelsvorrechte und beabsichtige nicht in mittelalterliche Zustände zurückzukommen. Eine andere Frage ist die des Fideikommisses, des Asulrechtes, des Preßrechtes usw. Da möchte ich bemerken, daß ein Druckfehler vorgekommen ist, der gleich berichtigt wird. Die Gleichberechtigung der Nationalitäten, das Recht der Arbeiterschäft sind gewiß höchst wichtige Kabitel und ich habe einen größeren Teil davon aufgenommen. Was die Gleichberechtigung der Nationalitäten anbelangt, fo möchte ich mir erlauben, darauf zu verweisen, daß die bezüglichen Destimmunaen fait wortwörtlich aus den Bestimmungen des uns leider aufgezwungenen Friedensvertrages aufgenommen wurden. Ich will mich nicht weiter darüber äußzern. Nur zur großen Frage des Wirtschaftslebens will ich bemerken, daß ich gewiß die große Bedeutung der wirtschaftlichen Fräge kenne. Aber auch diese frage, ebenso wie eine ganze Reihe anderer fragen, die durch die übrige Gesetzaebung ohnehin gesetzlich verankert sind, halte ich nicht für unbedingt notwendig, in den Verfassungsentwurf aufzunehmen. Ich habe allerdinas dagegen nicht viel einzuwenden. Nur stehe ich auf dem Standpunkt, daß man in einem so wichtigen Rapitel, wie Grund- und Freiheitsrechte, nicht allzuviel sagen. oll, was inhaltslosen Phrafen oder einfachen Sätzen, mit denen man sonft nichts anfangen fann, gleichsehen würde. Das gleiche gilt vom Arbeiterrecht. Ich bin sehr dafür, daß moderne Errungenschaften auch verfassungsmäßig festgesett werden. Darüber werde ich noch eingehend reden und wir werden uns auch noch einigen und vertändigen können. Ich möchte nun zum Schlusse meiner Ausführungen noch auf eines hinweisen. Wir reden immer von Rechten und Freiheiten, wir ollten aber auch die Pflichten des Staatsbürgers betonen, und in der deutschen Verfassung habe das aus einem ganz fpeziellen Grunde nicht heißt es ausdrücklich: Grundaufgenommenrechte und Grundpflichten der deutschen Staatsbürger. Nach meiner Auffassung sollte man das zweite ebenso stark betonen wie das erfte. Zu den Ausführungen des Herrn Speiser nur zwei 251 72 Wortc. Das Verhältnis von Kirche, Schule und Ehe zum Staate ift gewis hochwichtig und mußin der Verfassung verankert werden. Und da war ür mich folgendes maßgebend. Wenn ich private Arbeit zu leiften habe, ftelle ich mich als Vertreter der christlichen Weltanschauung auf den christlichen Standpunkt, und speziell ist maßgebend für mich wenn noch so ein gutes Muster vorliegt wie die deutsche Verfassung, daß man die Verhältnisse, wie sie in unserer Entwicklung, in der Entwicklung unferer Länder liegen, deshalb nicht überfehen darf, sondern fort und fort darauf Rücksicht nehmen mußz. Das waren die Grundsätze, die mich bei der Abfassung dieses Kapitels geführt haben. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Doktor Nintelen: Wir kommen nun zum letzten Punkt der Tagesordnung, zum Artikel 141. Es ist mir nicht mehr in Erinnerung, in welcher Reihenfolge sich die Herren Delegierten zum Worte gemeldet haben. (Zurufe: „Das ist ja gleichgültig1) Zum Worte gelangt aljo Herr Landeshauptmannstellvertreter Dr. Schumächer (Innsbruck). Herr Landeshauptmannftellvertreter DoftorSchuinacher (Innsbruck): Zu diesem Artikel 141 habe ich namens meiner Parteigenoffen eine Erflärung abzugeben. (s handelt sich in diesem Artitel um die Entscheidungen und Verfügungen der Landesbehörde in Angelegenheiten, deren Vollzug den Ländern übertragen ift. also um Angelegenheiten, die bereits in den Artiteln 11 und 12 behandelt sind. Zum Schutze der Bundesinteressen, aber auch der Interessen der anderen Länder, wenn solche Interessen durch die Entscheidung der Landesbehörde berührt werden oder wenn solche andere Länder darum ansuchen, ist hier ein Eingreifen der Bundesregierung vorgesehen. Entscheiden foll der Verwaltungsgerichtshöf. Damit nun der Verwaltungsgerichtshof in allen Fällen diese Aufgabe erfüllen kann, ift in diesem Artikel feine Kompetenz ausgedehnt auch auf Fälle, in denen die Entscheidung der Landesbehörde nach freiem Ermessen erfolgt ist. Diese Bestimmung ist gewiß von der besten Absicht getragen; es ist aber bei Durchführung dieser Absicht eine Neuerung eingetreten, die wir für außzerordentlich bedenklich halten. Diese Neuerung besteht darin, daß der Verwaltungsgerichtshof zu Entscheidungen auch in jenen Fällen berufen ift, wo nur ein administratives Ermessen vorgelegen ift. Wir halten dafür, daß dadurch der Verwaltungsgerichtshof auf dieses ebiet geführt wird und daß das ganze Gebäude des Verwaltungsgerichtshofes in Gefahr kommt, wackelig zu werden. Wir wünschen, daß der Verwaltungsgerichtshof so wie bisher in solchen Fällen nicht zu entscheiden berufen sein soll und deshalb möchte ich bitten, von den Funktionen des Verwaliungs-
gerichtshofes, wie sie in diesem Artikel vorgesehen sind, abzusehen. Uns ist es lieber, wenn in der dritten Instanz nicht der Verwaltungsgerichtshof, sondern direkt eine Bundesbehörde entscheidet. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Dokter Mintelen (Steiermark): Herr Landeshauptmanntellvertreter Breufiler (Salzburg) hat das Wort. Herr Landeshauptmannstellvertreter Prenkler (Salzburg): Nachdem aus der Verwaltungsgerichtshofpraxis hervorgeht, daß Entscheidungen nach freiem Ermeisen sehr unliebsame Verletzungen privatrechtlicher Natur hervorbringen, wird es notwendig sein, die Bundesinteressen noch durch verschärfte Bestimmungen, als wie sie im Artikel
141 des Vorentwurfes vorgefehen find, unbedingt zu schützen. Wir stellen uns daher auf den Standpunkt folgender Bestimmungen (lieft): „Zum Schutze der Interessen des Bundes kann die Bundesregierung gegen Entscheidungen und Verfügungen von Landesbehörden auch dann den Verwaltungsgerichtshof anrufen, wenn die Entscheidung oder Verfügung nach freiem Ermessen zu treffen war.“ Herr Vorsitzender Dr. Mintelen (Steiermart): Ich bitte, hat noch jemand zu diesem Punkte etwas zu bemerfen? (Niemand meldet fich.) Dann ift die Debatte über diesen Punkt geschlössen. Zum Antrage zu diesem Punkte hat Herr Abgeordneter Kunschäk (Wien) das Wort. Herr Abgeordneter Runschak (Wien): Ich bitte nur einen furzen Augenblick noch um die Aufmerksamkeit der geehrten Herren. Ich möchte mir erlauben, zwei Anträge zu teflen, durch welche die Konferenz heute hier zu einem Abschluß gebracht werden soll, aber anderseits auch ein Zustand herbeigeführt werden soll, der es ermöglicht, im Sinne der Konferenzergebnisse weitere Schritte zu unternehmen. Der erste Antrag lautet (lieft): „„Die Staatsregierung wird aufgefordert, mit größter Beschleunigung und unter Berücksichtigung der Willensmeinung der Länderkonferenzen in Salzburg und Zinz den Entwurf einer Staatsverfafsung auszuarbeiten und vorzulegen.“ Der zweite Antrag lautet (lieft): „Der Landesrat von Steiermark wird ersucht, die Durchführung der Willensmeinung der Ländertonferenzen in Salzburg und Zinz in die Wegezu leiten und alle hiezu notwendigen oder sich daraus ergebenden Schritte zu unternehmen.“ Ich glaube zur Begründung dieser beiden Anträgé feine weitere Erklärung geben zu müfsen. Sie sprechen für sich selbst und bitte die verehrten Herren, zu diesen Anträgen Ihre Zustimmung zu geben. Herr Vorsitzender Landeshaubtmann Doktor Rintelen (Steiermarf): Herr Landeshauptmannstellvertreter Langoth hat das Wort. Herr Landeshauptmannstellvertreter Vangoth (Oberöfterreich): Namens meiner Varteifreünde kann ich die Erklärung abgeben, daß wir mit den Anträgen des Herrn Landesrates Kunschak einverstanden sind. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Doktor Mintelen (Steiermark): Herr Dr. Dannebera hat das Wort. Herr Dr. Danneberg (Wien): Was den ersten Antrag des Herrn Abgeordneten Kunschaf anbelangt, daß die Regierung, wenn ich recht verstanden habe, aufgefordert werde, schleunigst einen Verfassungsentwurf unter Berücksichtigung der Meinungsäußerungen auf den beiden Länderkonferenzen vorzulegen, möchte ich im Namen meiner Partei dazu folgendes bemerken. Wir sind dafür, daß die Regierung schleunigst einen Entwurf der Verfassung vorlegt, wir sind dafür, daß sie dabei berücksichtiat, was als Meinungzäußerungen auf den Konferenzen zu Tage getreten ist. Ich muß hinzufügen, daß in vielen und wichtigen Dingen auf diesen Länderkonferenzen ganz verschiedene und entgegengeseßzte Meinungsäußerungen zu Tage getreten sind. Und ich für meine Partei verlange elbstverständlich, daß die Regierung unsere Meinungsäußerung in diesen Dingen berücksichtigt. Gs ist Sache der Herren, zu verlangen, daß Ihre Meinungsäußerungen berücksichtigt werden. Ich möchte das deshalb nur sagen, weil der Antrag des Abgeordneten Kunschaf in diesem Punkte eigentlich, wie es mir vorkommt — ich weiß nicht, wie ich mich eigentlich ausdrücken follnicht ganz richtig ist. Bei zwei oder drei entgegengesetzten Meinungen kann die Regierung nur eine berückichtigen. (Herr Landesrat Runschak: „Wir haben auch einheitliche Meinungen1“) Sa, das habe ich ja hervorgehoben. Ich bin dafür, daß überall dort, wo keine einheitliche Meinungsäußerung vorhanden ift, die sozialdemokratische berücksichtigt werden soll. Ich möchte bei der Gelegenheit feftstellen, daß es sehr viele Bestimmungen im Entwurfe des Staatäsetretärs Dr. Mahr gibt, wovon ich gestern in der Generaldebatte gesprochen habe, mit denen wir nicht einverstanden sind, über die wir nicht sprechen konnten, weil die Zeit nicht ausreicht und die Bestimmungen nicht alle auf die Tagesordnung gestellt werden konnten. Es darf aber nicht das lateinische Sprichwort gelten: „Quid tacet, consentire videtur.“ Wir ftimmen nicht zu, wo wir nicht gesprochen haben, weil keine Gelegenheit dazu war. Was den zweiten Antrag des Herrn Landesrates Kunschaf anbelangt, daß der Landesrat von Steiermark die Aufgabe überwiesen bekommt, für die Durchführung der Anerkennung der Beschlüsse der Länderkonferenz zu sorgen, um alle notwendigen Schritte zu unternehmen, kann ich diesen Auftrag nur dahin auffassen, daß eben ein Protofoll dieser Länderkonferenz verfaßt wird, so wie das bei der Länderkonferenz in Salzburg geschehen ist, und daß dieses Protokoll der Regierung übermittelt wird. Wozu da sich ein eigener
73 Landesrat strapazieren soll, das weiß ich nicht, Der Herr Staatssekretär hat uns eingeladen und wir haben vor ihm unsere Meinungsäußerungen abgegeben und er als Mitglied der Regierung wird in der Tage sein, die Beschlüsse und Meinungen der Salzbürger Länderkonférenz zur Kenntnis zu bringen. Es scheint hier eine besondere Aufgabe für einen Landesrat nicht gerade notwendig. Man könnte nur, fofern die Herren glauben, daß noch eine Ffrage den Landesrat von Steiermark interessieren würde, eine neue Länderkonferenz einberufen, wenn Sie es für notwendig halten, mit den Landesräten der einzelnen Länder Verbindung zu setzen. Ich für meine Person glaube, daß sich eine dritte Länderkonferenz nicht für notwendig erweisen wird, um so weniger, als die Roalitionsvereinbarungen ja vorfehen, daß, wenn die Regierung mit einem Entwürf in den Verassungsausschuß der Nationalversammlung kommt, den Vertretern der Landesregierung dort Gelejenheit gegeben fein wird, den Beratungen der Nationalversammlung anzuwohnen und ihre Meinungen dort zu äußzern. Der zweite Antrag des Herrn Abgeordneten Kunschak erscheint mir nicht notwendig. Den ersten nehmen wir mit den Einschränkungen und Bemerkungen, die zu machen ich mir erlaubt habe, an. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Doktor Rintelen: Herr Abgeordneter Kunschak hat das Wort. Herr Abgeordneter Kunschak (Wien): Ich habe nur ganz furz zur Enthüllung meiner Abichten, die ich gehabt habe, einige Bemerkungen zu machen. Zunächst händelt es sich darum, daß emand vorhanden ist, der unsere Arbeiten, die wir in Salzburg und Linz geleistet haben, am zuständigen Ort vertritt. Wir haben nicht nur für uns und für die Zeitungen gearbeitet, wir haben offizielle Arbeit geleistet und die soll doch auch irgendwo ihren Auzdruck finden und zur Kenntnis gebracht werden. In erster Linie gilt das für die Regierung. Ich halte mich überzeugt, daß der Herr Staatskanzler gewiß die Berichte lesen wird über die Länderkonferenz, aber er ist nicht verpflichtet, davon nähere Kenntnis zu nehmen und ebensowenig ist der Herr Staatssekretär verpflichtet, hier der Vertreter, der Vormund der Länderkonferenz zu fein und unfere Angelegenheit gegenüber dem Staatsfanzler zur Sprache zu bringen. Wir haben den Weg gewählt, jeweils einen Landesrat mit der Aufgabe zu betrauen, und diese Aufgabe übernimmt der steiermärkische Landesrat. Was sich weiter ergeben wird, wissen wir alle miteinänder nicht. Vielleicht ergibt sich die Notwendigkeit, eine dritte Länderkonferenz einzuberufen. Ich hälte es für den Augenblick nicht für wahrscheinlich, daß es dazu kommt, aber immerhin für möglich. Wenn sich eine solche Notwendigkeit er10 252 74 geben follte, dann mußz iemand da fein, der diese Notwendigkeit erkennt. der diese Notwendigkeit in einem Kreise bespricht, parteimäßig bespricht, was in Steiermark möglich ist, weil dort alle drei Varteien in der Landesregierung vertreten find, und der die notwendigen Vorarbeiten und Durchführungen bollzieht. Es mußz auch für diese ebentuellen Fälle vorgeforgt fein. In diesem Sinne habe ich den Antrag gestellt und bitte die Vertreter der fozialdemokratichen Partei. in diesem Antrage nichts anderes zu suchen, als was ich jetzt ausgeführt habe. Wenn Sie das tun, so können Sie ohneweiters Ihre Stimme für diesen Antrag abgeben. Herr Vorsitzender Landeshauptmann Doktor Mintelen: Wünscht noch jemand das Wort? Da ist bezüglich dieses Punktes eine Einstimmigkeit nicht vorhanden. Es ist seinerzeit beschlossen worden, keine Abstimmungen vorzunehmen. Jedenfalls fann das nur in den einzelnen Parteien geschehen. Abgestimmt wird ja hier nicht. Ist hier doch nicht noch eine Einigung möglich? Herr Abgeordneter Runschak (Wien): Es muß emand da fein, der die Sache zum A6- doch schluß bringt. Herr Gemeinderat Dr. Danneberg (Wien); Der Herr Staatsfanzler hat einen Referenten hieher geschickt, daß er der Verhandlung folgen und auch berichten soll. Der Herr Staatssekretär ist auch der Referent, fein Vormund, aber Vollzugsorgan der Länder. Herr Abgeordneter Runschak (Wien): Da nutt nichts. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß die Sozialdemotraten sich für diesen Antrag nicht aus-
gesprochen haben und werden die Sache an den Tandesrat bringen, ob er einem solchen Wunsche entsprechen will. Herr Landeshauptmann Dr. Rintelen: Für diesen Antrag erklären sich die Christlichsozialen und Großdeutschen, die Sozialdemokraten lehnen ihn ab. (Herr Dr. Danneberg: „Für den ersten Antrag sind wir auch 1“ Hat noch jemand eine Anregung oder einen Antrag? (Gs ift nicht der Fall. Wenn ich hiemit die Linzer Länderkonferenz chließe, kann ich mit Vergnügen feststellen, daß sie sich würdig an die Salzburger Beratungen angeschlossen hat. Der Erfolg liegt darin, daß durch gegenseitige Aussprache manche Differenzen überbrückt oder doch gewisse Annäherungen erzielt worden sind. Aber auch dort, wo Gegensätze geblieben find, wurde durch Herausarbeitung der prinzipiellen Auffassung die weitere Entwicklung der Sache gefördert, wie überhaupt die Ländertonferenzen den Vorteil haben, daß sie die Länderpfnchologisch einander näher bringen, was auch dem Staaté als Ganzem gewiß förderlich ist. Indem ich nochmals dem Linzer Landesrate für die Aufmerksamkeit und Gaftfreundschaft danke, reut es mich, der Genuatuung Ausdruck geben zu können, daß wir durch die wefentliche Förderung des Verfassungswerkes dem Ausbau des Staatswesens, für den die Länderkonferenz stets geschichtliche Bedeutung haben wird, wieder ein so beträchtliches Stück näher gekommen sind. Die Länder nehmen es für sich in Anspruch, ihren Einfluß auf den weiteren Ausbau des Verfafsungswerfes entsprechend zur Geltung zu bringen. Die Konferenz ist geschlossen. (Schluß der Sitzung um 12 Uhr mittags.)